Die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Karlsruhe hat mit auf die mündliche Verhandlung vom 7. November 2022 ergangenem Urteil (Az.: 2 K 5124/20) eine Klage eines Anwohners der Herrenstrietsiedlung abgewiesen, mit der er eine Verbesserung seiner immissionsschutzrechtlichen Situation erreichen wollte. Das Urteil ist den Beteiligten zwischenzeitlich zugestellt worden.
Der Kläger des Verfahrens ist Eigentümer eines Grundstücks in der Herrenstrietsiedlung in Pforzheim. Diese Siedlung, die als allgemeines Wohngebiet ausgewiesen ist, liegt rechts der Enz und unmittelbar gegenüber dem links der Enz gelegenen Betriebsstandort der Beigeladenen, die im Bereich des Schlachterei- und Fleischverarbeitungsgewerbes tätig ist. Ihre Produktionsabläufe sehen unter anderem vor, dass die produzierten Wurst- und Fleischerzeugnisse bis zum Weitertransport mit LKWs an Betriebe des Groß- und Einzelhandels für einen begrenzten Zeitraum in Tiefkühlaufliegern auf dem Betriebsgelände zwischengelagert werden. Hierzu ist die Kühlung der Auflieger mittels Kühlaggregaten erforderlich, die dieselbetrieben oder elektrisch mit Energie versorgt werden.
Im Anschluss an vermehrt erhobene Beschwerden führte das Regierungspräsidium Karlsruhe Lärmmessungen durch, die hinsichtlich bestimmter Grundstücke, unter anderem auch in der Herrenstrietsiedlung, Grenzwertüberschreitungen ergaben. Das Regierungspräsidium Karlsruhe ordnete daraufhin gegenüber der Beigeladenen unter Bezug auf einen mit ihr erarbeiteten Lärmminderungsplan verschiedene Maßnahmen zum Zwecke der Reduzierung der Lärmimmissionen an. Ferner legte es hinsichtlich zweier Grundstücke, zu denen nicht das des Klägers, aber das zwei Flurstücke entfernt liegende Grundstück seines Nachbarn gehört, künftig von der Beigeladenen einzuhaltende Lärmgrenzwerte fest, die einen Zwischenwert zwischen den Werten eines Gewerbegebiets und eines allgemeinen Wohngebiets darstellen. Die Beigeladene erklärte sich damit einverstanden.
Der Nachbar des Klägers in der Herrenstrietsiedlung, auf dessen Antrag auf immissionsschutzrechtliches Einschreiten gegen den Betrieb der Beigeladenen das Regierungspräsidium die Lärmgrenzwerte festlegte, sucht nicht um gerichtlichen Rechtsschutz nach. Der Kläger erhob gegen die Festlegung der Lärmrichtwerte Klage, um insbesondere zu erreichen, dass die Lärmrichtwerte für ein allgemeines Wohngebiet zugrunde gelegt werden und nicht – wie vom Regierungspräsidium Karlsruhe angenommen – höhere Werte aufgrund einer sogenannten Gemengelage zwischen unterschiedlichen benachbarten Baugebieten. Darüber hinaus verfolgt er mit seiner Klage das Ziel, das beklagte Land dazu zu verpflichten, eine ganze Reihe einzeln benannter lärmmindernder Maßnahmen gegenüber der Beigeladenen anzuordnen.
Die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Karlsruhe hat die Klage abgewiesen. Soweit sie sich gegen die vom Regierungspräsidium Karlsruhe gegenüber der Beigeladenen angeordnete Zwischenwertbildung richte, sei die Klage zwar zulässig. Insbesondere sei der Kläger klagebefugt, da eine Verletzung seiner Rechte nicht von vornherein völlig ausgeschlossen sei. Denn die Annahme einer Gemengelage durch die Behörde ermögliche grundsätzlich im Wege einer Zwischenwertbildung eine Überschreitung der maßgeblichen Lärmrichtwerte eines allgemeinen Wohngebiets. Die Klage sei aber unbegründet. Das Regierungspräsidium habe zu Recht eine Gemengelage zwischen den benachbarten Baugebieten in Bezug auf die zulässigen Lärmimmissionen angenommen, weil vorliegend – links der Enz – gewerblich genutzte und – rechts der Enz – zum Wohnen dienende Gebiete aneinandergrenzten. Die Klage habe aber insbesondere deshalb keinen Erfolg, weil das Regierungspräsidium Karlsruhe die Festlegung des Zwischenwerts allein konkret für das dem Nachbarn des Klägers gehörende Grundstück vorgenommen habe, nicht aber für jenes des Klägers. Durch die konkrete Festsetzung eines Zwischenwerts auf dem benachbarten Grundstück sei der Kläger selbst nicht in eigenen Rechten verletzt. Denn die Festlegung des Zwischenwerts bemesse sich nach den Vorgaben der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm – allgemein wie auch im vorliegenden Fall – unter Berücksichtigung der konkreten historischen, räumlichen und sonstigen Umstände der jeweiligen Grundstücke. Deshalb bedinge eine Zwischenwertbildung für ein bestimmtes Grundstück nicht zugleich auch eine Beeinträchtigung der Rechte der Eigentümer auf anderen – wenn auch nahegelegenen – Grundstücken, zumal sich die Grundstücke des Klägers und seines Nachbarn mit Blick auf die historische Entwicklung ihrer Nutzung deutlich unterschieden.
Soweit die Klage darüber hinaus auf die Verpflichtung des beklagten Lands gerichtet sei, eine ganze Reihe einzeln benannter lärmmindernder Maßnahmen gegenüber der Beigeladenen anzuordnen, hat die 2. Kammer diese als unzulässig abgewiesen. Denn der Kläger habe vor Erhebung seiner Klage nicht zunächst bei der zuständigen Behörde einen entsprechenden Antrag auf immissionsschutzbehördliches Einschreiten gestellt. Die vorherige Antragstellung – durch den Kläger selbst, bezogen auf sein Grundstück – sei aber zwingende Zulässigkeitsvoraussetzung für die von ihm erhobene Verpflichtungsklage.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten haben die Möglichkeit, hiergegen nach Zustellung des vollständigen Urteils einen Antrag auf Zulassung der Berufung beim Verwaltungsgerichthof Baden-Württemberg in Mannheim zu stellen.
Quelle: Verwaltungsgericht Karlsruhe, Pressemitteilung vom 7. Februar 2023