Die künftigen Regierungsparteien haben einen Koalitionsvertrag vorgelegt. Positiv sticht die geplante Fortsetzung des Pakts für den Rechtsstaat einschließlich diverser Digitalisierungsvorhaben heraus. Mit Sorge blickt der Deutsche Anwaltverein (DAV) allerdings auf die geplanten Einschränkungen bei Freiheits- und Menschenrechten – von Vorratsdatenspeicherung und Staatstrojaner bis hin zu Rechtsschutzeinbußen im Asylverfahren. Auch fehlt dem DAV einiges: Weder eine Reform des Abstammungsrechts noch die Dokumentation der Hauptverhandlung noch die Fortsetzung der Überwachungsgesamtrechnung stehen auf der Agenda. 

Unter dem Stichwort „Moderne Justiz“ findet sich unter anderem die Fortsetzung des Pakts für den Rechtsstaat, inklusive der notwendigen Digitalisierung der Justiz, was der DAV ausdrücklich begrüßt. „Die digitale Rechtsantragstelle hat der DAV bereits seit Langem gefordert und ist daher zu begrüßen“,erläutert Rechtsanwalt Stefan von Raumer, Präsident des DAV. Bei allen Reformvorhaben zur Rechtspflege sei aber zwingend die Anwaltschaft mit einzubeziehen. „Auch darf es bei den geplanten Überarbeitungen der Verfahrensordnungen nicht zu Rechtswegverkürzungen kommen. Dass etwa der Zugang zur zweiten Tatsacheninstanz beschränkt werden soll, müssen wir im Blick behalten“, so der Rechtsanwalt.

Positiv ist auch das Bekenntnis zu guter Gesetzgebung zu werten – vor allem im Hinblick auf die Regelfristen für die Verbändebeteiligung. Diese sind in der Vergangenheit oft zu kurz gewesen. „Dabei ist es sinnvoll, die Praxis mit einzubeziehen“, so der DAV-Präsident.Auch inhaltlich gibt es einige Vorhaben, die zuversichtlich stimmen, etwa die Einführung eines Mutterschutzes für Selbstständige oder die grundsätzliche Absicht, das Strafrecht zu entschlacken.

Freiheitskoalition war gestern

Der „Rechtsstaat“ taucht immerhin noch 12-mal auf (im Vergleich zu 29 Nennungen beim letzten Mal) – die Anwaltschaft überhaupt nicht mehr. Der geplante Koalitionsvertrag von Union und SPD läutet eine neue Ära ein.

„Drei Monate Vorratsdatenspeicherung, Staatstrojaner und biometrischer Abgleich von Bildern:In den nächsten vier Jahren ist mit einer erheblichen Ausweitung an Überwachungs- und Ermittlungsbefugnissen und damit auch an Eingriffen in die Grundrechte unbescholtener Bürgerinnen und Bürger zu rechnen“, mahnt vonRaumer. Daher sei es besorgniserregend, dass eine Überwachungsgesamtrechnung nicht mehr geplant ist. „Angesichts dessen, was an Grundrechtseingriffen geplant ist, wäre eine Fortsetzung und endlich auch Überführung in den Gesetzgebungsprozess als Korrektiv bitter notwendig gewesen“, betont der DAV-Präsident.

Die Abschaffung des Amtsermittlungsgrundsatzes in Asylverfahren und des beigestellten Rechtsbeistands vor einer Abschiebung bedeuten erhebliche Rechtsschutzeinbußen für Geflüchtete.

Prominente Lücken

Auffällig ist auch, was nicht im Koalitionsvertrag steht: Die überfällige Reform des Abstammungsrechts findet sich im Papier nicht wieder. Heruntergefallen ist auch die Dokumentation der Hauptverhandlung. „So bleibt es beim ebenso unhaltbaren wie unzeitgemäßen Umstand, dass die Inhalte deutscher Strafprozesse auch in den kommenden vier Jahren weiterhin nur mit subjektiven, handschriftlichen Notizen dokumentiert werden“, kritisiert vonRaumer. Gerade im internationalen Vergleich sei das nicht mehr zeitgemäß.

Der DAV wird sich in den kommenden Wochen noch eingehender mit den einzelnen Plänen für die nächsten vier Jahre beschäftigen. Eine Forderung hebt der DAV-Präsident jedoch hervor: Auch in der neuen Legislaturperiode müsse es eine Anpassung der RVG-Tabellen geben.

DAV, 10.04.2025

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