Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat mit einem den Beteiligten soeben zugestellten Beschluss der Beschwerde des Veranstalters einer Demonstration auf dem Katholikentag teilweise stattgegeben.
Die Landeshauptstadt Stuttgart wies der für die Dauer des Katholikentags geplanten Versammlung, einer Kunstaktion zum Thema „Religionsfreie Zone auf dem Katholikentag 2022“ einen abweichenden Versammlungsort auf dem Stauffenbergplatz zu. Der Abhaltung der Kunstaktion auf der Königstraße im Bereich des Kunstmuseums stünden Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung entgegen. Bei Abhaltung der Versammlung mit einem Platzbedarf von 33 auf 11 Metern auf dem als Versammlungsort angegebenen Gelände seien sichere Entfluchtungsmöglichkeiten für das Gebiet des Schlossplatzes ebenso wenig gewährleistet wie eine sichere Zufahrt von Rettungsfahrzeugen. Zudem dürfe der Veranstalter der Aktion ein Promotionsfahrzeug mit den Schriftzügen „Herrgott! Wie kann es sein, dass du ein ganzes Universum erschaffst, aber dein Personal so überhaupt nicht im Griff hast?!“ und „KIRCHENSTAAT? NEIN DANKE. 100 JAHRE VERFASSUNGSBRUCH SIND GENUG. WWW.SCHLUSSMACHEN.JETZT“ nicht aufstellen.
Einen gegen diese Auflagen gerichteten Eilantrag lehnte das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Beschluss vom 25. Mai 2022 ab (s. Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts vom 25. Mai 2022). Hiergegen erhob der Veranstalter der Aktion Beschwerde zum VGH.
Der 1. Senat des VGH hat der Beschwerde teilweise stattgegeben.
Der Veranstalter habe keinen Anspruch auf Durchführung der Versammlung vor dem Kunstmuseum. Zu Recht habe die Landeshauptstadt dem Veranstalter die angemeldete Versammlungsfläche auf der Königstraße vor dem Kunstmuseum versagt. Diese Fläche liege in der Hauptfluchtrichtung eines der vorgesehenen Entfluchtungskorridore für die erwarteten 30.000 bis 35.000 Besucher auf dem Schlossplatz. Die Prognose, dass im Falle des von dem Antragsteller beabsichtigten Aufbaus von unbeweglichen, voluminösen und bis zu 13 m langen Kunstobjekten, die über Kleinstobjekte oder eine reine Menschenansammlung hinausgingen, im Bedarfsfall nicht sichergestellt sei, dass der Entfluchtungsraum hinreichend schnell frei sei, sei nicht zu beanstanden. Mit dem Stauffenbergplatz stehe dem Veranstalter für sein kritisches Anliegen ein Ort in unmittelbarer räumlicher Nähe zum Katholikentag zur Verfügung.
Die Beschwerde sei jedoch begründet, soweit die Landeshauptstadt die Aufstellung des beschrifteten Promotionsfahrzeugs untersagt habe. Die Versammlungsfreiheit schütze das Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters, über die Mittel, mit denen er sein kommunikatives Anliegen zum Ausdruck bringen möchte, frei zu entscheiden. Das beschriftete Promotionsfahrzeug sei daher ein zulässiges Ausdrucksmittel der angemeldeten Versammlung, weil es nicht zu Verkehrszwecken, sondern unmittelbar im Sinne des kommunikativen Anliegens des Protestes genutzt werden solle. Zudem befinde sich in ihm notwendige Technik für die Installation. Gefährdungen der Besucher durch Fahrbewegungen seien nicht zu befürchten, da das Promotionsfahrzeug – wie z.B. auch Imbisswagen – nur abgestellt werden solle.
Der Beschluss des VGH ist unanfechtbar (1 S 1203/22).
Quelle: Oberverwaltungsgericht Baden-Württemberg, Pressemitteilung vom 27. Mai 2022