Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat mit Beschluss vom 9. April 2024 die Beschwerde der Stadt Freiburg gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg zurückgewiesen, mit dem es die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs eines potenziell unbegleiteten Minderjährigen gegen die Beendigung seiner vorläufigen Inobhutnahme nach erfolgter Altersfeststellung angeordnet hat.
Der Antragsteller gab nach seiner Einreise in das Bundesgebiet an, Asyl beantragen zu wollen. Daraufhin nahm ihn die Stadt Freiburg am 28.10.2023 vorläufig in Obhut und brachte ihn in einer geeigneten Einrichtung unter, nachdem er angegeben hatte, minderjährig zu sein. Daran zweifelte das Jugendamt der Stadt Freiburg jedoch, weshalb zwei Bedienstete des Jugendamtes ein Altersfeststellungsverfahren durchführten. Diese kamen nach dem äußeren Eindruck und den Angaben des Antragstellers bei einer Befragung zu dem Ergebnis, dass er volljährig sei. Daraufhin beendete die Stadt Freiburg die vorläufige Inobhutnahme des Antragstellers mit Bescheid vom 09.11.2023. Dagegen legte der Antragsteller Widerspruch ein und stellte vor dem Verwaltungsgericht Freiburg einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz.
Das Verwaltungsgericht Freiburg ordnete die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid der Stadt Freiburg an, weil der Widerspruch voraussichtlich Erfolg haben würde. Die Beendigung der vorläufigen Inobhutnahme sei rechtsfehlerhaft, weil dem Antragsteller kein Verfahrensbeistand bestellt worden sei.
Mit der dagegen erhobenen Beschwerde macht die Stadt Freiburg geltend, eine Pflicht zur Bestellung eines Verfahrensbeistands während der Altersfeststellung bestünde nicht. Das Jugendamt, das über das Alter und die damit verbundene vorläufige Inobhutnahme entscheide, wahre zugleich die Interessen des betroffenen Ausländers. Die Beschwerde blieb vor dem VGH erfolglos.
Zur Begründung führte der 12. Senat des VGH aus: Die Einwände der Stadt Freiburg gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts seien nicht begründet. Die Pflicht zur Bestellung eines Verfahrensbeistands ergäben sich aus der EU-Aufnahmerichtlinie (Art. 24 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 1 Richtlinie 2013/33/EU). Die gelte für alle Fälle, bei denen ein Asylgesuch im Raum stehe und in denen der betroffene unbegleitete Ausländer vertretbar behaupte, er sei minderjährig und dies nicht offensichtlich ausgeschlossen sei. Dies diene der Wahrung des Kindeswohls, zu dessen vorrangiger Berücksichtigung Gesetzgeber und Behörden verpflichtet seien. Die Altersfeststellung sei insbesondere für eine kindgerechte Unterbringung entscheidend. Nur wenn der potenziell Minderjährige bereits bei der Altersfeststellung in der Lage sei, dem Verfahren zu folgen und seine Belange geltend zu machen, sei das Kindeswohl hinreichend gewahrt. Zudem müsse gesichert sein, dass der potenziell Minderjährige sich gegen die Beendigung der vorläufigen Inobhutnahme zur Wehr setzen und gerichtlichen (vorläufigen) Rechtsschutz beantragen könne, wenn gerade die Minderjährigkeit umstritten sei. Der deutsche Gesetzgeber habe diese unionsrechtliche Verpflichtung zum Schutz des Kindeswohls nicht umgesetzt, weshalb die Richtlinie unmittelbar anwendbar sei. Insbesondere sei eine Vertretung des Minderjährigen durch das Jugendamt, das selbst für die Altersfeststellung zuständig sei, nicht geeignet, sicherzustellen, dass die Interessen des (möglicherweise) Minderjährigen hinreichend gewahrt würden.
Der Beschluss vom 9. April 2024 ist unanfechtbar (12 S 77/24).