Das Verwaltungsgericht Oldenburg hat mit Beschluss vom 20. September 2022 (Az.: 12 B 3045/22) dem Antrag der Dienstleistungsgewerkschaft „ver.di“ (Antragstellerin) auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die am 31. August 2022 veröffentlichte Allgemeinverfügung der Stadt Oldenburg (Antragsgegnerin) teilweise stattgegeben.
Dem Verfahren liegt zugrunde, dass die Antragsgegnerin mit der genannten Allgemeinverfügung anlässlich des 415. Oldenburger Kramermarktes die Öffnung der Verkaufsstellen im gesamten Stadtgebiet Oldenburg am 9. Oktober 2022 in der Zeit von 13:00 Uhr bis 18:00 Uhr genehmigt hat.
Hiergegen hat die Antragstellerin am 8. September 2022 Klage erhoben und einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Sie ist der Auffassung, dass mit dem Kramermarkt zwar eine hinreichende Anlassveranstaltung für die Sonntagsöffnung vorliege. Dieser könne jedoch eine Sonntagsöffnung für das gesamte Stadtgebiet nicht rechtfertigen, da es insoweit an der prägenden Wirkung der Anlassveranstaltung für das gesamte Stadtgebiet fehle. Der erforderliche räumliche Zusammenhang der geplanten Ladenöffnung mit der Anlassveranstaltung sei für die Bereiche auszuschließen, die nicht unmittelbar an das Gelände der Weser-Ems-Hallen angrenzten.
Das Gericht hat dem Antrag nur teilweise entsprochen. Soweit mit der Allgemeinverfügung die Öffnung der Verkaufsstellen in den Bereichen
– Oldenburger Innenstadt – innerhalb des Wallrings, einschließlich des Heiligengeist-Viertels bis hin zur Bahnüberführung Pferdemarkt
– die Straßen Am Stadtmuseum, Donnerschweer Straße von ihrem Beginn bis zur Einmündung der Wehdestraße, Straßburger – und Güterstraße, Stau von der Einmündung der Güterstraße bis zum Staugraben, Staugraben sowie des Gebiets innerhalb dieses Straßenrings (Bahnhofsviertel)
gestattet wird, hat es dies für rechtmäßig erachtet und den Eilantrag abgelehnt.
Soweit mit der Allgemeinverfügung die Öffnung sämtlicher Verkaufsstellen in weiteren darüberhinausgehenden Bereichen gestattet wird, hat das Gericht dies als aller Voraussicht nach rechtswidrig angesehen und dem Antrag stattgegeben, also die aufschiebende Wirkung der von der Antragstellerin erhobenen Klage insoweit wiederhergestellt
Im Hinblick auf die Öffnung der Verkaufsstellen in den genannten Bereichen der Innenstadt, dem Bahnhofsviertel und der Donnerschweer Straße hat das Gericht ausgeführt, dass unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Nds. Oberverwaltungsgerichts die Veranstaltung des 415. Oldenburger Kramermarktes wegen seiner gerichtsbekannten Attraktivität und Dimension als ausreichender Anlass bzw. Sachgrund i.S.v. § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 des Niedersächsischen Gesetzes über Ladenöffnungs- und Verkaufszeiten (NLöffVZG ) zu qualifizieren sei.
Soweit die Allgemeinverfügung allerdings die Öffnung von Geschäften in den übrigen Stadtbereichen zulasse, werde sie sich aller Voraussicht nach als rechtswidrig erweisen. Insoweit sei eine Ausstrahlungswirkung des Kramermarktes bzw. eine prägende Wirkung dieser Veranstaltung nicht ausreichend dargetan oder sonst erkennbar. Ein Fußgängerstrom zwischen dem Jahrmarktgelände und den übrigen Stadtbereichen sei nicht ersichtlich und schon allein wegen der Entfernung nicht zu erwarten. Soweit die Antragsgegnerin auf Parkmöglichkeiten und die Verbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln und Werbemaßnahmen hingewiesen hat, ist das Gericht der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts in seinen Urteilen vom 22. Juni 2020 und 16. März 2022 gefolgt, wonach Ziel- und Quellverkehr sowie Werbemaßnahmen nicht geeignet sind, die Ausstrahlungswirkung einer Veranstaltung bzw. eines Anlasses zu begründen.
Soweit die Antragsgegnerin eine Ausstrahlungswirkung für den Einkaufsbereich Wechloy/Famila-Center angenommen und hierzu auf eine dort stattfindende Sonderveranstaltung verwiesen hat, ist das Gericht dem ebenfalls nicht gefolgt. Die Sonderveranstaltung werde von der Famila-Geschäftsgemeinschaft und nicht vom Veranstalter des Kramermarktes durchgeführt. Sie stehe zwar – wie die Antragsgegnerin ausführe – unter dem Thema „Familie und Jahrmarkt“ und solle damit thematisch und letztlich auch tatsächlich einen Bezug zum Kramermarkt begründen. Damit werde zwar der Versuch unternommen, eine Verbindung zu der Anlassveranstaltung herzustellen, um eine sonntägliche Ladenöffnung zu erreichen. Dies widerspreche jedoch der nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gebotenen Beschränkung anlassbezogener Sonntagsöffnungen auf das räumliche Umfeld der Anlassveranstaltung.
Ergänzend hat das Gericht darauf hingewiesen, dass die Sonderveranstaltung ihrer Art nach auch keinen ausreichenden eigenen Anlass im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 NLöffVZG für eine sonntägliche Ladenöffnung darstelle. Sie trage vielmehr für sich genommen mit ihren Buden und Spielangeboten den typischen Charakter einer verkaufsbegleitenden Animation, die eine Sonntagsöffnung nicht rechtfertige. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim Nds. Oberverwaltungsgericht in Lüneburg eingelegt werden.
Quelle: Verwaltungsgericht Oldenburg, Pressemitteilung vom 20. September 2022