Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat heute die Beschwerde des Südwestrundfunks (SWR) gegen die Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart (VG) zurückgewiesen, mit der dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) die Teilnahme an den am 12.02.2025 stattfindenden Sendungen „Wahlarena Baden-Württemberg“ bzw. „Wahlarena Rheinland-Pfalz“ ermöglicht wurde.
Sachverhalt
Der SWR plant für den 12.02.2025 die Sendungen „Wahlarena Baden-Württemberg“ bzw. „Wahlarena Rheinland-Pfalz“, die zeitgleich aus Mainz und Stuttgart in seinem dritten Fernsehprogramm live ausgestrahlt werden sollen. Nach dem Konzept der Sendungen sollen Fragen zu politisch aktuellen Themenfeldern durch die Zuschauer gestellt werden. Hierbei sollen nicht nur einzelne Positionen abgefragt werden, sondern auch ein „Schlagabtausch“ unter den Teilnehmenden und Dialog mit den Zuschauern stattfinden. Der SWR hat zu den Sendungen die Spitzenkandidaten der Landeslisten für Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz von CDU, SPD, AfD, Grünen und FDP eingeladen. Mit einem am 10.01.2025 gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das BSW beim Verwaltungsgericht Stuttgart beantragt, ihre Spitzenkandidaten ebenfalls zu den Sendungen einzuladen und mitdiskutieren zu lassen. Mit Beschluss vom 22.01.2025 hat das Verwaltungsgericht dem Antrag stattgegeben und den SWR verpflichtet, dem BSW die Teilnahme an den Sendungen zu ermöglichen. Zur Begründung hat es darauf verwiesen, dass eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt bei redaktionell gestalteten Sendungen vor Wahlen das Recht der Wahlbewerber auf Chancengleichheit zu beachten habe. Die aktuellen Erfolgsaussichten des BSW bei der bevorstehenden Bundestagswahl rechtfertigten nicht deren Ausschluss von den Sendungen.
Entscheidungsgründe
Die hiergegen gerichtete Beschwerde des SWR hat der 1. Senat des VGH heute zurückgewiesen.
Der Senat geht davon aus, dass das BSW wie vom Verwaltungsgericht festgestellt einen Anspruch auf chancengleiche Teilhabe an den beiden Sendungen hat. Abzuwägen war vorliegend die grundrechtlich geschützte Rundfunkfreiheit des SWR und das Recht auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb des BSW. Je enger – in zeitlicher und/oder inhaltlicher Hinsicht – die Beziehung der betreffenden Sendung zu der bevorstehenden Wahl und je größer ihr publizistisches Gewicht ist, umso mehr gebietet der Grundsatz der Chancengleichheit dabei eine Einschränkung des grundrechtlich geschützten Spielraums der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bei der Gestaltung der konkreten Sendung und der Auswahl des Teilnehmerkreises.
Den Sendungen der „Wahlarena“ im Programm des SWR kommt ein besonderes publizistisches Gewicht zu, da es sich nach ihrem geplanten Inhalt und Gesamtkontext um eine zentrale Sendung im Rahmen der Vorwahlberichterstattung des SWR handelt. Weder die bundesweite politische Bedeutung noch die regionale Bedeutung der Parteien rechtfertigen die vom SWR vorgenommene Differenzierung zwischen der FDP und dem BSW. Dabei kann zur Ermittlung der politischen Bedeutung von Parteien jedenfalls bei erheblichen politischen Gewichtsverschiebungen auch auf eine Gesamtschau der Ergebnisse in den letzten Monaten durchgeführter Wahlumfragen abgestellt werden. Würde das BSW nicht beteiligt, bestehe die Gefahr einer nachhaltigen Verschlechterung seiner Wahlchancen, welche auch nicht durch die Berücksichtigung des BSW in der sonstigen Vorwahlberichterstattung des SWR ausgeglichen werde.
Das Recht des SWR auf freie Programmgestaltung muss im Ergebnis hinter der Sicherung der Chancengleichheit des BSW teilweise zurücktreten. Eine vollständige Vereitelung des Sendekonzepts des SWR droht dabei nicht.
Der Beschluss des VGH ist unanfechtbar (1 S 164/25).
VGH Baden-Württemberg, 05.02.2025