In einer Stellungnahme kritisiert der Deutsche Anwaltverein (DAV) das geltende Arbeitszeitrecht. Angestellte Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen könnten ihre beruflichen Pflichten nicht mit den Höchstarbeits- und Mindestruhezeiten vereinbaren. Der Gesetzgeber müsse dem Rechnung tragen.

Das deutsche Arbeitszeitgesetz gibt tägliche Höchstarbeits- und Mindestruhezeiten vor, eine wöchentliche Höchstarbeitszeit und es untersagt die Arbeit an Sonn- und Feiertagen. „Der Gesundheitsschutz ist ein wesentlicher Pfeiler unserer Arbeitswelt. Für Anwälte und Anwältinnen können diese Regeln aber zum Problem werden“, so Rechtsanwältin Dr. Nathalie Oberthür, Vorsitzende des Ausschusses Arbeitsrecht des DAV. Ihre Tätigkeit erfordere es häufig, unverzüglich tätig zu werden – auch außerhalb der üblichen Arbeitszeiten. Erreiche ein Schriftsatz der Gegenseite für einen Termin am nächsten Morgen den Anwalt erst spät abends, dürfe dieser ihn eigentlich nicht mehr lesen. „Die elfstündige Mindestruhezeit verbietet es, nach 21:00 Uhr noch Vorbereitungen für einen Termin am nächsten Tag um 8:00 Uhr zu treffen. Gerichtsverhandlungen mit Beweisaufnahme dauern zudem nicht selten viele Stunden. Anwältinnen und Anwälte müssten hier möglicherweise die Verhandlung abbrechen, wenn sie die gesetzlich vorgeschriebene Höchstarbeitszeit einhalten wollen“, meint die Arbeitsrechtlerin.

„Die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes kann dazu führen, dass das Mandanteninteresse nicht gewahrt werden kann“
, erklärt Oberthür. Dem Mandanteninteresse seien auch angestellte Anwältinnen und Anwälte jedoch berufsrechtlich verpflichtet. Die im Arbeitszeitgesetz enthaltene Ausnahmeregelung sei für die Anwaltschaft ungeeignet, da sie gerade nicht auf regelmäßig eintretende Krisensituationen, die sich aus der Eigenart der Tätigkeit ergeben, anwendbar sei. Zudem könnte die Begründung einer Ausnahmesituation gegenüber der Aufsichtsbehörde die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht verletzen.

Die Rechtsanwältin konstatiert: „Der Anwaltsberuf wird immer häufiger auch auf Dauer im Angestelltenverhältnis ausgeübt. Das Arbeitszeitgesetz kann deshalb eine unauflösliche Pflichtenkollision begründen.“ Der DAV fordert den Gesetzgeber deshalb auf, die gesetzliche Regelung für die Anwaltschaft anzupassen und einen angemessenen Ausgleich zwischen den gesetzlichen Berufspflichten und dem gebotenen Gesundheitsschutz herbeizuführen. Dabei könnte insbesondere die Arbeitszeitsouveränität als wesentlicher Aspekt für den Gesundheitsschutz von angestellten Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen berücksichtigt werden.

Einzelheiten sowie weitere Aspekte können Sie der DAV-Stellungnahme Nr. 14/2023 entnehmen

Quelle: Deutscher Anwaltverein, Pressemitteilung vom 3. März 2023

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