Beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof sind im vergangenen Jahr insgesamt 93 neue Verfahren eingegangen. Damit hat sich die Zahl der Neueingänge im Jahr 2022 – nach dem aufgrund der Corona-Pandemie außergewöhnlich hohen Niveau der Jahre 2020 und 2021 – normalisiert.


• Die Mehrzahl der Verfahren (66) sind Verfassungsbeschwerden, mit denen sich Bürgerinnen und Bürger gegen behördliche und/oder gerichtliche Entscheidungen wen-den, weil sie sich in ihren durch die Bayerische Verfassung gewährleisteten Rechten verletzt fühlen.


• 18 neue Popularklagen richten sich gegen gesetzliche Vorschriften. Betroffen sind in erster Linie Bestimmungen bayerischer Landesgesetze, wie z. B. Normen des Bayerischen Lobbyregistergesetzes, des Polizeiaufgabengesetzes oder des Bayerischen Grundsteuergesetzes. Daneben werden auch Rechtsverordnungen zur Überprüfung gestellt, wobei nach den zahlreichen Popularklagen aus den Jahren 2020/2021 gegen im Zusammenhang mit der Pandemiebekämpfung erlassene Vorschriften im vergangenen Jahr nur noch drei neue Verfahren gegen Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnungen anhängig gemacht wurden. Weitere Popularklagen beziehen sich beispielsweise auf Bestimmungen im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag oder auf die Geschäftsordnung eines Stadtrats.


• Von einer Oppositionsfraktion im Bayerischen Landtag wurden drei Meinungsverschiedenheiten neu anhängig gemacht. Diese richten sich gegen das Haushaltsgesetz 2022, gegen eine Regelung zur Errichtung weiterer auswärtiger Senate des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in Ansbach und gegen Normen des Bayerischen Hochschulinnovationsgesetzes. Eine weitere, von einer anderen Oppositionsfraktion eingeleitete Meinungsverschiedenheit betrifft im Jahr 2021 erfolgte Änderungen des Polizeiaufgabengesetzes.


• In fünf Fällen haben Anträge von Oppositionsfraktionen und/oder Abgeordneten des Bayerischen Landtags zur Einleitung von Organstreitverfahren geführt.


Den 93 Neueingängen stehen ebenso viele im Jahr 2022 erledigte Verfahren gegenüber.


• Erledigt wurden u. a. 70 Verfassungsbeschwerden, davon 15 durch Entscheidung der mit jeweils neun Verfassungsrichtern besetzten Spruchgruppe. Gegenstand der erledigten Verfassungsbeschwerdeverfahren waren überwiegend zivil-, straf- und verwaltungsgerichtliche Urteile und Beschlüsse. Erfolg hatten zwei Verfassungsbeschwer-den, wobei die langfristige statistische Erfolgsquote bei 2,33 % liegt und damit in etwa der Größenordnung für vergleichbare Verfahren beim Bundesverfassungsgericht entspricht.


• Der Verfassungsgerichtshof hat ferner über zehn Popularklagen entschieden. Diese betrafen beispielsweise die sog. Zuverlässigkeitsüberprüfung durch die Polizei gemäß Art. 60 a des Polizeiaufgabengesetzes (PAG), die Bestimmungen zur Einführung des Islamischen Unterrichts ab dem Schuljahr 2021/2022 im Bayerischen Ge-setz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) oder Regelungen in der Gemeindeordnung zum Einsatz und Betrieb elektronischer (Funk-)Wasserzähler. Keine der Popularklagen, über die der Verfassungsgerichtshof im Jahr 2022 entschied, hatte Erfolg; im langjährigen Durchschnitt beträgt die Erfolgsquote bei Popularklagen ca. 9,13 %.


• Ein Wahlprüfungsverfahren zur Landtagswahl 2018 hatte keinen Erfolg.
Darüber hinaus hat der Verfassungsgerichtshof zwei Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Zusammenhang mit Popularklagen und weitere zwei in Organstreit-verfahren abgelehnt. Betroffen waren Bestimmungen des Bayerischen Lobbyregistergesetzes und der 15. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung sowie Maß-nahmen der Landtagspräsidentin zur Pandemiebewältigung im Maximilianeum.

Quelle: Bayerischer Verfassungsgerichtshof, Pressemitteilung vom 19. Januar 2023

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