Die Zahl der „Beschleunigten Verfahren“ an niedersächsischen Amtsgerichten ist in der Corona-Zeit überraschend hoch geblieben – trotz geschlossener Geschäfte, trotz Kontaktbeschränkungen, trotz Infektionsschutzmaßnahmen. Dies ergibt eine Auswertung des Niedersächsischen Justizministeriums.

Im Jahr 2021 wurden insgesamt 1.310 dieser Verfahren durchgeführt, im Jahr 2020 waren es insgesamt 1.429 Verfahren. Im Jahr 2019, dem bislang stärksten Jahr, seitdem diese Verfahrensform in Niedersachsen gezielt gefördert wird, waren es 1.675 Verfahren. Im ersten Halbjahr 2022 wurden 509 Verfahren durchgeführt, das entspricht ungefähr den Halbjahreswerten von 2021 (445) und 2020 (497).
Im Jahr 2017 – dem letzten Jahr vor der Förderung – waren es insgesamt nur 748 Verfahren.

Mit „Beschleunigten Verfahren“ kann die Justiz insbesondere reisenden Tätern aus dem Bereich der leichteren Kriminalität effektiv begegnen. Einfache Ladendiebstähle oder kleinere Drogengeschäfte können zügig abgeurteilt werden. Dies verhindert, dass Täter untertauchen, weil die Voraussetzungen für eine Untersuchungshaft nicht vorliegen, und anschließend nicht mehr auffindbar sind und erst viel später oder gar nicht mehr sanktioniert werden können.

Justizministerin Havliza: „Das beschleunigte Verfahren zeigt, dass die Justiz konsequent und zügig reagiert. Nicht selten fällt schon weniger als 24 Stunden nach einer Tat ein Urteil. Das spricht sich auch in den Täterkreisen herum und schreckt ab.“

Die meisten Verfahren gab es in den zurückliegenden Jahren in Hannover, Osnabrück und Oldenburg:

201920202021
Staatsanwaltschaft Hannover883636515
Staatsanwaltschaft Osnabrück511491555
Staatsanwaltschaft Oldenburg187116134

„Beschleunigte Verfahren“ beruhen auf Vorschriften aus der Strafprozessordnung, die es so bereits seit den 1990er-Jahren gibt. Gleichwohl fristen diese Vorschriften in manchen Bundesländern ein Schattendasein. Das liegt daran, dass für die Abwicklung dieser Verfahren auch die personell-organisatorischen Voraussetzungen vorliegen müssen. Diese Voraussetzungen wurden in den vergangenen Jahren in Niedersachsen durch das Justizministerium stark gefördert. Mehreren Amtsgerichten und Staatsanwaltschaften wurden dafür Stellen zugelegt. Eine große Rolle bei der Durchführung spielt auch das Vorhandensein geeigneter Verfahren, die in Großstädten, etwa um den Hauptbahnhof von Hannover, deutlich häufiger sind als im ländlichen Raum.

Der große Vorteil eines „Beschleunigten Verfahrens“ liegt darin, dass die Zeitspanne zwischen Tat und Prozess auf ein Minimum verkürzt wird. Für die Beschleunigung sorgen insbesondere die folgenden Voraussetzungen: Eine Frist vor der Verfahrenseröffnung entfällt, der Beschuldigte muss nicht unbedingt schriftlich geladen werden, wenn er erscheint, und die Staatsanwaltschaft kann sogar mündlich anklagen. Mit der Durchführung des beschleunigten Verfahrens kann die Verurteilung binnen 24 Stunden nach der Tat erfolgen. Die Strafe folgt damit sprichwörtlich auf dem Fuße.

Beschleunigte Verfahren eignen sich jedoch nicht in jeder Konstellation. Sind insbesondere die Tatumstände streitig (wer hat wann wen warum und in welcher Form verletzt/beleidigt?) und ist eine aufwändige Beweisaufnahme erforderlich (z.B. wenn keine sicheren Beweismittel oder kein Geständnis vorliegt), kann auf diese Verfahrensform nicht zurückgegriffen werden.

Quelle: Niedersächsisches Ministerium der Justiz, Pressemitteilung vom 31. August 2022

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