Die Rückkehr des Wolfes nach Deutschland bringt Herausforderungen mit sich. Mit der wachsenden Wolfspopulation sind zunehmend auch Risse an Weidetieren zu beobachten. Jeder einzelne Riss ist für die Tierhalter*innen ein schwerer Verlust – wirtschaftlich und emotional. Damit die Akzeptanz für den Wolf in der Gesellschaft gewahrt bleibt, sind praktikable und schnelle Lösungen nötig. Sie müssen einerseits den Tierhalter*innen mehr Sicherheit geben, aber auch den Artenschutz wahren. Denn der Wolf ist und bleibt eine nach Europarecht streng geschützte Tierart.

BMUV schlägt vor: unkomplizierte Schnellabschüsse ermöglichen

In Regionen mit erhöhtem Rissvorkommen soll bereits nach erstmaligem Überwinden des zumutbaren Herdenschutzes und dem Riss von Weidetieren durch einen Wolf eine Abschussgenehmigung unmittelbar und für einen Zeitraum von 21 Tagen für einen Umkreis von 1.000 m um die betroffene Weide erteilt werden.

Regionen mit erhöhtem Rissvorkommen sind Gebiete, in denen Wölfe häufig Weidetiere reißen. Sie können von den Bundesländern nach regionalen Gegebenheiten einfach festgelegt werden. So ermöglicht der Vorschlag ein regional differenziertes Wolfsmanagement bei vermehrtem Auftreten von Übergriffen auf geschützte Tiere.

Ein DNA-Nachweis vor der Abschussgenehmigung (der bisher nötig ist) soll dafür entfallen.

Durch die Fokussierung auf Gebiete mit erhöhtem Rissvorkommen kann genehmigungsrechtlich der nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) erforderliche Ausnahmegrund belegt werden, dass ernster wirtschaftlicher Schaden droht.

Vorteil 1: Umkreisregelung stellt Effizienz sicher

Diese neue Genehmigungspraxis stützt sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse:

Ein Wolf versucht es nach einem erfolgreichen Übergriff mit hoher Wahrscheinlichkeit an derselben Herde erneut. So ist in einer Untersuchung aus Schweden festgestellt worden, dass es eine signifikante Häufung erneuter Übergriffe in einem nahen Umkreis zeitnah nach einem Übergriff gibt.

Wenn unmittelbar nach einem Übergriff in räumlicher Nähe ein Wolf gesichtet wird, ist davon auszugehen, dass es sich um den Problemwolf handelt. Die vom BMUV vorgeschlagene Regelung gewährleistet daher eine hohe Wahrscheinlichkeit, den schadenstiftenden Wolf sehr zeitnah zu treffen und so weitere Risse zu verhindern.

Darauf aufbauend kann eine Abschussgenehmigung von der zuständigen Landesbehörde unmittelbar nach einem Riss ausgestellt werden, da sie auf den Abschuss des schadenstiftenden Individuums zielt und auf einen unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit der betroffenen Weide setzt. Durch „Mustergenehmigungen“, die mit den Ländern erarbeitet werden sollen, kann dieser Prozess zusätzlich beschleunigt werden.

Vorteil 2: kein DNA-Beweis vor Abschussgenehmigung

Zur Erteilung der Abschussgenehmigung muss anders als im bisherigen Verfahren kein Ergebnis eines DNA-Tests vorliegen. Dadurch wird eine schnelle Abschussgenehmigung ohne größere bürokratische Hürden ermöglicht.

Am Ort des Risses sollte weiterhin ein Abstrich genommen und auch ein Gentest beauftragt werden. Damit kann eindeutig belegt werden, dass der Problemwolf auch geschossen wurde und somit Sicherheit vor erneuten Rissen durch den schadenstiftenden Wolf erlangt werden.

Vorteil 3: artenschutzrechtliche Absicherung

Der BMUV-Vorschlag steht im Einklang mit dem europäischen Artenschutz und den Regelungen des Bundesnaturschutzrechtes, das bereits jetzt den Abschuss von Wölfen mit problematischem Verhalten erlaubt.

  • Der Vorschlag des BMUV bedeutet: schnellere Verfahren, mehr Schutz und Sicherheit für die Weidetierhalter*innen, Rechtssicherheit für die Bundesländer und Konsistenz mit europäischen und nationalen Regelungen. Vor allem aber ist dieser Vorschlag schnell in der Praxis umsetzbar und erfordert keine europäischen und nationalen Rechtsänderungen. Er ist lösungsorientiert und praktisch.

