Die von der Ortsgemeinde Carlsberg zur Abrechnung wiederkehrender Straßenausbaubeiträge gebildeten Abrechnungseinheiten sind unwirksam. Das hat das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße mit Urteil vom 15. April 2024 entschieden.
Die Beklagte erhebt in ihrem Gemeindegebiet wiederkehrende Straßenausbaubeiträge. Hierzu teilte sie in der Ausbaubeitragssatzung vom 2. April 2021 das Gemeindegebiet in zwei Abrechnungseinheiten auf. Abrechnungseinheit 1 wird gebildet von den Ortsteilen Carlsberg und Hertlingshausen, Abrechnungseinheit 2 vom Ortsteil Unterselighof.
Der Kläger ist Eigentümer mehrerer Grundstücke im Gemeindegebiet der Beklagten. Mit Bescheid vom 12. September 2022 wurde er zur Zahlung einer Vorausleistung auf den wiederkehrenden Straßenausbaubeitrag für das Jahr 2022 heranzogen.
Hiermit war der Kläger nicht einverstanden und erhob nach erfolgloser Durchführung eines Vorverfahrens Klage zum Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße.
Der Klage wurde mit Urteil der 3. Kammer vom 15. April 2024 stattgegeben.
Zur Begründung heißt es:
Als Grundlage für die Erhebung wiederkehrender Beiträge legten die Gemeinden durch Satzung einheitliche öffentliche Einrichtungen fest (Abrechnungseinheiten), die durch das Zusammenfassen mehrerer, in einem abgrenzbaren und räumlich zusammenhängenden Gebietsteil (räumlich-funktionaler Zusammenhang) liegender Verkehrsanlagen des Gemeindegebietes gebildet würden. Ein räumlicher Zusammenhang werde in der Regel nicht durch Außenbereichsflächen von untergeordnetem Ausmaß aufgehoben. Die Bildung einer einheitlichen öffentlichen Einrichtung durch Zusammenfassen aller Verkehrsanlagen einer Gemeinde könne erfolgen, wenn diese aufgrund des zusammenhängenden Gemeindegebietes in ihrer Gesamtheit den einzelnen Grundstücken die Anbindung an das inner- und überörtliche Straßennetz vermittelten. Die Entscheidung über die Ausgestaltung der einheitlichen öffentlichen Einrichtungen treffe die Gemeinde unter Beachtung der örtlichen Gegebenheiten.
Nach diesen Grundsätzen sei die von der Beklagten in der Ausbaubeitragssatzung festgelegte Abrechnungseinheit 1, in der sich auch das Grundstück des Klägers befinde, nicht wirksam gebildet worden.
Obwohl ein räumlich-funktionaler Zusammenhang zu den übrigen Verkehrsanlagen der Abrechnungseinheit gegeben sei, seien mehrere Grundstücke, die sich entlang der gewidmeten und erstmals hergestellten Verkehrsanlage „Seckenhäuserstraße“ im Ortsteil „Seckenhäuser Hof“ befänden, zu Unrecht nicht in die Abrechnungseinheit einbezogen worden.
Die in sogenannten „Wochenendhausgebieten“ u.a. entlang der Verkehrsanlagen „Wolfshohl“, „Kleinfrankreich“, „Unterer Herrnkopf“, „Hintergasse“ „Frauenthal“, „Fichteck“, „Tessiner Weg“, „Am Sportplatz“, „Hasental“ und „Lampertsteig“ gelegenen Grundstücke seien möglicherweise ebenfalls in die Abrechnungseinheit 1 einzubeziehen. Die dort vorhandenen Verkehrsanlagen seien nach Auskunft der Beklagten zwar weder gewidmet noch erstmals hergestellt. Nach neuerer Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz könne die Einbeziehung einer bestimmten Verkehrsanlage in die jeweilige Abrechnungseinheit jedoch auch dann angezeigt sein, wenn dort genehmigte Bebauung vorhanden sei, der über die vorhandenen Wirtschaftswege ein Notwegerecht und damit eine Anbindung an die nächsterreichbare öffentliche Gemeindestraße vermittelt werde. Entsprechende Baugenehmigungen lägen nach den von der Beklagten im laufenden Verfahren zur Akte gereichten Unterlagen jedenfalls in Bezug auf vereinzelte Grundstücke entlang der Verkehrsanlagen „Wolfshohl“ und „Unterer Herrnkopf“ vor.
Die Unwirksamkeit der Bildung der Abrechnungseinheit 1 könne sich bei prognostischer Betrachtung darüber hinaus auch daraus ergeben, dass die Abrechnungseinheit 2 die Anforderungen an eine eigenständige Abrechnungseinheit nicht erfülle. In diesem Fall müssten die dort vorhandenen Verkehrsanlagen ebenfalls in die Abrechnungseinheit 1 einbezogen werden. Die zwischen den Ortsteilen „Hertlingshausen“ und „Selighof“ bestehende Außenbereichslücke stehe der Bildung einer einzigen, das gesamte Gemeindegebiet umfassenden Abrechnungseinheit nicht entgegen, da insoweit Außenbereichsflächen von „gerade noch“ unbedeutendem Umfang vorliegen dürften und signifikante topographische Hindernisse zwischen den Ortsteilen nicht bestünden. Soweit die Verkehrsanlagen im Ortsteil „Selighof“ nach Auskunft der Beklagten bislang insgesamt weder gewidmet noch erstmals hergestellt seien, komme ihre Einbeziehung in die Abrechnungseinheit indes wiederum nur unter den Voraussetzungen der vorzierten Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz zum Notwegerecht in Betracht.
Gegen das Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung Antrag auf Zulassung der Berufung bei dem Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz gestellt werden.
Verwaltungsgericht Neustadt, Urteil vom 15. April 2024 – 3 K 31/24.NW –
(c) VG Neustadt/Wstr., 19.04.2024