RVG-Anpassung, beA-Kartentausch und Digitalisierung der Justiz zentrale Themen der Hauptversammlung
Eine Fülle von Themen hatten die Präsidentinnen und Präsidenten der Rechtsanwaltskammern am 09.09.2022 anlässlich ihrer halbjährlichen Hauptversammlung (HV), zu der BRAK-Vizepräsidentin Ulrike Paul in ihrer Funktion als Präsidentin der Rechtsanwaltskammer Stuttgart geladen hatte, zu diskutieren.
Auf der Tagesordnung der 163. HV stand unter anderem das aktuelle Thema beA-Kartentausch durch die Zertifizierungsstelle der Bundesnotarkammer (BNotK), bei dessen Abwicklung sich in den letzten Wochen sowohl beim Versand der Karten und PINs als auch hinsichtlich der Erreichbarkeit des Supports der BNotK Schwierigkeiten ergeben hatten. Vizepräsident Rechtsanwalt Dr. Christian Lemke berichtete über aktuelle Maßnahmen von BRAK und BNotK, um den Austauschprozess zu verbessern. So seien unter anderem Supportkapazitäten bei der BNotK erhöht worden. Auch die BRAK habe mit ihrem Dienstleister Wesroc zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um die BNotK bei deren umfangreichen Austauschprozess bestmöglich zu begleiten. Zudem wird der beA-Anwendersupport der BRAK ebenfalls unterstützen. So seien die Informationen nochmals erheblich erweitert und um gut verständliche Schritt-für-Schritt-Anleitungen ergänzt worden. Dort fänden sich auch Anleitungen für „Erste-Hilfe-Schritte“ für diejenigen, die – sofern betroffen – ihre neue Karte nicht rechtzeitig hinterlegt haben. „Wir lassen niemanden im Regen stehen, der seine neue Karte nicht rechtzeitig aktivieren konnte“, so Lemke. Dass diese Maßnahmen bereits erste Früchte getragen haben, bestätigte auch das Feedback der Teilnehmenden.
Die Digitalisierung der Justiz, die weniger schnell als erhofft voranschreitet, war ebenfalls Gegenstand der Tagesordnung. Wie sich die Überlegungen des BMJ zu gerichtlichen Onlineverfahren weiterentwickeln werden und wann die Veröffentlichung des zu erwartenden Referentenentwurfs zu §128a ZPO erfolgt, wird die BRAK aufmerksam beobachten und sich mit höchster Priorität aktiv für die Interessen der Anwaltschaft einbringen, so das zuständige Präsidiumsmitglied Rechtsanwalt Michael Then.
Auch über die im Herbst 2021 seitens der JuMiKo beschlossene Überprüfung der Zuständigkeitsstreitwerte wurde rege – und kontrovers – diskutiert. So wurde insbesondere die Frage aufgeworfen, ob die mit einer Erhöhung der Zuständigkeitsstreitwerte einhergehende Entlastung der Landgerichte nicht zu einer ungewollten Überlastung der Amtsgerichte führen könnte. Auch könnte die auf den ersten Blick lediglich zahlenmäßige Anpassung zu einer tiefgreifenden systemischen Veränderung führen, die sich auf den Anwaltszwang auswirken würde. Insofern muss eine Anpassung nach Auffassung der HV sorgfältig mit klaren Zahlen durchdacht, mögliche Konsequenzen antizipiert und Vor- und Nachteile gegeneinander abgewogen werden.
Ganz und gar nicht kontrovers diskutiert wurde dagegen die Ankündigung des BRAK-Präsidenten Rechtsanwalt und Notar Dr. Ulrich Wessels, die BRAK werde sich nachdrücklich für eine substantielle lineare Anpassung der Anwaltsgebühren einsetzen. Dies sei angesichts der extrem steigenden Energiepreise einerseits und wegen der im Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes fehlenden Möglichkeit einer individuellen Preisanpassung andererseits dringend erforderlich. Das Ansinnen der BRAK, den stetig wachsenden Kosten in den Kanzleien sowie der rasant steigenden Inflation etwas entgegenzusetzen, fand geschlossene Zustimmung. „Bereits bei der letzten – mehr als überfälligen – Anpassung der Anwaltsgebühren haben wir deutlich gemacht, dass diese zwar ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung war. Allerdings eben nur ein kleiner“, begründet Wessels den erneuten Vorstoß der BRAK. „Daraus haben wir nie einen Hehl gemacht, sondern bereits 2021 angekündigt, uns weiter für regelmäßige Anpassungen stark zu machen. Und das ist jetzt mehr denn je notwendig“, so Wessels weiter.
Quelle: Bundesrechtsanwaltskammer, Pressemitteilung vom 9. September 2022