Das Verwaltungsgericht Münster hat mit Beschluss vom heutigen Tag dem Land Nordrhein-Westfalen untersagt, die Stelle des Präsidenten/der Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen mit der vom nordrhein-westfälischen Ministerium der Justiz ausgewählten Bewerberin (der Beigeladenen im vorliegenden Verfahren) zu besetzen, bis über die Bewerbung des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden worden und eine Wartefrist von zwei Wochen nach Bekanntgabe einer für ihn negativen Auswahlentscheidung an ihn abgelaufen ist.
Die ab dem 1. Juni 2021 neu zu besetzende Stelle war nach Abbruch eines ersten Bewerbungsverfahrens am 15. Juni 2021 erneut im Justizministerialblatt des Landes Nordrhein-Westfalen ausgeschrieben worden. In der Folgezeit hatten sich der als Richter am Bundesverwaltungsgericht tätige Antragsteller sowie zwei weitere Bewerber um die Stelle beworben. Den Besetzungsvorschlag vom 11. Mai 2022, die Stelle einem der weiteren Bewerber zu übertragen, paraphierte der Amtsvorgänger des jetzigen Ministers der Justiz am 16. Mai 2022. Der am 29. Juni 2022 ernannte Minister der Justiz verfügte am 30. Juni 2022, dass die Verfügung nicht weiter ausgeführt werden solle. Unter dem 13. September 2022 bewarb sich die im Ministerium des Inneren des Landes Nordrhein-Westfalen tätige Beigeladene. Nachdem in der Folgezeit aktuelle Beurteilungen der Konkurrenten angefordert worden waren und der Minister der Justiz am 28. März 2023 sogenannte Überbeurteilungen verfasst und dabei die Beigeladene als für das Amt der Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen mit „hervorragend geeignet“ beurteilt hatte, schlug das Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen am 2. Mai 2023 vor, die Stelle mit der Beigeladenen zu besetzen.
Dem gegen diese Auswahlentscheidung gerichteten Eilantrag gab das Verwaltungsgericht Münster nunmehr statt. In den Gründen des Beschlusses heißt es unter anderem: Der Antragsteller habe einen Anspruch auf erneute Entscheidung über seine Bewerbung. Die Auswahlentscheidung des Landes Nordrhein-Westfalen leide bereits an einem verfahrensrechtlichen Mangel. Der Umstand, dass der Minister der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen den ihm vorgelegten Besetzungsvorschlag für die in Rede stehende Stelle mit der Verfügung „nicht weiter ausführen“ versehen habe, stelle eine Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs des Antragstellers dar. Denn durch diese Verfügung sei das Auswahlverfahren gezielt unterbrochen worden, ohne dass die maßgeblichen Erwägungen für diese Vorgehensweise dokumentiert worden seien oder sich evident aus dem Akteninhalt ergäben. Es liege nahe, dass die Unterbrechung des Auswahlverfahrens erfolgt sei, um die Berücksichtigung einer künftig eingehenden Bewerbung der Beigeladenen zu ermöglichen. Eine Unterbrechung des Auswahlverfahrens zu diesem Zweck verletze jedoch den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers, weil diese Vorgehensweise eine manipulative Verfahrensgestaltung zu Gunsten der Beigeladenen darstelle. Darüber hinaus seien die zur Bewerberauswahl herangezogenen Überbeurteilungen des Antragstellers und der Beigeladenen durch den Minister der Justiz rechtswidrig. Dem Minister der Justiz stehe hierfür schon keine Überbeurteilungskompetenz zu. Zu solchen Beurteilungen sei er lediglich für Beamte sowie Richter des Landes Nordrhein-Westfalen seines Geschäftsbereichs ermächtigt. Der Antragsteller zähle als Bundesrichter jedoch gerade nicht zu den Richtern des Landes. Die Beigeladene sei zwar Beamtin des Landes, allerdings nicht dem Ministerium der Justiz nachgeordnet, sondern dem Innenministerium zugewiesen. Mit der Erstellung der Überbeurteilung bezüglich der Beigeladenen habe der Minister der Justiz zudem zum Ausdruck gebracht, dass bereits auf der Ebene des Beurteilungsverfahrens „zielorientiert“ die zukünftige Auswahlentscheidung gesteuert worden sei. Darüber hinaus seien auch die für die Auswahlentscheidung herangezogenen Beurteilungen des Antragstellers und der Beigeladenen rechtswidrig. Die Anlassbeurteilung des Antragstellers sei in unzulässiger Weise anhand von Richtlinien erstellt worden, die ausschließlich für die dienstliche Beurteilung der Richterinnen und Richter des Landes Nordrhein-Westfalen gälten. Die Anlassbeurteilung der Beigeladenen sei rechtswidrig, weil sie nicht aus einer Regelbeurteilung abgeleitet worden sei. Vielmehr liege auf Seiten der Beigeladenen eine Beurteilungslücke von rund neun Jahren vor. Dies führe zur Inplausibilität der Anlassbeurteilung. Die gebotene wertende Betrachtung aller Umstände ergebe nicht, dass der Antragsteller im Fall einer nach den Maßstäben der Bestenauslese fehlerfrei vorgenommenen Auswahlentscheidung im Verhältnis zu der Beigeladenen chancenlos wäre.
Gegen den Beschluss kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe Beschwerde eingelegt werden.
Der Beschluss wird in Kürze in der Rechtsprechungsdatenbank www.nrwe.de veröffentlicht.
Az.: 5 L 583/23 – nicht rechtskräftig
(c) VG Münster, 28.09.2023