Berlin (DAV). Die rare Erwähnung und Vernachlässigung der Rechtspolitik im Sondierungspapier und im ersten Aufschlag der Verhandlungsgruppen für die Koalitionsgespräche hat den Deutsche Anwaltverein (DAV) verwundert. Abgesehen von einer ungewissen Ausrichtung auf Bürgerrechte tauchten die Begriffe Recht, Rechtsstaat, Justiz und Anwaltschaft nur selten auf. Schließlich wurde die Arbeitsgruppe 16 um rechtspolitischen Sachverstand erweitert. Gleichzeitig wird klar, dass jetzt auch Taten folgen und die Bedeutung der dritten Gewalt und des Rechtsstaats konkret herausgearbeitet werden müssen.
Auch wenn das Sondierungspapier nur einen Rahmen für die Koalitionsverhandlungen gesetzt hat und nicht alles im Detail diskutiert wurde, sollten in den Arbeitsgruppen alle wichtigen Themen Erwähnung finden. Nichtsdestotrotz wurde im ersten Aufschlag der Arbeitsgruppen keine tiefergehende Befassung mit Rechtspolitik erkennbar. Es war lediglich zu vermuten, dass rechtsstaatliche Fragen irgendwo in der Gruppe „Innere Sicherheit, Bürgerrechte, Sport“ und bei „Moderner Staat und Demokratie“ behandelt werden sollten. Angesichts der Wichtigkeit des Themas Recht und Rechtsstaat war das ein falsches Signal und unbefriedigend.
„Die Chance für den Rechtsstaat darf jetzt nicht vertan werden.“
DAV-Hauptgeschäftsführerin Dr. Sylvia Ruge
„Es ist wichtig, dass die Themen Recht, Justiz und Verbraucherschutz zumindest im letzten Augenblick noch in die Arbeitsgruppe 16 aufgenommen wurden“, betont DAV-Hauptgeschäftsführerin Dr. Sylvia Ruge und führt weiter aus: „Jedoch ist jetzt allerhöchste Zeit, die Rechtspolitik mehr in den Fokus zu nehmen und dringend notwendige Vorhaben für den Rechtsstaat und die unabhängige Anwaltschaft in den Koalitionsverhandlungen herauszuarbeiten. Rechtspolitik darf nicht zur Nebensache werden.“
Schon im Sondierungspapier wurde statt der Rechtspolitik der Bereich der Inneren Sicherheit priorisiert. Daher ist zu befürchten, dass das Thema Rechtsstaat trotz der Modifizierung der Arbeitsgruppe weiter stiefmütterlich behandelt wird. Das ist aus Sicht des DAV nicht akzeptabel. „Die Chance für den Rechtsstaat darf jetzt nicht vertan werden“, mahnt Ruge. „Die Ansiedlung des Bereichs Recht und Justiz zusammen mit der Inneren Sicherheit ist auch nicht optimal; Recht und Inneres sind zwei verschiedene Paar Schuhe. In der Zusammenstellung der Ministerien sind sie aus gutem Grund immer getrennt.“
Die traditionelle Trennung der Ressorts Justiz und Inneres entspringt dem Grundsatz der Gewaltenteilung, der Unabhängigkeit der Justiz und dem Rechtsstaatsprinzip mit seiner Garantie eines effektiven Rechtsschutzes.
Der DAV fordert die Koalitionspartner auf, Rechtspolitik in den Verhandlungen nicht zur Nebensache zu degradieren und somit für ein klares Bekenntnis für die Wichtigkeit des Themas im Koalitionsvertrag zu sorgen.
Quelle: Deutscher Anwaltverein Pressemitteilung Nr. 42 vom 22. Oktober 2021