Zum Ende der Jahrestagung des Nationalen Volkskongresses in China am Montag erklärt Jürgen Trittin, Sprecher für Außenpolitik:
Inmitten von Chinas Herausforderungen durch gestörte Lieferketten, den russischen Angriffskrieg in der Ukraine und der massiven Klimakrise gießt der Nationale Volkskongress Xis Machtfülle in Beton. Die Delegierten vollziehen nach, was der 20. Kongress der KP China im Oktober beschlossen hat. Alles hört auf Xis Kommando – das gilt für seine auf dem Volkskongress nun bestätigte dritte Amtszeit mehr denn je zuvor. Zu den erfolgreichen Xi-Loyalisten gehört auch der frisch ernannte Ministerpräsident Li Qiang. Er hatte als Parteichef von Shanghai die drakonischen Lockdowns wie das Versorgungschaos dort zu verantworten. Loyalität zählt mehr als Erfolg.
Ob das Ende der Herrschaft auf Zeit für seine kollektive Führung China stärkt oder schwächt, ist eine offene Frage. Die Fähigkeit zur Korrektur von Fehlern jedenfalls scheint abzunehmen, wie das abrupte Ende der Coronamaßnahmen zeigte. Europa und Deutschland müssen sich auf eine unbeweglichere Führung in China einstellen.
Dabei gibt es dringenden Handlungsbedarf. Die chinesische Wirtschaft wächst so langsam wie seit Jahrzehnten nicht mehr, die Jugendarbeitslosigkeit liegt auf Rekordniveau. Angesichts eines Wirtschaftswachstums von nur drei Prozent im vergangenen Jahr, klingt das auf dem Nationalen Volkskongress erklärte Fünf-Prozent-Ziel für 2023 ambitioniert. Dies setzt aber voraus, dass China seinen Worten Taten folgen lässt und ernsthafte Schritte unternimmt, um Russland zu einen Ende des Kriegs in der Ukraine zu drängen. Solange dieser Krieg die Weltwirtschaft belastet, bleiben die globalen Lieferketten gestört.
Umso wichtiger sind für China ausländische Direktinvestitionen. Dass die chinesische Regierung nun erklärtermaßen die Bedingungen für FDI verbessern möchte, ist ein nachvollziehbarer Schritt und der Hintergrund für Chinas globale, diplomatische Charmeoffensive. Für Investitionen wird es zudem wichtig sein, ob China seine Immobilien- und Bankenkrise in den Griff bekommt. Ob die Schaffung neuer Aufsichtsgremien hier ausreicht, wird sich zeigen.
Auch im Indopazifik gilt es, Sicherheit und Stabilität nachhaltig zu stärken. Das ist auch im Interesse Chinas. Deshalb muss auch für Chinas Umgang mit Taiwan gelten: Eine Veränderung des Status Quo zwischen Taiwan und China darf nur friedlich und in beiderseitigem Einvernehmen erfolgen. Eine gewaltsame Krise um Taiwan würde für die Weltwirtschaft und für China weit gravierendere Folgen haben als Russlands Krieg in der Ukraine.
Mit Ende des Nationalen Volkskongresses ist Xis neue Regierung startklar. Welchen Kurs die Regierung Xi nimmt, bestimmt zukünftig, wie unser Verhältnis zu China als Wettbewerber, systemischer Rivale und Partner in Deutschland und der EU austariert wird. Es wird Zeit für eine realistische Chinapolitik jenseits der alten Naivität von „Handel schafft Wandel“.