Mit großem Unverständnis nimmt der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) die Nachricht zur Kenntnis, dass die Bundesregierung die zweiwöchige bezahlte Freistellung von Partner*innen nach der Geburt auf Eis gelegt hat. Entgegen der ursprünglichen Ankündigung der Bundesregierung und entgegen der Vereinbarung im Koalitionsvertrag soll der vergütete Freistellungsanspruch nicht bis Ende des Jahres 2022, sondern nach Auskunft des Bundesfamilienministeriums erst ab dem Jahr 2024 umgesetzt werden.
Damit verstößt die Bundesrepublik Deutschland gegen ihre rechtlichen Verpflichtungen aus der Richtlinie (EU) 2019/1158 zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige (kurz: EU-Vereinbarkeitsrichtlinie). Die Umsetzungsfrist ist bereits am 2. August 2022 abgelaufen. Auf die Verpflichtung, einen vergüteten Freistellungsanspruch anlässlich der Geburt einzuführen, hat der djb bereits mehrfach hingewiesen (Stellungnahme 22-12 vom 3. August 2022, Stellungnahme 22-06 vom 5. Mai 2022, Stellungnahme 19-15 vom 13. Juni 2019). Der djb fordert mit Nachdruck, dass die Bundesregierung den „Vaterschaftsurlaub“ zügig einführt.
Kein Aufschieben von gleichstellungspolitischen Gesetzesvorhaben zulasten von Familien!
„Partnerschaftliche Sorgearbeit von Geburt an und die Entlastung von Müttern und gebärenden Personen unmittelbar nach der Geburt sind für die Gleichstellung grundlegend. In dieser frühen Phase wird eine eigenständige Beziehung von Partner*innen zum neugeborenen Kind aufgebaut und die Grundlage für eine partnerschaftliche Aufteilung der Kindererziehung gelegt. Dies würde auch helfen, Geschlechterstereotype in der Arbeitswelt abzubauen.“, erläutert die Präsidentin des djb Prof. Dr. Maria Wersig.
Bereits während der Corona-Pandemie mussten Familien und insbesondere Frauen die wirtschaftlichen und sozialen Lasten tragen. Die Care-Krise und Re-Traditionalisierungsdynamiken dürfen nicht weiter verschärft werden. Im Gegenteil: Es braucht nun aktive Gesetzgebungsmaßnahmen, um Sorgearbeit umzuverteilen und dem Gleichstellungsauftrag aus Art. 3 Abs. 2 GG nachzukommen (Pressemitteilung des djb zum Equal Care Day vom 1. März 2022).
„Die wichtigen Ziele der EU-Vereinbarkeitsrichtlinie dürfen nicht zugunsten wirtschaftlicher Interessen geopfert werden. Sofern die Bundesregierung die Arbeitgeber*innen nicht mit einem Lohnersatz für den ‚Vaterschaftsurlaub‘ belasten will, können die Kosten vorübergehend vom Staat erstattet werden.“, so Prof. Dr. Cara Röhner, Vorsitzende der Kommission Recht der sozialen Sicherung, Familienlastenausgleich.
Quelle:Deutscher Juristinnenbund, Pressemitteilung vom 28. November 2022