Der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen hat durch Beschluss vom 15. August 2024 entschieden, dass die Regelungen zum Tragen einer Mund-Nasenbedeckung in § 3, § 9 Abs. 2 Satz 1, 2 und 4, § 10 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a der Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt zum Schutz vor dem Coronavirus SARS-CoV-2 und COVID-19 (Sächsische Corona-Schutz-Verordnung – SächsCoronaSchVO) vom 30. Oktober 2020 (SächsGVBl. S. 557) mit der Verfassung des Freistaates Sachsen vereinbar sind. Hinsichtlich aller sonstigen Bestimmungen der Verordnung ist der Antrag mangels ausreichender Begründung durch die Antragsteller bereits unzulässig, so dass eine inhaltliche Prüfung nicht vorgenommen werden konnte.

Die Verordnung enthielt u.a. Kontaktbeschränkungen und Abstandsgebote, Besuchs- und Betretungsregelungen für Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens, die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasenbedeckung (nicht einer sogenannten FFP-2 Maske) allgemein und auf Versammlungen, Regelungen zur Schließung von Einrichtungen und Angeboten sowie die dazugehörigen Bestimmungen zu Ordnungswidrigkeiten.

Die Antragsteller, 38 Mitglieder der Fraktion der Alternative für Deutschland (AfD) im 7. Sächsischen Landtag, machten im Wege der abstrakten Normenkontrolle (vgl. Pressemitteilung vom 3. November 2020) geltend, die Sächsische Corona-Schutz-Verordnung vom 30. Oktober 2020 sei insgesamt verfassungswidrig und nichtig.

Der Verfassungsgerichtshof hat den Antrag im Hinblick auf die allgemeinen Regelungen zum Tragen einer Mund-Nasenbedeckung (§ 3 der Verordnung), auch bei Versammlungen (§ 9 der Verordnung) und zu den Voraussetzungen einer Ordnungswidrigkeit bei Verstößen hiergegen (§ 10 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a der Verordnung) für zulässig und offensichtlich unbegründet erachtet.

Die Regelungen der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung zum Tragen einer Mund-Nasenbedeckung waren mit der Sächsischen Verfassung vereinbar.

Für die geprüften Regelungen bestand eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage in den
§§ 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1, 2 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG).

Diese Rechtsgrundlage, welche durch den Verfassungsgerichtshof am Maßstab des Grundgesetzes nur beschränkt auf offenkundige Verstöße geprüft werden konnte, widersprach dem Parlamentsvorbehalt und dem Bestimmtheitsgebot nicht offenkundig, sie war zudem nicht offenkundig unverhältnismäßig. Der von einer Mund-Nasenbedeckung ausgehende Grundrechtseingriff wog nicht so schwer, dass sich daraus im Hinblick auf die Ausübung der allgemeinen Handlungsfreiheit und des Persönlichkeitsrechts die Notwendigkeit einer parlamentsgesetzlichen Regelung ergab. Der ebenfalls aus dem Bestimmtheitsgebot erwachsenden Verpflichtung, die Ermächtigungsgrundlage an die weitere Entwicklung anzupassen, ist der Bundesgesetzgeber mit der ab dem 18. November 2020 geltenden Neufassung des § 28 IfSG und mit der Einführung des § 28a IfSG ausreichend nachgekommen.

Die Verordnung wurde ohne formelle Mängel ordnungsgemäß erlassen und stand mit der bundesgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage im Einklang. Der Verordnungsgeber ging bei seiner Gefahrenprognose nicht von offensichtlich fehlerhaften Erwägungen aus, insbesondere ist zu berücksichtigen, dass sich in der zu betrachtenden Zeit die Zahl der mit dem Corona Virus infizierten Menschen etwa alle sieben und der Zahl der Intensivpatienten etwa alle zehn Tage verdoppelte. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn es zur Vermeidung einer akuten nationalen Gesundheitsnotlage als erforderlich angesehen wurde, durch eine erhebliche Reduzierung der Kontakte in der Bevölkerung insgesamt das Infektionsgeschehen aufzuhalten und die Zahl der Neuinfektionen wieder auf eine nachverfolgbare Größenordnung zu senken.

Das Tragen einer Mund-Nasenbedeckung wurde von der Verordnungsermächtigung umfasst. Es handelte sich dabei um eine Ausformung der nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 IfSG eröffneten Möglichkeit, Personen zu verpflichten, näher bestimmte Orte oder öffentliche Orte nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten. Das Ausmaß der Maßnahmen bewegte sich in dem von den Ermächtigungsnormen gesetzten Rahmen, der weite Adressatenkreis der Regelung ermöglichte infektionsschutzrechtliche Maßnahmen auch gegenüber infektionsschutzrechtlichen »Nichtstörern« und damit der Allgemeinheit.

Durch die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasenbedeckung sind keine Grundrechtsverletzungen eingetreten.

So bestehen keine belastbaren Erkenntnisse dafür, dass das Tragen einer Mund-Nasenbedeckung geeignet ist, eine Gesundheitsgefährdung (Art. 16 Abs. 1 der Sächsischen Verfassung – SächsVerf – Recht auf körperliche Unversehrtheit) hervorzurufen. Die von den Antragstellern hierfür vorgebrachten Ergebnisse eines Gutachtens aus dem Jahr 2004 sind veraltet und auf die durch das Corona-Virus ausgelöste Pandemielage nicht übertragbar.

Sowohl die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasenbedeckung als auch die Bußgeldbewehrung zur Durchsetzung greifen in den Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 15 SächsVerf) ein, sie waren jedoch gerechtfertigt. Der Verordnungsgeber hat das Verhältnismäßigkeitsprinzip beachtet, insbesondere bestand die Gefahr eines Zusammenbruchs des gesamten Gesundheitswesens durch einen ungebremsten Anstieg der mit COVID-19 erkrankten Menschen. Demgegenüber handelt es sich bei der auferlegten Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasenbedeckung um eine relativ geringfügige Beeinträchtigung, die durch die Regelung von Ausnahmen abgemildert war. So ließen entgegenstehende gesundheitliche Gründe im Einzelfall bereits nach § 3 Abs. 2 SächsCoronaSchVO die Tragepflicht entfallen. Als Ausformung des Verhältnismäßigkeitsprinzips verstießen die vorgesehenen Ausnahmen auch nicht gegen den Gleichheitssatz nach Art. 18 SächsVerf.

Einer mündlichen Verhandlung bedurfte es nicht, weil die Entscheidung über den offensichtlich unbegründeten bzw. unzulässigen Antrag durch einstimmigen Beschluss getroffen wurde.

(c) Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen – Vf. 197-II-20

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