Mit Beschlüssen vom 03.07.2024 hat die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Göttingen den Eilanträgen mehrerer Anlieger gegen Abgaben nach der Quartierssatzung „Weender Straße / Kornmarkt“ stattgegeben (Az. 3 B 173/24 u. a.).
Das Niedersächsische Quartiergesetz (NQG) ermöglicht die Durchführung standortbezogener Maßnahmen in privater Verantwortung i. S. d. § 171f BauGB, welche durch eine Sonderabgabe der Anlieger finanziert werden. Ein Förderverein hat im Jahr 2021 zunächst die Absicht geäußert und im Juli 2023 formal beantragt, entsprechende Maßnahmen im Bereich der Fußgängerzone Weender Straße / Kornmarkt durchführen zu wollen. Das Gesamtinvestitionsvolumen belief sich danach auf knapp eine Million Euro und sollte verschiedenen Maßnahmen wie einer Verschattung im Sommer, einem Straßenhausmeisterservice, der Leerstandsaufwertung, kostenlosem WLAN, einer Kinderbetreuung für Innenstadtbesucher sowie Veranstaltungen und Werbemaßnahmen zu Gute kommen. Zu Beginn des Jahres beschloss der Rat der Stadt Göttingen antragsgemäß, ein Quartier „Weender Straße / Kornmarkt“ einzurichten, in welchem die beschriebenen Maßnahmen auf Kosten der Anlieger durchgeführt werden sollten. Im April wurden entsprechende Abgabenbescheide gegen die Anlieger erlassen.
Das Verwaltungsgericht hat nun die aufschiebende Wirkung der Klagen gegen die Abgabenbescheide angeordnet, weil die Satzung zur Errichtung des Quartiers „Weender Straße / Kornmarkt“ voraussichtlich aus verschiedenen, jeweils selbstständig tragenden Gründen nichtig sei.
Zunächst hat das Verwaltungsgericht bemängelt, dass die an die Anlieger versandten Informationsschreiben diesen nicht ermöglicht hätten, ihre Rechtsbetroffenheit zu erkennen und so durch einen Widerspruch den Erlass der Satzung zu verhindern. In dem Informationsschreiben habe jeglicher Hinweis darauf gefehlt, dass die Gestattung der Aufwertungsmaßnahme in privater Verantwortung mit einer hoheitlich durchzusetzenden Abgabenpflicht der Anlieger einhergehe. Das Gericht hat weiterhin festgestellt, dass die bauplanungsrechtliche Situation entlang des Straßenzuges Weender Straße / Kornmarkt zu inhomogen sei, um eine einheitliche Heranziehung zur Sonderabgabe zu ermöglichen. In der Satzung fehle zudem die Festsetzung eines nach dem NQG zwingend vorgesehenen, grundstückswertabhängigen Höchstbetrages der Abgabe. Die Maßnahmen seien auch nicht hinreichend spezifiziert, sodass die Maßnahmenfestsetzung im Ergebnis allein dem antragstellenden Verein, nicht aber dem dafür zuständigen Stadtrat, zugestanden habe. Eine nachvollziehbare Kostenschätzung fehle. Außerdem sei zu bemängeln, dass dem Verein allgemeine Verwaltungskosten erstattet werden sollten. Einige der geplanten Maßnahmen stellten – von der Finanzierung durch das NQG ausgenommene – Aufgaben der Stadt dar. Andere Maßnahmen bevorzugten in unzulässiger Weise einseitig bestimmte Private.Die Stadt Göttingen kann innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Beschlüsse beim Nds. Oberverwaltungsgericht in Lüneburg Beschwerde einlegen. Der im führenden Verfahren 3 B 173/24 ergangene Beschluss wird zeitnah in den Rechtsprechungsdatenbanken veröffentlicht.
(c) VG Göttingen, 05.07.2024