Die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Stuttgart hat zwei Klagen gegen das Land Baden-Württemberg wegen eines Polizeieinsatzes am 17.04.2021 in Stuttgart teilweise stattgegeben. Sie hat mit Urteilen vom 02.07.2024 festgestellt, dass das Festhalten der Kläger durch einen sog. Polizeikessel und die ausgesprochenen Platzverweise rechtswidrig waren. Im Übrigen wurden die Klagen abgewiesen (Az.: 5 K 2137/21 und 5 K 2139/21). 

Am 17.04.2021 fanden sich zahlreiche Personen in der Stuttgarter Innenstadt zusammen, um gegen die Corona-Politik zu demonstrieren. Alle vier deswegen für diesen Tag angemeldeten Versammlungen wurden durch die Versammlungsbehörde der Landeshauptstadt Stuttgart verboten. Die gegen zwei dieser Verbotsverfügungen gerichteten Eilanträge wurden vom Verwaltungsgericht Stuttgart abgelehnt (vgl. die Pressemittelung v. 15.04.2021). Beschwerden gegen diese gerichtlichen Entscheidungen blieben vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg erfolglos. Zur Begründung stützten sich die Gerichte maßgeblich auf die damalige Einschätzung der Infektionsgefahren durch das SARS-CoV-2-Virus sowie auf die Erfahrungen bei der vorangegangenen Versammlung am 13.03.2021 in Stuttgart, bei der es zu zahlreichen Verstößen gegen die geltenden Abstandsregeln und die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung gekommen war. Die hiergegen gerichteten Eilanträge zum Bundesverfassungsgericht blieben ebenfalls erfolglos. 

Die am 17.04.2021 in der Stuttgarter Innenstadt zusammengekommenen Personen, wurden gegen 14 Uhr im Bereich Breite Straße/Hirschstraße von der Polizei angehalten und eingekesselt. In der Spitze befanden sich etwa 550 Personen, darunter die beiden Kläger, in der mehrstündigen polizeilichen Einkesselung. Im weiteren Verlauf wurden die Personalien der Personen festgestellt und Platzverweise ausgesprochen. 

Wesentliche Erwägungen der Kammer:

Die zulässigen Klagen sind teilweise erfolgreich. 

Das Festhalten der Kläger in einem sog. Polizeikessel und die ihnen gegenüber ausgesprochenen Platzverweise waren rechtswidrig. Das Gericht hat darauf abgestellt, dass es sich bei der eingekesselten Personengruppe um eine Versammlung handelte. Dieser rechtlichen Einordnung steht insbesondere nicht entgegen, dass sich Teile der Gruppierung selbst als „Spaziergänger“ bezeichneten. Nach den gerichtlichen Feststellungen war die Versammlung vor den durchgeführten polizeilichen Maßnahmen nicht aufgelöst worden. Die auf polizeirechtliche Rechtsgrundlagen gestützten Maßnahmen der Ingewahrsamnahme und des Platzverweises gegenüber den Versammlungsteilnehmern, denen die Kläger zuzurechnen sind, waren rechtswidrig, weil die Anwendung der Vorschriften des allgemeinen Polizeirechts während einer Versammlung grundsätzlich – und auch hier – nicht zulässig ist (sog. Polizeifestigkeit der Versammlung). Dies gilt jedoch nicht hinsichtlich der Feststellung der Personalien der Kläger, da diese Maßnahmen auf Vorschriften des Strafprozess- und Ordnungswidrigkeitenrechts gestützt werden können. Die Klagen wurden daher insoweit abgewiesen.  

Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Die Berufung wurde nicht zugelassen. Die Beteiligten können aber innerhalb eines Monats einen Antrag auf Zulassung der Berufung zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg stellen. Diese Frist beginnt erst mit der Zustellung des jeweiligen Urteils.

(c) VG Stuttgart, 04.07.2024

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