Mehr Gerechtigkeit, weniger Bürokratie: Der Deutsche Anwaltverein (DAV) fordert anlässlich der laufenden Koalitionsverhandlungen eine Überarbeitung des Migrationsrechts. Notwendig sind der Zugang zur Erwerbstätigkeit, die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes, familienfreundliche Regelungen zum Aufenthaltsrecht – und ein effektiver Zugang zum Recht.
Drittstaatsangehörige, die in Deutschland mit einer Aufenthaltsgestattung, Duldung oder Aufenthaltserlaubnis leben, sollten das Recht haben, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen. „Dass arbeitsfähige und arbeitswillige Betroffene auf den Bezug von Sozialleistungen verwiesen werden, ist absurd“, sagt Swen Walentowski, Leiter der Politischen Kommunikation des DAV. Eine Öffnung des Arbeitsmarktes würde die Sozialsysteme entlasten und den Beteiligten aus aktuell illegalen Arbeitsverhältnissen den Weg in die Legalität ebnen.
AsylbLG abschaffen
Auch das Nebeneinander verschiedener Sozialsysteme ist reformbedürftig – das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) gehört abgeschafft. „Existenzminimum ist Existenzminimum – für eine unterschiedliche Behandlung darf kein Platz sein“, mahnt Walentowski. Die in § 1 AsylbLG genannten Personengruppen sind in die regulären Sozialsysteme einzubeziehen. Das würde die behördliche Doppelstruktur entbehrlich machen, und das Personal wäre an anderen dringenden Stellen einsetzbar.
Spurwechsel ermöglichen
Der DAV fordert den Verzicht auf die Nachholung des Visumverfahrens bei geklärter Identität. „Wenn alle sonstigen Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels vorliegen,gibt es keinen vernünftigen Grund, die Betroffenen pro forma in ihr Herkunftsland zurückzuschicken, damit sie dort ein Visum beantragen, das ihnen sicher gewährt wird, um sie dann wieder einreisen zu lassen“, so Swen Walentowski. „Hier schießt die deutsche Gründlichkeit gründlich übers Ziel hinaus.“
Zugang zum Recht garantieren
Beim Zugang zum Recht besteht an diversen Stellen Reformbedarf: Anwältinnen und Anwälten muss der Zutritt zu sogenannten AnkER-Zentren offenstehen, um unentgeltliche und unabhängige Rechtsberatung anbieten zu können. Das Verbot der Abschiebungsankündigung ist zu streichen, damit den Betroffenen die Möglichkeit des einstweiligen Rechtsschutzes bleibt. Bei Abschiebungshaft ist ein Rechtsbeistand zu bestellen, so wie es bei strafrechtlichen Freiheitsentziehungen der Fall ist.
Der DAV plädiert für die Anpassung der Rechtsmittel im asylrechtlichen Gerichtsverfahren an denen des allgemeinen Verwaltungsprozesses: Es braucht die Möglichkeit einer Berufung bzw. einer Beschwerde im Eilverfahren. Die aktuellen Benachteiligungen sind strukturell diskriminierend, behindern effektiven Rechtschutz und bewirken eine Zersplitterung der Rechtsprechung.
Aufenthaltsanspruch von Eltern aufenthaltsberechtigter Kinder
Eine Rechtsordnung, die die Familieneinheit schützt, muss einen Aufenthaltsanspruch für Eltern von aufenthaltsberechtigten Kindern vorsehen. Dieser ist bisher nur in bestimmten Konstellationen geregelt. Sachgerecht wäre hier ein gesetzlicher Anspruch auf Erteilung eines familiären Aufenthaltstitels für beide Elternteile eines aufenthaltsberechtigten, drittstaatsangehörigen Kindes.
Quelle: DAV, Pressemitteilung vom 4. November 2021