„Das Verwaltungsgericht Gießen sieht sich gut aufgestellt und für kommende Herausforderungen gewappnet,“ erklärte Präsident Harald Wack beim Jahrespressegespräch am 15. September 2022. An dem zweitgrößten Verwaltungsgericht in Hessen sind aktuell in zehn Kammern 35 Richterinnen und Richter sowie weitere 42 Beschäftigte tätig.


Welche Vielfalt an Themen und Problemen ein Verwaltungsgericht beschäftige, sehe man, so Wack, am besten, wenn man auf die Entscheidungen schaue. Diese hätten ihre Ursache in einem bunten Strauß gesellschaftlicher Fragen und Konflikte. Im Jahr 2021 seien insbesondere Entscheidungen im Hinblick auf Corona-Maßnahmen von öffentlichem Interesse gewesen, wie auch Verfahren aus dem Versammlungsrecht, die u.a. die Protestveranstaltungen gegen den Ausbau der A49 zum Gegenstand hatten. Aber auch in zahlreichen anderen Streitfällen spiegelten sich gesellschaftlich relevante Auseinandersetzungen wider. So habe sich das Gericht mit Fragen zur Sonntagsöffnung von Ladengeschäften, der Rechtmäßigkeit von Tötungsanordnungen nach der Geflügelpestverordnung, der Einbürgerung unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit, einem Anspruch auf Durchführung von universitären Onlineklausuren unter Corona-Bedingungen, zu Weideschlachtungen durch Kugelschuss oder zur Zulässigkeit einer Hobbypferdehaltung im Dorfgebiet, zum Ruhen einer Approbation eines Tierarztes, zur Erhöhung von Altersrenten in der Rechtsanwaltsversorgung oder zum Umfang des zulässigen Waffenerwerbs durch Jäger verhalten müssen. Im ersten Halbjahr 2022 seien es insbesondere kommunalrechtliche Entscheidungen gewesen, die öffentlich diskutiert wurden, wie z.B. die Frage der Gültigkeit der Wahl des Ausländerbeirats im Landkreis Gießen oder jüngst die Entscheidung zum eritreischen Kulturfest in den Hessenhallen. Mittlerweile seien auch nahezu alle der hier anhängigen Streitfälle um die Errichtung und den Betrieb von Windenergieanlagen entschieden worden. Seit dem Jahr 2021 sei der Hessische Verwaltungsgerichtshof insoweit erstinstanzlich zuständig.
Während im Jahresdurchschnitt 2021 die Auslastungsquote des Gerichts durchschnittlich 97,19 % betragen habe, liege sie dank eines deutlichen Abbaus von älteren Asylverwaltungsstreitverfahren im 1. Halbjahr 2022 nunmehr bei 75,14 %; die Zahl der Erledigungen überwiegt derzeit deutlich die Zahl der Neueingänge. So seien im Jahr 2021 beim Verwaltungsgericht Gießen 2.602 Asylverfahren anhängig gemacht und 3.618 Verfahren erledigt worden, während im Jahr 2018 insgesamt noch 4.377 Eingänge zu verzeichnen gewesen seien. Die Hauptherkunftsländer sind der-zeit Afghanistan, Türkei und Syrien. Die durchschnittlichen Verfahrenslaufzeiten liegen bei den klassischen Klageverfahren (Hauptsacheverfahren) bei 11,7 Monaten und in Eilverfahren (vorläufiger Rechtsschutz) bei 1,2 Monaten, im Asylbereich bei 24,8 Monaten (Hauptsache) und in den Eilverfahren bei 0,9 Monaten. Angesichts der Vielfalt und Breite der Themen, mit denen das Gericht befasst ist, und dem Umstand, dass immer wieder aktuelle Gesetzesänderungen zu berücksichtigen sind, könne man, so Präsident Wack, auf diese kurzen Laufzeiten sehr stolz sein. Ein aufgeräumtes Haus mit niedrigen Aktenbeständen sei auch eine gute Grundlage für die bevor-stehende Einführung der „elektronischen Akte“ am Verwaltungsgericht. Diese wird derzeit am VG Kassel in einem Pilotverfahren getestet und anschließend bei allen Verwaltungsgerichten der Standard werden.

Quelle: Verwaltungsgericht Gießen, Pressemitteilung vom 16. September 2022

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