Mit den Beteiligten soeben bekanntgegebenem Beschluss hat der Verwaltungsgerichtshof (VGH) die Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klagen gegen die 9. und 10. Änderungsgenehmigung zur Aufbewahrung von Kernbrennstoffen im Standort-Zwischenlager Philippsburg abgelehnt.
Auf dem Gelände der mittlerweile stillgelegten Kernkraftwerke Philippsburg werden seit dem Jahr 2007 in einem im Jahr 2003 genehmigten Zwischenlager radioaktive Abfälle in Form bestrahlter Brennelemente aus der Kernspaltung aufbewahrt. Durch die 9. und 10. Änderungsgenehmigung des Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) wird erstmals auch die Einlagerung von radioaktiven Abfallprodukten aus der Wiederaufbereitung der Kernbrennstoffe in La Hague in Form von Glaskokillen in dafür vorgesehenen Behältern der Bauart CASTOR® HAW28M gestattet. Dagegen haben die Stadt Philippsburg und mehrere Eigentümer privater Grundstücke in der Nähe des Zwischenlagers Klage (10 S 1314/24) erhoben. Wegen des bis Jahresende geplanten Transports der Behälter von der Wiederaufbereitungsanlage in La Hague/Frankreich nach Philippsburg haben sie Anfang Oktober 2024 um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht.
Der VGH hat die Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klagen gegen die Änderungsgenehmigungen abgelehnt. Bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren dürfen die CASTOR-Behälter eingelagert werden.
Zur Begründung führt der 10. Senat aus, mit den angegriffenen Änderungsgenehmigungen wird die Anzahl der in Philippsburg bereits bisher zur Aufbewahrung genehmigten 152 CASTOR-Behälter nicht erweitert, sondern ein anderes radioaktives Inventar in Behältern anderer Bauart gestattet. Eine zusätzliche Exposition der Bevölkerung durch Direktstrahlung oder Ableitungen radioaktiver Stoffe ist mit den Änderungsgenehmigungen nicht verbunden, die maßgeblichen Grenzwerte werden weiterhin deutlich unterschritten.
Das von den Antragstellern gerügte Reparaturkonzept für die Behälter der Bauart CASTOR® HAW28M genügt den Anforderungen an die erforderliche Schadensvorsorge.
Die von den Antragstellern befürchteten kriegsbedingten Einwirkungen im Rahmen einer militärischen Auseinandersetzung mit Russland sind bei der Auslegung kerntechnischer Anlagen nicht zu berücksichtigen, weil sich diese beliebig stark denken lassen und wirksamer Schutz letztlich nur durch die Bundeswehr gewährleistet werden kann. Davon zu unterscheiden sind Szenarien terroristischer Anschläge, auch wenn sie im Rahmen einer sog. hybriden Kriegsführung auf Veranlassung eines Staats erfolgen. Aus Sicht des Senats bestehen nach den derzeitigen Erkenntnissen keine konkreten Anhaltspunkte, dass das Zwischenlager gegen Sabotageakte oder terroristische Anschläge nicht hinreichend gesichert ist. Das Risiko derartiger Szenarien wird durch die Sicherheitsbehörden regelmäßig bewertet, im Rahmen eines geänderten Sicherheitskonzepts werden aktuell mehrere baulich-technische Maßnahmen umgesetzt.
Auch die Auswirkungen eines gezielten Absturzes eines großen Verkehrsflugzeugs wie des Typs Boeing A 380 sowie das im Genehmigungsverfahren zu prüfende Szenario eines zufälligen Absturzes einer schnell fliegenden Militärmaschine auf das Zwischenlager sind voraussichtlich rechtsfehlerfrei untersucht worden.
Hinsichtlich der Fragen inwiefern moderne Waffensysteme, deren Einsatz die Antragsteller geltend gemacht haben, bei den zu unterstellenden Szenarien berücksichtigt wurden und ob der zufällige Absturz eines bewaffneten Kampfflugzeugs – mit zusätzlicher Einwirkung durch die Bewaffnung – praktisch ausgeschlossen und deshalb von der Genehmigungsbehörde zu Recht dem sog. Restrisiko zugeordnet worden ist, gegen das Schadensvorsorge nicht verlangt werden könnte, sieht der Senat punktuell weiteren Aufklärungsbedarf im Hauptsacheverfahren. Insoweit hat eine Interessensabwägung zur Ablehnung der Eilanträge geführt. Der Senat wies darauf hin, dass sich die Bundesrepublik Deutschland gegenüber Frankreich zur Rücknahme der Behälter bis Ende 2024 vertraglich verpflichtet hat. Auch sind zur Durchführung des Transports langfristige zeitintensive Vorbereitungen getroffen worden. Zudem werden durch den Vollzug der Genehmigungen keine irreversiblen Tatsachen geschaffen, denn eine Auslagerung der Behälter im Fall eines Erfolgs der Klage ist jedenfalls bei intaktem Deckelsystem jederzeit möglich.
Der Beschluss des VGH ist unanfechtbar (Az. 10 S 1555/24).
(c) VGH Baden-Württemberg, 08.11.2024