Zum Urteil des Obersten Gerichtshofs von Brasilien zum Marco Temporal für indigene Gebiete erklären Kathrin Henneberger, Obfrau im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, und Deborah Düring, Sprecherin für Entwicklungspolitik:
Wir begrüßen das richtungsweisende Urteil des Obersten Gerichtshofs von Brasilien, das den Marco Temporal als verfassungswidrig eingestuft hat. Dies erhöht hoffentlich den Druck auf die konservativen Kräfte im Senat, das Gesetzesvorhaben endgültig abzulegen. Wir werden die weiteren Verhandlungen beobachten und stehen solidarisch an der Seite der breiten zivilgesellschaftlichen Bewegung, die gegen den Marco Temporal und für Menschenrechte und Klimagerechtigkeit protestiert.
Indigene Völker in Brasilien und anderen Teilen der Welt kämpfen seit Jahrhunderten gegen den Kolonialismus und seine nach wie vor bestehenden Strukturen. Dazu gehört die anhaltende Verdrängung von Völkern durch Agrarindustrie, Bergbau und Brandrodung. Der Marco Temporal hätte die Demarkierung neuer Gebiete erschwert, die Lebensgrundlagen vieler Gemeinschaften bedroht und den Regenwald weiter zerstört. Er wäre ein massiver Rückschritt für die Rechte der indigenen Bevölkerung Brasiliens gewesen.
Für den Schutz des globalen Klimas und der Biodiversität wäre der Marco Temporal ebenso katastrophal gewesen, etwa weil er zur fortschreitenden Zerstörung der Waldökosysteme für den Export von Soja und Rindfleisch – auch nach Deutschland – beigetragen hätte. Der Amazonas ist einer der Klimakipppunkte der Erde. Die Ausweisung neuer indigener Territorien ist der beste Garant für seinen Schutz.
Der Marco Temporal besagte, dass nur solche Gebiete als neue indigene Territorien ausgewiesen werden können, die bereits im Stichjahr 1988 von Indigenen bewohnt wurden. Aufgrund von Vertreibungen lebten aber viele indigene Gemeinschaften zu diesem Zeitpunkt nicht auf ihren historischen Gebieten.