Mit Urteil vom 31. August 2022 hat die 6. Kammer des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts die Klage eines Abgeordneten des Steinburger Kreistags abgewiesen, der sich gegen die Abberufung des Landrats im vergangenen Jahr gewandt hatte.
Im Frühjahr 2021 ist der Landrat des Kreis Steinburg nach zwei Abstimmungen im Kreistag mit Zwei-Drittel-Mehrheit abgewählt worden. Der Kläger rügte im Anschluss, dass die Entscheidungen ohne ausreichende Aussprache im Plenum stattgefunden habe. Er habe sich nicht ausreichend informiert und getäuscht gefühlt. Deshalb wollte er mit seiner Klage die Rechtswidrigkeit der Abberufung feststellen zu lassen.
Das Gericht wies die Klage ab. Sie sei bereits unzulässig, denn klagen könne nur, wer in eigenen Rechten verletzt ist. Der Kläger sei weder zur stellvertretenden Rechtswahrnehmung für den abberufenen Landrat berechtigt, noch stehe ihm ein eigenes Recht zu, Beschlüsse des Kreistags anzufechten. Als dessen Mitglied sei er an die Entscheidungen gebunden. Auch ein individueller Anspruch auf vorherige Beratung bestehe nicht. Unerheblich sei die klägerische Auffassung, die Abgeordneten seien vor der Abberufungsentscheidung nicht ausreichend informiert gewesen. Maßgeblich für die Gültigkeit der Abberufung sei allein, dass der Kreistag in zwei Abstimmungen zum Ausdruck gebracht habe, kein Vertrauen mehr in den Landrat zu setzen. Eine Überprüfung der Beweggründe der Abgeordneten stehe dem Gericht aufgrund des freien Mandats nicht zu.
Die schriftlichen Urteilsgründe liegen noch nicht vor. Gegen das Urteil (6 A 159/21) kann innerhalb eines Monats nach Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe die Zulassung der Berufung vor dem Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgericht beantragt werden.
Exkurs: In Deutschland wird das freie Mandat in Art. 38 Grundgesetz (GG) geregelt. Der Ausdruck freies Mandat meint, dass Abgeordnete als Vertreter des ganzen Volkes an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen sind. Das freie Mandat dient dem Schutz des/der einzelnen Abgeordneten, um die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit als Volksvertreter zu gewährleisten.
Quelle: Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Pressemitteilung vom 2. September 2022