Der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen hat durch Beschluss vom 19. September 2024 entschieden, dass durch die am 19. November 2021 erfolgte Wahl der vom Sächsischen Landtag in den Rundfunkrat des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) zu entsendenden Abgeordneten weder Rechte der Fraktion der Alternative für Deutschland (AfD, Antragstellerin zu 1) noch der von ihr entsandten Mitglieder im Ausschuss für Geschäftsordnung und Immunitätsangelegenheiten (Antragsteller zu 2) verletzt wurden. Bereits im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes war der Antrag erfolglos [Beschluss vom 10. Februar 2022 – Vf. 133-I-21 (e.A.)].

Am 19. November 2021 wählte der Sächsische Landtag drei Abgeordnete als Vertreter des Landtags in den MDR-Rundfunkrat. Die nötige Stimmenanzahl erhielten die Wahlvorschläge der Fraktionen der Christlich Demokratischen Union (CDU), der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) und der Fraktion DIE LINKE. Der Kandidat der AfD erreichte nicht die erforderliche Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder.

Vorausgegengen war eine grundsätzlich mögliche, von den Fraktionen CDU,
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD beantragte und von der Mehrheit der anwesenden Abgeordneten (77 zu 34 Stimmen) angenommene Abweichung von der Geschäftsordnung des Sächsischen Landtages. Die Geschäftsordnung sieht an sich vor, dass die Kandidaten für derartige Wahlen nach dem Stärkeverhältnis der jeweiligen Fraktionen aufgestellt werden. Danach hätte die Fraktion der CDU das Vorschlagsrecht für zwei und die Fraktion der AfD für einen der drei zu entsendenden Abgeordneten zugestanden. Durch die beschlossene Abweichung konnten alle Fraktionen Kandidaten zur Wahl stellen. Im Vorfeld der beantragten Änderung der Geschäftsordnung haben die Antragsteller erfolglos eine formelle Überweisung des Änderungsantrages durch den Präsidenten des Sächsischen Landtages in den Geschäftsordnungsausschuss und eine öffentliche Anhörung von Sachkundigen beantragt.

Die Antragssteller sehen sich durch das – in Abweichung von der Geschäftsordnung ohne Berücksichtigung ihres Überweisungs- und Anhörungsantrages – durchgeführte Wahlverfahren und die Nichtwahl ihres Kandidaten insbesondere in ihrem aus Art. 39 Abs. 3 der Sächsischen Verfassung hergeleiteten Recht auf gleichberechtigte Teilhabe und Chancengleichheit verletzt.

Der Verfassungsgerichtshof hat den Antrag im Hinblick auf die Abweichung vom Wahlverfahren für zulässig und offensichtlich unbegründet erachtet.

Die Aufstellung von Kandidaten aller Fraktionen verletzt die Antragstellerin zu 1. nicht in ihren Rechten als Fraktion. Entgegen ihrer Auffassung ist es verfassungsrechtlich nicht geboten, die in den Rundfunkrat zu wählenden Kanditen nach dem Stärkeverhältnis der Fraktionen zu bestimmen. Dies ist nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung nur dann erforderlich, wenn das Gremium als verkleinertes Abbild des Parlaments wesentliche Aufgaben des Plenums wahrnimmt (Grundsatz der Spiegelbildlichkeit). Die Aufgaben des Rundfunkrates sind nicht spezifisch parlamentarischer Natur, sondern dienen dem Interesse der Allgemeinheit und der Sicherung der Rundfunkfreiheit, er ist zudem in die innere Organisation des Landtages nicht eingebunden. Auch aus der Verfassung folgt kein Parlamentsauftrag zur Kontrolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der eine gleichberechtigte Teilhabe der Fraktionen rechtfertigen könnte.

Die übrigen Anträge sind unzulässig.

Soweit die Antragsteller die Auffassung vertreten, die unterlassene formelle Überweisung des Änderungsantrages durch den Landtagspräsidenten sowie die Ablehnung der beantragten öffentlichen Anhörung von Sachkundigen durch den Geschäftsordnungsausschuss verletzte sie in ihren verfassungsrechtlichen Teilhaberechten, legen sie nicht ausreichend dar, dass in der Abweichung oder behaupteten fehlerhaften Anwendung der Geschäftsordnung ein verfassungsrechtlich beachtlicher Verstoß vorliegen kann. Die Prüfung der Anwendung und Auslegung der Geschäftsordnung durch das Parlament beschränkt sich nach der Rechtsprechung der Verfassungsgerichte grundsätzlich nur darauf, ob diese evident sachwidrig und damit willkürlich ist.

Die Antragstellerin zu 1 legt auch nicht in ausreichendem Umfang dar, warum sie durch die Nichtwahl ihres Kandidaten in ihren Rechten verletzt sein könnte. Aus den Teilhabeansprüchen einer Fraktion folgt grundsätzlich weder ein Anspruch auf ein bestimmtes Wahlergebnis noch auf Schutz vor der Aufstellung weiterer Kandidaten. Ob und unter welchen Umständen es im Einzelfall von Verfassungs wegen geboten sein kann, verfahrensmäßige Vorkehrungen zur Wahrnehmung des einer Fraktion eingeräumten Vorschlagsrechts zu treffen, führen die Antragsteller ebenfalls nicht aus.

Der Verfassungsgerichtshof ist zu dieser Entscheidung einstimmig gelangt. Einer mündlichen Verhandlung bedurfte es daher nicht.

Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen – Vf. 132-21 (HS)

(c) VerfGH Leipzig, 23.09.2024

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