Ministerpräsident Stephan Weil am 7. September 2023:
„Die Reise nach Brüssel hat sich gelohnt – das kann ich wohl für alle Vertreterinnen und Vertreter der 16 Länder sagen. Alle 16 Länder sind auch bei schwierigen Fragen bemerkenswert geschlossen und einmütig aufgetreten. Und es ist uns – so mein Eindruck – gemeinsam gelungen, bei wichtigen Mitgliedern der EU-Kommission, das Bewusstsein für einige der drängendsten aktuellen Probleme zu schärfen.
Das gilt zum einen für die Brüsseler Erklärung, die wir heute ohne jede Einschränkung miteinander verabschiedet haben. Das gilt aber auch für die gemeinsam geführten Diskussionen, die wir vor allem dazu genutzt haben, den Mitgliedern der Europäischen Kommission praktische Erfahrungen aus den einzelnen Bundesländern zu vermitteln.
In fast allen Gesprächen haben wir die hohen Energiepreise thematisiert, die insbesondere unsere energieintensiven Unternehmen belasten. Klargestellt haben wir, dass es uns bei der Forderung nach einem Brückenstrompreis keinesfalls um eine dauerhafte Subventionierung dieser Industrien geht. Aber wer sich auf den kostspieligen Weg hin zu einer CO2-neutralen Produktion etwa von Stahl, Chemie, Kupfer, Aluminium, Glas, Keramik, Zement oder Batteriezellen macht, braucht Energiepreise, die international wettbewerbsfähig sind. Und wir waren uns einig, dass Europa es nicht riskieren darf, diesen industriellen Kernbereich zu verlieren. Diese Sorgen konnten die Kommissionsmitglieder nachvollziehen und es gab erkennbar die Bereitschaft, sich mit dieser Frage intensiver zu befassen. Wir haben darauf hingewiesen, dass uns nicht viel Zeit bleibt. Bei vielen Unternehmen stehen jetzt im Herbst Investitionsrunden an mit Weichenstellungen für die nächsten Jahre. Wir brauchen deshalb zeitnah bessere Rahmenbedingungen, damit Deutschland und Europa im Wettbewerb mit den USA und Asien bestehen können. Ein Verlust zentraler Wertschöpfungsketten wäre deutlicher teurer, als ein zeitlich begrenzter Brückenstrompreis.
Zum Thema Migration haben die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten auf die aktuell sehr hohen Zuzugszahlen bei gleichzeitig extrem angespannten Wohnungsmärkten hingewiesen. Wir werden in Deutschland in diesem Jahr auf Zugangszahlen hinauslaufen, die die zweithöchsten nach 2015 sind und das bei einer noch einmal deutlich angespannteren Wohnungslage. Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der 16 Bundesländer, unterstützen deshalb den sich abzeichnenden europäischen Asylkompromiss, dessen Elemente uns Kommissar Margaritis Schinas noch einmal anschaulich geschildert hat: Erstens eine Unterstützung der Länder, aus der die meisten Asylbewerberinnen und Bewerber kommen, damit die Menschen dort bleiben können. Zweitens eine effektive Grenzsicherung sowie grenznahe Aufnahmezentren, in denen geklärt werden soll, wer ein Schutzrecht genießt. Das dritte Element soll eine gerechte Verteilung über alle EU-Mitgliedsländer sein. Alle drei Elemente werden von der Kommission als gleich wichtig angesehen, kein Mitgliedsland soll sich aus der gemeinsamen Verantwortung stehlen dürfen. Eine Realisierung wird noch vor der nächsten Europawahl angestrebt – das ist ambitioniert, aber ausdrücklich richtig! Hinzukommen soll ein ausgereifteres System legaler Zuwanderung nach Europa. Diese Pläne von Kommissar Schinas stoßen bei allen Ländern auf Zustimmung.
Auch die Probleme mit dem Wolf in einigen Bundesländern haben wir thematisiert. In manchen Regionen ist die Wolfspopulation sehr groß. Wir sind der Kommission ausgesprochen dankbar für ihren Vorstoß, kurzfristig aktuelle Zahlen zu erheben und dann sehr schnell über politische Konsequenzen nachzudenken. Gerne gehört haben wir auch die Aufforderung an die Mitgliedstaaten, von den bereits bestehenden Möglichkeiten zur Bestandsregulierung stärker Gebrauch zu machen. Insofern ist es gut, dass Bundesumweltministerin Lemke dazu demnächst einen Vorschlag präsentieren will.
Große Einigkeit bestand darin, dass in Deutschland und der EU bürokratische Hürden abgebaut und Verfahren beschleunigt werden müssen. Wir sind gerade auch in Deutschland zu kompliziert, zu langsam und deshalb auch zu teuer. Wir müssen einfacher, schneller und damit auch preiswerter werden.
Die MPK in Brüssel gestern und heute war eines der intensivsten, spannendsten und vielleicht auch wichtigsten Treffen der vergangenen Jahre. Wir fahren mit vielen neuen Informationen und Eindrücken zurück nach Deutschland, haben aber hoffentlich auch bei unseren Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern aus der EU-Kommission in einigen Bereichen zu einem größeren Verständnis für die konkreten Probleme und Herausforderungen in Deutschland beigetragen.“
(c) Nds. Staatskanzlei, 07.09.2023