Die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Wiesbaden hat mit Urteil vom 18.12.2024 eine Klage abgewiesen, mit der der Kläger die Ausstellung eines Personalausweises ohne Speicherung der Fingerabdrücke auf dessen elektronischem Speichermedium (sog. „Chip“) begehrte.

Die Pflicht zur Speicherung von Fingerabdrücken bei Ausweisen beruht auf der europäischen Verordnung (EU) 2019/1157 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.06.2019 zur Erhöhung der Sicherheit der Personalausweise von Unionsbürgern und der Aufenthaltsdokumente, die Unionsbürgern und deren Familienangehörigen ausgestellt werden, die ihr Recht auf Freizügigkeit ausüben (VO (EU) 2019/1157). Der Kläger trug vor, dass hierdurch seine Grundrechte auf Schutz des Privatlebens nach Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) und auf Schutz personenbezogener Daten nach Art. 8 GRCh verletzt würden.

Die 6. Kammer hatte das Verfahren zunächst ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in einem Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV die Frage vorgelegt, ob die Pflicht zur Aufnahme von Fingerabdrücken in Personalausweisen mit höherrangigem Unionsrecht vereinbar ist. Mit Urteil vom 21.03.2024 – C-61/22 – hatte der EuGH entschieden, dass die Verordnung wegen der Durchführung eines ungeeigneten Gesetzgebungsverfahrens ungültig sei. Die Wirkungen der VO (EU) 2019/1157 würden jedoch aufrechterhalten bleiben, bis innerhalb einer angemessenen Frist, die zwei Jahre ab dem 01.01.2025 nicht überschreiten dürfe, eine neue, im korrekten Gesetzgebungsverfahrens erlassene Verordnung, die sie ersetzt, in Kraft trete. In materieller Hinsicht verstoße die Einschränkung der in Art. 7 und Art. 8 GRCh garantierten Rechte nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, sodass die Verordnung nicht aus diesem Grund ungültig sei.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden, dessen Gründe nun vorliegen, erging im Rahmen einer Beratung vom 18.12.2024. Die Prozessbeteiligten hatten auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Die Ablehnung der Ausstellung eines Personalausweises ohne die Aufnahme von Fingerabdrücken sei rechtmäßig und verletze den Kläger deshalb auch nicht in seinen Rechten. Das Verwaltungsgericht Wiesbaden sei an das Urteil des EuGH, insbesondere bezüglich der Ausführungen zur materiellen Rechtmäßigkeit der VO (EU) 2019/1157 gebunden. Auch bezüglich der im konkreten Verfahren vorliegenden Frage der Rechtmäßigkeit der Ablehnung der Ausstellung eines Personalausweises ohne die Aufnahme von Fingerabdrücken durch die Landeshauptstadt Wiesbaden sei keine andere Beurteilung geboten. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei auch im konkreten Fall gewahrt. In der Ablehnung der Ausstellung eines Personalausweises ohne die Aufnahme von Fingerabdrücken durch die Beklagte liege kein Verstoß gegen Grundrechte.

Auch habe das Verwaltungsgericht Wiesbaden für die Entscheidung über den vorliegenden Fall nicht den Fristablauf der Fortgeltung der VO (EU) 2019/1157 oder den Erlass einer neuen Verordnung abwarten müssen. Angesichts der Entscheidung des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren sei die Sache entscheidungsreif. Der EuGH habe ausdrücklich entschieden, dass die Wirkungen der VO (EU) 2019/1157 aufrechterhalten blieben, weshalb im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung kein Anspruch des Klägers auf Ausstellung eines Personalausweises ohne Speicherung von Fingerabdrücken bestehe. Die Frage, ob sich ein solcher Anspruch möglicherweise in der Zukunft infolge einer Änderung der Rechtslage ergeben könnte, sei im vorliegenden Verfahren nicht von Relevanz.

Das Urteil (6 K 1563/21.WI) ist noch nicht rechtskräftig. Der Kläger kann binnen eines Monats den Antrag auf Zulassung der Berufung stellen, über den der Hessische Verwaltungsgerichtshof zu entscheiden hätte.

VG Wiesbaden, 30.12.2024

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