Zu Beginn der ersten Plenarsitzung im Jahr 2023 widmete sich der Bundesrat mit einer Gedenkminute den Opfern des verheerenden Erdbebens im Südosten der Türkei und im Norden Syriens.
Dann gab der Bundesrat grünes Licht für zwei Gesetzesbeschlüsse des Bundestages, darunter das Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie. Sie können daher wie geplant in Kraft treten.
Keine Zustimmung erhielt das so genannte Whistleblowerschutzgesetz. Hierzu können Bundestag oder Bundesregierung nun den Vermittlungsausschuss anrufen.
Der Bundesrat äußerte sich zu einigen Regierungsentwürfen – unter anderem zu Plänen für ein Demokratiefördergesetz, die Überarbeitung des Sanktionenrechts im Strafgesetzbuch sowie die Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts. Stellung nahm er zudem zu mehreren EU-Vorlagen.
Auch Initiativen aus den Ländern standen auf der Agenda. So fasste der Bundesrat Entschließungen zum Schutz vor Energiesperren und zur Anhebung der Schwellenwerte im Vergaberecht. Neu vorgestellt wurden Initiativen gegen Lebensmittelverschwendung und zur Qualifizierung im Gesundheitswesen.
Zugestimmt hat die Länderkammer zudem mehreren Verordnungen der Bundesregierung – darunter der Kurzfristenergieversorgungssicherungsmaßnahmenverordnung, die die geltenden Energiesparvorgaben bis zum 15. April 2023 verlängert.
Bundesrat will öffentliche Ausschreibungen vereinfachen
Der Bundesrat plädiert dafür, die Schwellenwerte europaweiter Ausschreibungen für öffentliche Aufträge zu erhöhen. Die Bundesregierung soll sich auf EU-Ebene für höhere, an die Inflation angepasste Grenzwerte einsetzen – dies fordern die Länder in einer am 10. Februar 2023 auf Initiative von Bayern und Nordrhein-Westfalen gefassten Entschließung. Sie wird nun der Bundesregierung zugeleitet.
Die seit 28 Jahren fast unverändert geltenden Schwellenwerte seien dringend reformbedürftig, begründet der Bundesrat seinen Appell. Die deutliche Verteuerung insbesondere von Bauleistungen sowie die aktuell hohe Inflation sorgten dafür, dass staatliche Auftraggeber für immer kleinere Bau- und Beschaffungsvorhaben in komplexen und aufwändigen Verfahren europaweit nach Anbietern suchen müssten. Der Bundesrat fordert daher eine marktpreisgerechte Anhebung der Schwellenwerte.
Ziel ist es, den Verwaltungsaufwand und die Kosten auf Auftraggeber- und auf Auftragnehmerseite zu reduzieren – und damit den Mittelstand zu entlasten. Vor allem mit Blick auf die föderale Struktur der Bundesrepublik Deutschland mit ihren vielen kleinen Kommunen als öffentliche Auftraggeber mit begrenzten personellen und finanziellen Ressourcen würde dies zu erheblichen Erleichterungen führen, heißt es in der Entschließung.
Bauleistungen müssen nach geltendem europäischen Recht ab einem Auftragswert von 5,382 Millionen Euro europaweit ausgeschrieben werden, andere Liefer- und Dienstleistungsaufträge ab einem Volumen von 215.000 Euro. Eine Regelung zum Inflationsausgleich ist derzeit nicht vorgesehen. Diese Lücke möchte der Bundesrat schließen lassen.
Zudem möge sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene für einen gesonderten, höheren Schwellenwert für Planungsleistungen einsetzen. Dienstleistungen von Architektur- und Ingenieurbüros zählten in Deutschland zu den zweithäufigsten Beschaffungsgegenständen, begründet der Bundesrat seine Forderung.
Die Entschließung wurde der Bundesregierung zugeleitet. Diese entscheidet, wann sie sich mit dem Appell des Bundesrates befasst. Feste Fristvorgaben hierzu gibt es nicht.
Demokratiefördergesetz – Bundesrat fordert Änderungen
Der Bundesrat hat sich in der Plenarsitzung vom 10. Februar 2023 zum Regierungsentwurf für ein Demokratiefördergesetz geäußert. Er fordert in seiner Stellungnahme, die Länder bei den vorgesehenen Maßnahmen und auch bei der Entwicklung der darin vorgesehenen Förderrichtlinien zu beteiligen.