Wichtig: Herdenschutzmaßnahmen sind unumgänglich

Die flächendeckende Umsetzung von effektiven Herdenschutzmaßnahmen bleibt die mit Abstand effizienteste und wichtigste Maßnahme zum Schutz von Weidetieren. Nutztierrisse gibt es vor allem dort, wo die Tiere schlecht oder gar nicht geschützt sind. In allen Regionen mit Wölfen und in den Wolfserwartungsgebieten muss deshalb der Herdenschutz weiterhin und umfassend gefördert und die Expertise für den Herdenschutz ausgebaut werden. Die vorliegenden Daten zeigen eindeutig, dass empfohlene Herdenschutzmaßnahmen, zum Beispiel Zäune oder Herdenschutzhunde, wirksam vor Übergriffen auf Nutztiere schützen können. Die weit überwiegende Zahl von Rissen sind nicht einer wachsenden Wolfspopulation geschuldet, sondern dem Fehlen von geeigneten Schutzmaßnahmen.

Hintergrundinformationen

Wie sieht der weitere Prozess aus?

Der Vorschlag des BMUV wird als nächstes mit den Ländern besprochen. Ziel ist eine Beschlussfassung bei der 101. Umweltminister*innenkonferenz (UMK) Ende November. In dem Beschluss soll die gemeinsame Rechtsauslegung von Bund und Ländern dokumentiert werden, dass unter den genannten Maßgaben eine Abschussgenehmigung erteilt werden kann. Dies erhöht die Rechtssicherheit und ermöglicht den Ländern, unmittelbar so verfahren zu können.

Darüber hinaus wird gegenwärtig der Praxisleitfaden Wolf im Rahmen des laufenden Bund-Länder-Prozesses bearbeitet, was ebenfalls in einen Beschluss der UMK münden soll (zum Beispiel Musterbescheide, Best-Practice-Regelungen etc.).   

Was sind Regionen mit erhöhtem Rissvorkommen?

Regionen mit erhöhtem Rissvorkommen sind räumlich abgegrenzte Bereiche, so zum Beispiel ein oder mehrere Landkreise, in denen ein signifikant erhöhtes Rissvorkommen auf mindestens mit Grundschutz geschützte Tiere nachgewiesen ist. Diese Regionen können von den Bundesländern nach regionalen Gegebenheiten einfach festgelegt werden. Es geht um Gebiete mit mehrfachen Rissvorfällen auf geschützte Tiere in einem begrenzten Zeitraum.

Durch die Festlegung dieser Gebiete wird auf Regionen fokussiert, in denen vermehrt Risse vorkommen. Man kann also davon ausgehen, dass hier der Wolf ein Verhalten erlernt hat, Weidetiere zu reißen. Damit können gezielt die Wölfe geschossen werden, die geeigneten Herdenschutz überwinden.
 

Ist es möglich, Wölfe präventiv abzuschießen, um die Population niedrig zu halten?

Ein rein präventiver Abschuss von Wölfen zur Verringerung der Gesamtpopulation ohne konkreten Anlass ist nach geltendem europäischen Recht nicht zulässig. Daran würde auch ein niedrigerer Schutzstatus nichts ändern – es muss für einen Abschuss immer eine Einzelfallgenehmigung geben. Ungeschützte Nutztiere würden damit zudem weiterhin schutzlos Wolfsangriffen ausgesetzt sein. Auch die Feststellung eines „guten Erhaltungszustands“ würde nichts daran ändern, dass der Abschuss eines Wolfes eine Genehmigung braucht, die am Einzelfall festzumachen ist.
 

Ist es möglich, wolfsfreie Zonen in Deutschland einzurichten?

Die Schaffung so genannter wolfsfreier Zonen ist nach geltendem Recht nicht möglich und würde den Vorgaben der FFH-Richtlinie widersprechen. Wolfsfreie Zonen könnten nur durch präventiven und permanenten Abschuss von allen neu ankommenden Wölfen realisiert werden. Dies ist nach europäischem Recht nicht zulässig.

Im Übrigen würden sich sofort neue Wölfe dort ansiedeln, wo durch das Töten eines Rudels ein Revier frei wird, denn Wölfe wandern.  Ein Rückgang von Übergriffen auf Nutztiere ist damit nicht zu erwarten, diese lassen sich nur durch die konsequente Anwendung von Herdenschutzmaßnahmen verhindern.

