In der öffentlichen Debatte um den Diskussionsentwurf des Bundesinnenministeriums (BMI) zu Abschiebungen lief ein Aspekt bisher unter dem Radar: Der Deutsche Anwaltverein (DAV) warnt davor, dass durch die geplante Strafbarkeit falscher Angaben im Asylverfahren künftig auch Asylrechtsanwält:innen wegen Beihilfe verfolgt werden könnten. Bedenklich seien auch die Auswirkungen auf die Justiz sowie der Richtungswechsel gegen eine Wertentscheidung des Gesetzgebers.
Neben zahlreichen anderen problematischen Regelungen, die in den vergangenen Wochen bereits öffentlich kritisiert wurden, enthält der „Diskussionsentwurf zur Verbesserung der Rückführung“ aus dem BMI auch neue Vorschriften zur Strafbarkeit falscher Angaben im Asylverfahren. Die Strafbarkeit bestünde unabhängig davon, ob dadurch ein Aufenthaltstitel erlangt wurde oder nicht. Die Vorschrift könnte fatale Folgen für Asylrechtsanwält:innen haben, warnt Rechtsanwältin Gisela Seidler, Vorsitzende des DAV-Ausschusses Migrationsrecht: „Kolleginnen und Kollegen müssten quasi bei jedem asylrechtlichen Mandat mit der Möglichkeit rechnen, zum Ziel strafrechtlicher Ermittlungen zu werden: wegen Beihilfe zu einer Straftat.“
Anwältinnen und Anwälte animieren nicht zum Lügen, erfinden auch keine Geschichten. „Wir tragen das vor, was die Mandanten uns schildern“, betont Seidler. „Natürlich fragen wir uns manchmal, ob die eine oder andere Geschichte glaubhaft ist, das ist menschlich. Ein solcher Zweifel könnte aber künftig als bedingter Vorsatz ausgelegt werden.“
Justizüberlastung droht
Die seltenen Fälle, dass eine falsche Angabe aufgrund eines späteren Geständnisses aufgedeckt wird, mögen einfach sein. Doch in allen anderen Konstellationen müssten die Verwaltungsgerichte bei kleinsten Zweifeln an der Geschichte künftig den Fall an die Staatsanwaltschaft abgeben – eine immense Blockade der Ressourcen von Justiz und Strafverfolgungsbehörden, mahnt die Migrationsrechtlerin. „War es wirklich eine falsche Angabe, oder wurde nur fehlerhaft übersetzt oder falsch protokolliert? In Ermangelung einer technischen Aufzeichnung müssten alle Beteiligten als Zeugen befragt werden.“
Regelungslücke besteht nicht
Falsche Angaben über Identität und Staatsangehörigkeit, offenkundig falsche Tatsachen oder Widersprüche in wesentlichen Punkten führen schon jetzt dazu, dass der Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt und eine Kette an aufenthaltsrechtlichen Konsequenzen in Gang gesetzt wird. Für zusätzliche strafrechtliche Sanktionierung besteht kein Bedarf. „Der Gesetzgeber hat sich schon 1982 bewusst gegen eine Strafandrohung für das Erschleichen der Asylanerkennung und falsche Angaben im Asylverfahrensgesetz entschieden“, so Seidler. Dadurch sollte etwa vermieden werden, dass Asylsuchende durch die eigene Strafdrohung im Verfahren gegen Schlepper ein Aussageverweigerungsrecht hätten.