Der Entwurf sieht einen ausdrücklichen gesetzlichen Auftrag vor, bundeseigene Maßnahmen zur Stärkung der Demokratie, zur politischen Bildung, zur Prävention jeglicher Form von Extremismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit sowie zur Gestaltung von gesellschaftlicher Vielfalt und Teilhabe durchzuführen. Hierzu gehören insbesondere das Bereitstellen von Informationsangeboten und anderer Wissensformate, die Durchführung von Veranstaltungen sowie die Kooperation mit zivilgesellschaftlichen Organisationen.
Auch entsprechende Maßnahmen Dritter können finanziell gefördert werden, sofern sie von überregionaler Bedeutung sind und in erheblichem Bundesinteresse liegen.
So will die Bundesregierung zivilgesellschaftliches Engagement und politische Bildung in ihrer Qualität erhalten und stärken.
Das geplante Gesetz soll ermöglichen, dass Maßnahmen im Bereich der Demokratieförderung, Vielfaltgestaltung, Extremismusprävention und politischer Bildung längerfristig, altersunabhängig und bedarfsorientierter gefördert werden können als bisher. Es soll die Finanzierung der Maßnahmen nach Maßgabe des jeweiligen Haushaltsgesetzes absichern.
Die nach dem Demokratiefördergesetz geförderten Programme und vergleichbare Maßnahmen sollen zudem wissenschaftlich begleitet werden, um sie auf ihre Wirksamkeit und Nachhaltigkeit zu prüfen. Überdies will die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag einmal pro Wahlperiode einen Bericht über die Durchführung und Wirksamkeit der Maßnahmen vorlegen. Auch hierzu positioniert sich der Bundesrat in der Stellungnahme und fordert einen Passus, dem zufolge die Länder in geeigneter Form über die jeweiligen landesspezifischen Ergebnisse unterrichtet werden.
Die Stellungnahme des Bundesrates geht an die Bundesregierung, die dazu eine Gegenäußerung verfasst und dann an den Bundestag weiterleitet. Verabschiedet dieser das Gesetz, beraten die Länder in einer der nächsten Plenarsitzungen noch einmal abschließend darüber.
Energiesparvorgaben gelten bis 15. April
Die Vorgaben zum Energiesparen für Privathaushalte, Unternehmen und die öffentliche Hand gelten bis 15. April 2023 fort: Der Bundesrat hat am 10. Februar 2023 einstimmig zugestimmt, die Geltungsdauer der entsprechenden Regierungsverordnung über den 28. Februar 2023 hinaus zu verlängern. Die Einsparvorgaben betreffen das Beheizen von Wohnungen und Schwimmbädern, die Höchsttemperaturen für Luft und Warmwasser in öffentlichen Arbeitsstätten sowie die Beleuchtung von Gebäuden, Denkmälern und Werbeanlagen.
Die Verordnung war am 1. September 2022 in Kraft getreten und sollte eigentlich nur bis zum 28. Februar 2023 gelten. Hintergrund war das Ausrufen der Frühwarn- bzw. Alarmstufe im Notfallplan Erdgas durch die Bundesregierung im März bzw. Sommer 2022, um eine Gasmangellage infolge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine zu verhindern.
Aufgrund der weiter anhaltenden Notwendigkeit, Gas und Energie einzusparen, hat die Bundesregierung beschlossen, die Geltungsdauer bis zum 15. April 2023 zu verlängern und damit weiter einer Gasmangellage vorzubeugen. Diese Verlängerung bedurfte – anders als die ursprüngliche Verordnung – nun der Zustimmung des Bundesrates.
In einer begleitenden Entschließung warnt der Bundesrat vor dem Risiko einer Gasmangellage, wenn nach dem Ende der Einsparvorgaben Mitte April nicht mehr genug Erdgas eingespart wird, um die Speicherfüllstände ausreichend hoch zu halten.
Er bittet daher die Bundesregierung, die Gasversorgungslage und die Lage an den Energiemärkten detailliert zu prüfen und die Verordnung gegebenenfalls wieder in Kraft zu setzen.
Die Entschließung wurde der Bundesregierung zugeleitet. Sie entscheidet, wann sie sich mit dem Appell der Länder befasst. Feste Fristvorgaben hierfür gibt es nicht.
