Die polizeiliche Anwendung von Nervendrucktechniken und sogenannten Schmerzgriffen, um den Teilnehmer einer zuvor aufgelösten Versammlung von der Fahrbahn der Straße des 17. Juni zu entfernen, war rechtswidrig. Das hat das Verwaltungsgericht Berlin entschieden.

Der Kläger ist Anhänger der Protestbewegung „Letzte Generation“. Im April 2023 beteiligte er sich mit mehreren anderen Personen an einer Sitzblockade auf der Fahrbahn der Straße des 17. Juni. Nach Auflösung der Versammlung forderte ein Polizeivollzugsbeamter ihn auf, sich von der Fahrbahn zu entfernen, andernfalls werde er unmittelbaren Zwang anwenden, der mit der Zufügung von Schmerzen verbunden sei. Als der Kläger der Aufforderung nicht nachkam, entfernten ihn Polizeikräfte von der Fahrbahn, wobei sie Nervendrucktechniken und Schmerzgriffe anwandten. Der Kläger äußerte hierbei „Lassen Sie mich einfach sitzen“ und begann, lautstark vor Schmerzen zu schreien. Mit seiner Klage begehrt er die Feststellung, dass das polizeiliche Handeln rechtswidrig war. Er meint, für die Anwendung der Nervendrucktechniken und der Schmerzgriffe existiere keine Rechtsgrundlage. Jedenfalls sei deren Einsatz unverhältnismäßig gewesen. Die Polizeibeamten hätten ihn einfach von der Fahrbahn tragen können, mit einer Widerstandshandlung seinerseits sei nicht zu rechnen gewesen.

Die 1. Kammer hat der Klage stattgegeben. Der Einsatz von Nervendrucktechniken und Schmerzgriffen sei rechtswidrig gewesen. Deren Anwendung sei eine Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung, die grundsätzlich auf die gesetzlichen Vorschriften über den unmittelbaren Zwang gestützt werden könne, auch wenn dies regelmäßig mit einem gewissen Maß an physischer (Schmerz-)einwirkung auf den Körper des Betroffenen verbunden sei. Im Falle des Klägers sei dies jedoch unverhältnismäßig gewesen. Der Einsatz sei nicht erforderlich gewesen, weil die Polizeikräfte den Kläger von der Fahrbahn hätten wegtragenkönnen. Zum Zeitpunkt des Entfernens des Klägers hätten sich nur noch wenige Personen auf der Fahrbahn befunden und es hätten ausreichend Einsatzkräfte zur Verfügung gestanden. Es hätten keine Anhaltspunkte dafür bestanden, dass der Kläger sich – über verbalen und passiven Widerstand hinaus – aktiv gegen das Wegtragen wehren würde, etwa durch Tritte oder Schläge.

Gegen das Urteil kann der Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg gestellt werden.

Urteil der 1. Kammer vom 20. März 2025 (VG 1 K 281/23)

VG Berlin, 20.03.2025

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