Hannover 96-Fans dürfen ihren geplanten Aufzug am morgigen Feiertag in Braunschweig auf geänderter Route durchführen. Darauf haben sich die Fanhilfe Hannover und die Stadt Braunschweig als zuständige Versammlungsbehörde im Rahmen eines Eilverfahrens vor dem Verwaltungsgericht nach einem rechtlichen Hinweis des Gerichts geeinigt. Die geänderte Route führt vom Hauptbahnhof über Kurt-Schumacher-Straße, John-F.-Kennedy-Platz, Wolfenbütteler Straße und Heinrich-Büssing-Ring zurück zum Bahnhof. Dort darf eine Kundgebung stattfinden. Die Verfahrensbeteiligten haben das Eilverfahren daraufhin für erledigt erklärt. Das Gericht hat das Verfahren eingestellt.

Die Fanhilfe hatte vor, einen Aufzug in der Braunschweiger Innenstadt durchzuführen unter dem Thema „Für eine freie Fankultur ohne politische Einflussnahme. Bewegungsfreiheit für Fußballfans in Braunschweig und überall.“ Die Route sollte unter anderem über den Schlossplatz führen und in einer Kundgebung auf dem Burgplatz enden. Die Stadt Braunschweig hatte demgegenüber am 30. September angeordnet, die Versammlung dürfe aus Sicherheitsgründen, vor allem wegen des zu erwartenden gewalttätigen Aufeinandertreffens der beiden Fanszenen, nur als Kundgebung am Braunschweiger Hauptbahnhof stattfinden. Hiergegen hat die Fanhilfe gestern – am 1. Oktober – gegen 19.30 Uhr einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Braunschweig gestellt.

Das Gericht hat die Stadt vor dem Hintergrund, dass es sich bei dem geplanten Aufzug um eine grundsätzlich durch Art. 8 des Grundgesetzes geschützte Versammlung handelt, im Eilverfahren auf verschiedene aktuelle Aspekte hingewiesen; diese habe die der Anordnung zugrunde liegende polizeiliche Gefahrenprognose noch nicht berücksichtigen können: So habe der Verein Blau-Gelbe Hilfe inzwischen nach den vorliegenden Meldungen erklärt, die Eintracht-Fans seien solidarisch mit den 96-Fans; außerdem habe dieser Verein seinerseits eine Demonstration mit 500 Teilnehmern in Hannover zum selben Thema angemeldet. Daher bat das Gericht die Stadt unter Hinweis auf das Versammlungsgesetz um Darlegungen zu folgenden Fragen: Bestehen jetzt noch konkrete Anhaltspunkte für Störungen der angezeigten Versammlung? Warum ist polizeilicher Schutz auch dann ausgeschlossen, wenn der Aufzug vom Bahnhof aus über die angrenzenden vierspurigen Straßen geführt wird? Daraufhin erließ die Stadt nach Gesprächen mit der Fanhilfe einen Änderungsbescheid, der einen Aufzug auf der Alternativroute gestattet. Dem lag eine geänderte Gefahrenprognose der Polizei für diese Route zugrunde. Auf dieser Grundlage haben die Verfahrensbeteiligten das Eilverfahren für erledigt erklärt.

Hinweis: Der unanfechtbare Einstellungsbeschluss des Gerichts vom 02.10.2024 enthält keine inhaltlichen Ausführungen zum Eilantrag (Aktenzeichen 5 B 349/24). Das Gericht hat dem Eilantrag – entgegen einigen Darstellungen in der Öffentlichkeit – nicht stattgegeben: Weil die Beteiligten das Verfahren für erledigt erklärt haben, musste das Gericht nicht mehr über den Eilantrag entscheiden.

Zum Sachverhalt im Einzelnen:

Die Fanhilfe Hannover hatte bei der Stadt Braunschweig für den 3. Oktober angezeigt, einen Aufzug durch die Braunschweiger Innenstadt mit abschließender Kundgebung auf dem Burgplatz durchführen zu wollen. Am 30. September ordnete die Stadt an, die Versammlung dürfe ausschließlich stationär am Braunschweiger Hauptbahnhof stattfinden. Zur Begründung führte die Stadt aus, nach der Bewertung der Polizei könne der Schutz der Versammlung und der Teilnehmenden sowie die öffentliche Sicherheit in der Stadt nicht gewährleistet werden, wenn der Aufzug durch die Braunschweiger Innenstadt führe. Es sei mit hohen Personen- und nicht unerheblichen Sachschäden zu rechnen. Nach polizeilichen Erkenntnissen seien 500 Teilnehmer zu erwarten und somit ca. 200 gewaltbereite Angehörige der „Risikoszene Hannover“. Vor dem Hintergrund des extrem feindschaftlichen Verhältnisses zwischen den Fanszenen von Hannover 96 und Eintracht Braunschweig müsse davon ausgegangen werden, dass ein Aufzug kurz vor dem Derby am 6. Oktober von der Heimfanszene „als ultimativ denkbare Provokation“ wahrgenommen werde. Die Braunschweiger Seite, die aus bis zu 400 gewaltbereiten Angehörigen der Risikoszene bestehe, werde unter maximaler Gewaltanwendung versuchen, den Aufzug zu stoppen. Zu berücksichtigen sei auch, dass beide Risikoszenen mittlerweile keine Skrupel mehr hätten, Pyrotechnik gegen Unbeteiligte und Polizeikräfte einzusetzen.

In ihrem Eilantrag beim Verwaltungsgericht Braunschweig berief sich die Fanhilfe auf die grundrechtlich geschützte Versammlungsfreiheit. Diese verlange, Maßnahmen gegen den Störer der Versammlung zu richten, hier also gegen die gewaltbereite Risikoszene der Eintracht. Bei der Gefahrenprognose sei zu berücksichtigen, dass die Fanszenen beider Mannschaften im September 2018 in Hannover schon einmal friedlich gegen eine „Verschärfung des Polizeigesetzes“ demonstriert hätten. Außerdem habe die Braunschweiger Ultra-Szene alle Eintracht-Fans vor der Versammlung dazu aufgerufen, sich solidarisch mit dem „größten Rivalen“ zu zeigen; die Braunschweiger Fanszene habe in Hannover selbst eine Versammlung zu dem Thema angezeigt.

Zum Hintergrund der Versammlung:

Laut Eilantrag der Fanhilfe Hannover soll mit der Versammlung in Braunschweig auf die Entscheidung der Vereinsspitzen von Eintracht und 96 reagiert werden, den Gastvereinen, „wohl auf Druck der Politik, das Kartenkontingent um 40 Prozent zu streichen“. Weiter heißt es im Eilantrag: „D.h., dass der Turn- und Sportverein in Braunschweig den Hannoveraner Fans, wie in den Medien nachzulesen ist, auf Druck der Politik 40 Prozent weniger Karten für das nächste Spiel in Braunschweig zur Verfügung stellen wird. Gegen diese ,Politik‘  des Vereins in Braunschweig richtet sich der Protest.“

(c) VG Braunschweig, 02.10.2024

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