Bundesrat fordert gezielte Hilfen in der Energiepreiskrise
Der Bundesrat setzt sich dafür ein, einkommensschwache und von den Stromkostensteigerungen besonders betroffene Haushalte vor Energiesperren zu schützen. In einer am 10. Februar 2023 gefassten Entschließung bittet er die Bundesregierung um Prüfung, ob neben den bereits beschlossenen Entlastungspaketen weitergehende Maßnahmen notwendig sind. Geprüft werden solle dabei auch die Option, dass Jobcenter einmalig hohe Stromkostenabrechnungen übernehmen könnten – wie dies für Heizkosten bereits vorgesehen ist.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung zudem, den geplanten Direktzahlungsmechanismus für das so genannte Energiegeld des Bundes schnellstmöglich in einer digitalisierten, bürokratiearmen Form einzurichten, um bei Bedarf Hilfe gezielt und zeitnah leisten zu können.
Die Entschließung wurde der Bundesregierung zugeleitet. Sie entscheidet, wann sie sich mit dem Appell des Bundesrates befasst. Feste Fristvorgaben hierzu gibt es nicht.
Bundesrat äußert sich zu Überarbeitung des Sanktionenrechts
Der Bundesrat hat am 10. Februar 2023 zum Regierungsentwurf für eine Reform des Sanktionenrechts Stellung genommen. Unter anderem fordert die Länderkammer, dass die Durchführung von therapeutischen Maßnahmen bei zurückgestellter Vollstreckung der Freiheitsstrafe oder des Restes einer Freiheitsstrafe gemäß § 35 Betäubungsmittelgesetz wieder ermöglicht und die Zuständigkeit zur Kostentragung klargestellt wird.
Die Bundesregierung will – wie im Koalitionsvertrag vereinbart – das Sanktionenrecht im Strafgesetzbuch an aktuelle Entwicklungen anpassen. Damit will sie Resozialisierung und Prävention sowie den Schutz vor Diskriminierungen stärken.
Ziel ist unter anderem, die zu vollstreckenden Ersatzfreiheitsstrafen – also Freiheitsstrafen, die zu verbüßen sind, wenn Geldstrafen nicht bezahlt werden – zu reduzieren. Die Bundesregierung schlägt hierzu vor, den Umrechnungsmaßstab von Geldstrafe in Ersatzfreiheitsstrafe so zu ändern, dass statt einem zukünftig zwei Tagessätze einem Tag Ersatzfreiheitsstrafe entsprechen. Auf diese Weise soll sich die Anzahl der Tage der an die Stelle der Geldstrafe tretenden Freiheitsstrafe halbieren.
Weiter sollen „geschlechtsspezifische“ sowie „gegen die sexuelle Orientierung gerichtete“ Tatmotive als weitere Beispiele für menschenverachtende Beweggründe und Ziele ausdrücklich in die Liste der bei der Strafzumessung besonders zu berücksichtigenden Umstände aufgenommen werden. Dies soll die Notwendigkeit einer angemessenen Strafzumessung für alle Taten betonen, die sich gegen LSBTI-Personen richten.
Die Bundesregierung will die Möglichkeiten, im Rahmen von Bewährungsaussetzungen und vorläufigen Einstellungsentscheidungen durch ambulante Maßnahmen spezialpräventiv auf Straftäter einzuwirken, bekräftigen und ausbauen. Hierzu normiert der Entwurf ausdrücklich die Möglichkeit einer Therapieweisung im Rahmen der Strafaussetzung zur Bewährung, der Verwarnung mit Strafvorbehalt und des Absehens von der Verfolgung unter Auflagen und Weisungen.
Zudem sieht der Gesetzentwurf auch Änderungen im Maßregelrecht vor. Er fasst die Voraussetzungen für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt enger. Diese Änderung verfolgt vor allem das Ziel, die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wieder stärker auf die verurteilten Personen zu konzentrieren, die aufgrund ihres übermäßigen Rauschmittelkonsums und der daraus resultierenden Gefahr, erhebliche rechtswidrige Taten zu begehen, tatsächlich der Behandlung in einer solchen Einrichtung bedürfen.
Die Stellungnahme des Bundesrates wird an die Bundesregierung übermittelt, die dazu eine Gegenäußerung verfasst und dann an den Bundestag weiterleitet. Verabschiedet dieser das Gesetz, beraten die Länder in einer der nächsten Plenarsitzungen noch einmal abschließend darüber.
Quelle: BundesratKompakt, Pressemitteilung vom 10. Februar 2023