Den 12. internationalen Johann-Philipp-Palm-Preis für Meinungs- und Pressefreiheit erhalten in diesem Jahr Maryna Zolatava, eine inhaftierte Journalistin und ehemalige Chefredakteurin der mittlerweile verbotenen unabhängigen Nachrichtenseite tut.by aus Belarus, und Zan Times, eine von Frauen geführte investigative Nachrichtenredaktion, die in und aus Afghanistan berichtet. Beide Preisträgerinnen zeichnet aus, dass sie sich unter lebensgefährlichen Bedingungen für die Meinungs- und Pressefreiheit einsetzen. Beide Preisträgerinnen wurden von Reporter ohne Grenzen (RSF) vorgeschlagen.

„Unsere Rangliste der Pressefreiheit hat erst jüngst wieder gezeigt, wie sehr unabhängiger Journalismus weltweit unter Druck steht“, sagte RSF-Geschäftsführerin Anja Osterhaus. „Ganz besonders Frauen sind von den vielfältigen Repressionen betroffen. Umso mehr freut es uns, dass mit Maryna Zolatava und Zan Times eine Journalistin und eine Redaktion ausgezeichnet werden, die mit ihrem Mut und ihrer Unabhängigkeit Vorbilder für Medienschaffende weltweit sein können.“

Dieser Mut, ergänzt Prof. Dr. Thomas Schnabel, Vorsitzender des Kuratoriums zur Auswahl des Palm-Preises, vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse im Wahlkampf unter anderem in Essen, Dresden und Berlin sei „ein Bekenntnis zur Demokratie, das uns inzwischen auch in Deutschland als Vorbild dienen sollte“.

Maryna Zolatava war über 20 Jahre lang die Chefredakteurin von tut.by, das lange Zeit die größte unabhängige und wichtigste Nachrichtenseite in Belarus war. Nach der Scheinwahl Lukaschenkos im August 2020 wurde tut.by in der darauffolgenden verheerenden Repressionswelle wegen „Aufwiegelung zum Hass“ gesperrt. Zugleich wurden die Redaktionsmitglieder mit Klagen überzogen und schikaniert. Besonders hart gingen die Behörden gegen Maryna Zolatava vor. Im März 2023 verurteilte sie ein Gericht zu zwölf Jahren Straflager. Laut RSF steht Belarus derzeit auf Platz 3 derjenigen Länder, in denen weltweit die meisten Medienschaffenden inhaftiert sind. „Im Angesicht von enormen Hindernissen und repressiven Maßnahmen hat Maryna Zolatava sich als Persönlichkeit von außerordentlichem Mut und Integrität bewiesen“, sind sich RSF und das Kuratorium der Palm-Stiftung einig.

Zan Times ist eine von Frauen geführte investigative Nachrichtenseite, die in und aus Afghanistan über Menschenrechtsverletzungen in dem Land berichtet. Sie vertritt seit ihrer Gründung im August 2022 die Stimmen der am stärksten marginalisierten Gruppen in Afghanistan. Zan Times stellt sich gegen die von den Taliban seit ihrer Rückkehr betriebene systematische Auslöschung der Teilhabe und Sichtbarkeit von Frauen und LGBTQI+-Personen aus der Gesellschaft, indem sie schwerpunktmäßig über deren Lebenswirklichkeiten berichtet. „Angesichts der Gewaltherrschaft der Taliban, die sich gezielt gegen Frauen und LGBTQI+-Personen richtet, beweist das Team der Zan Times ungeheuren Mut, wenn es kaum vorstellbare Diskriminierungen mit seiner journalistischen Arbeit vor Ort ans Licht der Weltöffentlichkeit bringt und dokumentiert“, so das Kuratorium der Palm-Stiftung.

Auf der am 3. Mai 2024 veröffentlichten Rangliste der Pressefreiheit ist Afghanistan zuletzt um 26 Plätze gefallen und belegt nun den drittletzten Rang (178 von 180). Unter den Taliban wurden im vergangenen Jahr drei Journalisten getötet, mindestens 25 Medienschaffende saßen zwischenzeitlich im Gefängnis. Die Taliban behindern mit Kleidervorschriften und weiteren Einschränkungen insbesondere die Arbeit von Journalistinnen.

Die ungebrochene Bereitschaft, für die Verwirklichung des Grund- und Menschenrechts auf freie Meinungsäußerung in ihren jeweiligen Herkunftsländern einzustehen, vereint die diesjährigen Preisträgerinnen.

Mitglieder des Kuratoriums sind: Seyran Ateş (Anwältin und Publizistin, Trägerin des Palm-Preises 2008), Anne Chebu (Moderatorin und Autorin), Bernd Hornikel (OB Schorndorf), Margit Ketterle (Vorsitzende Stiftung Freedom of Expression), Viktoria Kleber (ARD, Expertin für Medien-Entwicklungszusammenarbeit), Carl-Wilhelm Macke (Journalisten helfen Journalisten), Prof. Dr. Ulrich Palm (Stiftungsrat Palm-Stiftung), Heinrich Riethmüller (Vorstand Osiander Stiftung), Prof. Dr. Thomas Schnabel (ehem. Leiter Haus der Geschichte Baden-Württemberg), Jana Simon (Die ZEIT), Hubert Spiegel (FAZ), Christa Vossschulte (ehem. stellv. Präsident des Landtags von Baden-Württemberg)

Preisgeld und Partner: Die Palm-Stiftung stellt für den Preis alle zwei Jahre 20.000 Euro zur Verfügung. Partner der Palm-Stiftung sind Reporter ohne Grenzen (RSF) und die Stadt Schorndorf sowie Amnesty International, der Bayrische Journalistenverband, das European Center for Press and Media Freedom (ECPMF), die Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte, Journalisten helfen Journalisten, PEN Berlin und PEN-Zentrum Deutschland.Preisverleihung: Der Festakt findet am 1. Dezember 2024 um 11 Uhr in der Barbara-Künkelin-Halle in Schorndorf statt.

(c) RSF, 10.05.2024

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