Mit einem persönlichen Brief hat Rechtsanwalt und Notar Dr. Ulrich Wessels, Präsident der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK), Bundesjustizminister Marco Buschmann am 15.02.2023 gebeten, anlässlich seiner Israelreise in der kommenden Woche auf den israelischen Justizminister und die Regierungsvertreter einzuwirken. Nach Auffassung der BRAK ist es dringend geboten, von den geplanten Justizreformen Abstand zu nehmen und den Dialog mit Vertretern der Anwaltschaft und der Justiz zu suchen.

Die neue israelische Regierung unter Benjamin Netanjahu treibt Reformvorhaben voran, die bei Umsetzung in einer faktischen Aushöhlung, wenn nicht gar Abschaffung, der Gewaltenteilung münden würden. Justizminister Yariv Levin hat kürzlich einen Gesetzentwurf präsentiert, der unter anderem eine sogenannte „Überstimmungsklausel“ vorsieht, wonach Entscheidungen des Supreme Court mit einfacher Mehrheit des Parlaments außer Kraft gesetzt werden können. Weiterhin sind Änderungen des Richterwahlverfahrens – unter weitgehendem Ausschluss der israelischen Anwaltschaft – vorgesehen, die ein Einfallstor für politische Einflussnahme bei der Besetzung von Richterstellen bedeuten würden. Das israelische Justizsystem, welches unter den demokratisch geordneten Ländern hohes Ansehen genießt, würde starken Schaden nehmen. Es erscheint sogar fraglich, ob es in seiner geplanten Fassung überhaupt noch die Voraussetzungen eines rechtsstaatlichen Justizsystems erfüllen würde.

Die derzeitigen Reformen und Strömungen zielen nicht nur auf die Beschränkung der starken Stellung des Supreme Court of Israel, sondern auch auf die Schwächung der verfassten Anwaltschaft und damit der Israel Bar Association. Anders als in Deutschland müssen in Israel jede Richterin und jeder Richter auch als Anwältin bzw. Anwalt tätig gewesen sein. Die israelische Anwaltschaft versteht sich als wesentliches und wichtiges Element des derzeitigen Systems und ist anerkannte Kontrollinstanz. Diese starke Stellung wird von der derzeitigen Regierung angegriffen.

Die BRAK teilt die Position der Präsidentin des Supreme Court von Israel, der ehrenwerten Richterin Esther Hayut, und der protestierenden israelischen Anwaltschaft, die sich unter dem Namen „Protest der schwarzen Roben“ formiert hat.

„Wir lehnen die Änderungen des Rechtssystems in Israel, wie sie von Justizminister Yariv Levin vorgeschlagen werden, entschieden ab. Ich beobachte die Entwicklungen mit Sorge. Am Montag hat die „Reform“ eine erste Hürde genommen. Der Justizausschuss der Knesset hat einen Teil der umstrittenen Reform abgesegnet. Somit liegen lediglich noch drei Lesungen im Parlament zwischen uns und einem rechtsstaatlichen Desaster. Die Vereinigten Staaten von Amerika und Frankreich haben sich bereits kritisch zu den Bestrebungen geäußert. Dem sollte Deutschland folgen, weshalb ich unseren Bundesjustizminister gebeten habe, sich bei Regierungsvertretern für die Gewaltenteilung, die Demokratie und den Erhalt des Rechtsstaates in Israel einzusetzen. Es bleibt zu hoffen, dass die israelische Regierung die Ohren vor internationaler Kritik nicht verschließt. Die Folgen für Israel wären meines Erachtens fatal“, so BRAK-Präsident Dr. Ulrich Wessels.
 

Hintergrundinformationen
Als Vertretung der deutschen Anwaltschaft setzt sich die Bundesrechtsanwaltskammer – auch international – für den Aufbau und den Erhalt von rechtsstaatlichen Strukturen in ihren Partnerländern ein. Mit Israel, der Israel Bar Association und damit der israelischen Anwaltschaft, verbindet die BRAK eine langjährige und besondere Partnerschaft, die durch einen regelmäßigen und intensiven Austausch geprägt ist. Gemeinsam mit der Deutsch-Israelischen Juristenvereinigung e.V. hat die Bundesrechtsanwaltskammer die Justizreformen in Israel zum Anlass genommen, das Gespräch mit Prof. Dr. Yoram Danziger, Rechtsanwalt und ehemaligem Richter am Supreme Court of Israel, im Rahmen einer Online-Veranstaltung zu suchen. Prof. Dr. Danziger hat die Berichterstattung der letzten Wochen bestätigt und die Bedrohlichkeit der Lage in ihrem gesamten Umfang aufgezeigt.

Quelle. BRAK, Pressemitteilung vom 16. Februar 2023

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