Im Übrigen ernährt sich der Wolf zu über 95 Prozent von Wild. Das heißt: Der Wolf frisst im Regelfall im Wald, nicht auf der Weide.
 

Wie ist der Wolf geschützt?

Der Wolf ist in Deutschland laut europäischer FFH-Richtlinie streng geschützt und stellt eine prioritäre Art dar, für deren Erhaltung allen Staaten der Europäischen Union eine besondere Verantwortung zukommt.

Die Anforderungen an das Wolfsmanagement ergeben sich unmittelbar aus der FFH-Richtlinie: Diese schließt rechtlich eine Begrenzung (Obergrenze / Bestandsmanagement) der Wolfspopulation durch Tötungen einer bestimmten Anzahl von Wölfen aus. Bei der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung müssen stets die Anforderungen des Artikels 16 der FFH-Richtlinie eingehalten werden.
 

Wie wird der Erhaltungszustand des Wolfes ermittelt?

Der Erhaltungszustand des Wolfes ist alle sechs Jahre im Rahmen der FFH-Richtlinie zu ermitteln. Seine Einstufung bemisst sich europaweit nach einheitlichen Kriterien. Dies sind neben der Population die Merkmale Verbreitung, Größe und Qualität des Habitats sowie Zukunftsaussichten. Der nächste FFH-Bericht ist – für alle FFH-Arten – im Jahr 2025 abzugeben. In der FFH-Richtlinie ist kein Mechanismus für eine Umstufung von Arten, die sich in einem günstigen Erhaltungszustand befinden, vorgesehen.
 

Wieviele Wölfe gibt es in Deutschland?

Das BfN veröffentlicht jährlich Bestandszahlen, auf die auch die EU-Kommission zugreift. Die Daten liegen für alle transparent hier vor. Im Monitoringjahr 2022/2023 gab es in Deutschland in 253 Wolfsterritorien 184 Rudel, 47 Paare und 22 territoriale Einzeltiere.

Für den langfristigen Erhalt des Wolfes in Deutschland sind vor allem die erwachsenen, fortpflanzungsfähigen Individuen in den Wolfsterritorien maßgeblich. Daher konzentrieren sich die Bundesländer im Rahmen ihres Wolfsmonitorings auf die Erhebung der Anzahl der Wolfsfamilien (Rudel) und Wolfspaare. Dabei können auch zusätzliche Informationen erfasst werden, u.a. Daten zu den in den Territorien nachgewiesenen Individuen.

Insgesamt wurden laut Bundesamt für Naturschutz (BfN) in den bestätigten Wolfsterritorien 1.339 Wolfsindividuen nachgewiesen: 439 adulte Wölfe, 83 Jährlinge (Wölfe im 2. Lebensjahr) und 634 Welpen (Wölfe im 1. Lebensjahr). Bei 126 Individuen war nicht eindeutig zu ermitteln, ob es sich um adulte Wölfe oder Jährlinge gehandelt hat; bei 9 Individuen war nicht sicher, ob sie Jährlinge oder Welpen waren. Bei weiteren 48 Individuen konnte das Alter nicht bestimmt werden.

Das geht aus den Erhebungen der Bundesländer hervor, die hierfür mehrere zehntausend Hin- und Nachweise ausgewertet haben. Die amtlich bestätigten deutschen Wolfszahlen werden durch das Bundesamt für Naturschutz (BfN) und die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) in Abstimmung mit den Ländern veröffentlicht. Im vorhergehenden Monitoringjahr 2021/2022 wurden in 245 Wolfsterritorien 162 Rudel, 58 Paare und 25 territoriale Einzeltiere.nachgewiesen.
 

Ist der Wolf eine Gefahr für den Menschen?

Seit der Rückkehr des Wolfs nach Deutschland vor inzwischen über 20 Jahren gab es keine Übergriffe von Wölfen auf Menschen.

Übergriffe von Wölfen auf Menschen gab es auch weltweit sehr selten und lassen sich auf Tollwut (neben Deutschland sind die meisten europäischen Länder tollwutfrei), Futterkonditionierung und Provokation zurückführen.

Weiterführende Links:

DBB Wolf

FAQ Wolf BMUV

FAQ Wolf BfN

FFH-Berichte Bf

(c) BMUV, 12.10.2023

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