Mit Beschluss vom 22. Mai 2024 hat das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße dem Antrag eines straffällig gewordenen, abgelehnten Asylbewerbers auf Gewährung einer Unterkunft durch Einweisung in eine Obdachloseneinrichtung stattgegeben.
Wie bereits in verschiedenen Medien berichtet, handelt es sich bei dem Antragsteller um einen somalischen Staatsangehörigen, der sich seit mehr als zehn Jahren in der Bundesrepublik Deutschland aufhält. Im Jahr 2019 wurde sein Antrag auf Asylanerkennung abgelehnt und die Abschiebung nach Somalia angedroht. Infolge der Begehung diverser Straftaten wurde der Antragsteller im Jahr 2022 in Untersuchungshaft genommen und im Jahr 2023 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt.
Mit Bescheid vom 2. Februar 2024 wurde der Antragsteller aus dem Bundesgebiet ausgewiesen.
In diesem Zeitpunkt befand er sich zur Verbüßung der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe in der JVA Frankenthal. Da der Antragsteller unstreitig über keine Unterkunft verfügte, stellte seine Betreuerin in Ansehung der unmittelbar anstehenden Haftentlassung bei der Antragsgegnerin den Antrag, ihn in eine Obdachlosenunterkunft einzuweisen. Dies lehnte die Antragsgegnerin unter Berufung auf die aus ihrer Sicht bestehende Gefährlichkeit des Antragstellers ab. Hiermit war der Antragsteller nicht einverstanden und suchte bei dem Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße um vorläufigen Rechtsschutz nach.
Die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße hat dem Antrag mit Beschluss vom 22. Mai 2024 stattgegeben.
Aufgrund der drohenden, unfreiwilligen Obdachlosigkeit des Antragstellers durch seine unmittelbar bevorstehende Haftentlassung bestehe eine Gefahr für dessen Leib und Leben, die von der Antragsgegnerin als zuständige Polizeibehörde durch Einweisung in eine Obdachlosenunterkunft zu beseitigen sei.
Zuständig sei in Fällen der Obdachlosigkeit grundsätzlich die Polizeibehörde, in deren örtlichem Zuständigkeitsbereich sich der Obdachlose tatsächlich aufhalte und die Unterbringung begehre. Dass der Antragsteller in der JVA Frankenthal eine Haftstraße verbüßt habe, begründe gleichwohl keine Zuständigkeit der dortigen Polizeibehörde. Maßgeblich sei vielmehr, dass er vor Haftantritt als abgelehnter Asylbewerber aufgrund einer Wohnsitzauflage im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin gewohnt und zurzeit keinen anderen Anlaufpunkt habe.
Der Antragsteller sei im gegenwärtigen Zeitpunkt auch nicht in der Lage, aus eigener Kraft oder mit Hilfe der Sozialleistungsträger in zumutbarer Zeit eine Unterkunft zu finden und damit die Gefahr selbst zu beseitigen. Als abgelehnter Asylbewerber sei er zwar nach den Regelungen des Asylbewerberleistungsgesetzes dazu berechtigt, eine Unterkunft auf der Grundlage dieses Gesetzes zugewiesen zu bekommen. Dies sie indes bisher nicht erfolgt.
Die Obdachloseneinweisung sei der Antragsgegnerin auch nicht unzumutbar. Bei dem Antragsteller handele es sich zwar aufgrund der von ihm in der Vergangenheit begangenen Straftaten u.a. des versuchten Raubes, der gefährlichen Körperverletzung, der Sachbeschädigung und des Hausfriedensbruchs um einen sog. „Intensivtäter“ mit äußerst negativer Sozialprognose, der auch von der JVA Frankenthal als gefährlich eingestuft werde. Die Antragsgegnerin sei jedoch nicht dazu befugt, die aus ihrer Sicht von dem Antragsteller ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung durch die Verweigerung seiner Einweisung in eine in ihrem Gemeindegebiet gelegene Obdachlosenunterkunft abzuwehren. Notwendige Maßnahmen seien vielmehr von insoweit zuständigen Behörden auf dem Gebiet des Strafrechts, des Polizei- und Ordnungsrechts, des Betreuungsrechts und ggf. nach dem Landesgesetz für psychisch kranke Personen zu treffen.
Ein als gefährlich eingeschätzter Asylbewerber unterliege dabei den gleichen Kontrollmaßnahmen wie ein deutscher Staatsbürger in einem vergleichbaren Fall. Entsprechende Maßnahmen seien bereits ergriffen worden. So habe das Amtsgericht Landau die Führungsaufsicht über den Antragsteller bis zum 8. April 2024 angeordnet. Darüber hinaus stehe der Antragsteller unter Betreuung durch seine Prozessbevollmächtigte und es werde zu klären sein, ob der Antragsteller zum Beispiel in das Überwachungsprogramm „VISIER“ (vorbeugendes Informationsaustauschsystem zum Schutz vor entlassenen Rückfalltätern) der Polizei aufgenommen werden könne.
Bei dem Antragsteller handele es sich nach bisherigen Erkenntnissen auch nicht um eine gewalttätige, psychisch erkrankte Person, weshalb er nicht nach den in diesem Falle einschlägigen landesgesetzlichen Regelungen untergebracht werden könne. Sobald die Antragsgegnerin eine anderweitige Zuweisung des Antragstellers erreichen könne, werde ihre derzeit anzunehmende obdachlosenrechtliche Verpflichtung gegenstandlos.
Gegen den Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zulässig.
Verwaltungsgericht Neustadt, Beschluss vom 22. Mai 2024 – 5 L 555/24.NW
(c) VG Neustadt (Wstr.), 29.05.2024