Mit dem Ziel einer weiteren Verbesserung der Verfolgung antisemitischer Straftaten haben die Generalstaatsanwaltschaft Hamburg und das Landeskriminalamt Hamburg einen gemeinsa-men Bearbeitungsleitfaden entwickelt, der ab Mai 2023 bei Polizei und Staatsanwaltschaft zur Anwendung kommt. Antisemitismus tritt oft nicht offen zutage, sondern stellt ein vielschichtiges Phänomen mit heterogenem Erscheinungsbild dar. Eine effektive Strafverfolgung setzt daher das Erkennen judenfeindlicher Tatmotive voraus. Neben einschlägigen Indikatoren zum Erkennen judenfeindlicher Tatmotive und Symbole enthält das Arbeitspapier daher auch mehrere Beispiele für besonders markante antisemitische Straftaten in Hamburg. Hier ist die Zahl statistisch erfasster Vorfälle in den vergangenen Jahren wie im Bundestrend gestiegen. Selbst wenn deren prozentualer Anteil unter allen Straftaten weiterhin gering erscheint, bleibt die Entwicklung als solche besorgniserregend. Im Leitfaden heißt es daher unter anderem, die nachhaltige Aufklärung und Verfolgung antisemitischer Straftaten sei eine der vorrangigsten Aufgaben von Polizei und Staatsanwaltschaft, die grundlegende Bekämpfung des Antisemitismus darüber hinaus jedoch auch Auftrag und Verpflichtung der Gesellschaft schlechthin.
Die Bearbeitung antisemitischer Delikte erfolgt in Hamburg vorrangig durch das Landeskriminalamt 7 – Abteilung Staatsschutz. Bei der Staatsanwaltschaft Hamburg liegt die Verfahrenshoheit in Abteilung 71 (Staatsschutzdelikte). In besonders herausragenden Fällen wird die Zentralstelle Staatsschutz der Generalstaatsanwaltschaft Hamburg tätig. Der dortige Abteilungsleiter fungiert gegenüber Behörden, NGOs und anderen Organisationen zugleich als Ansprechpartner für alle strafrechtlichen Erscheinungsformen des Antisemitismus. Außerdem findet bereits seit langem ein enger fachlicher Austausch unter den Generalstaatsanwalt-schaften der Länder statt, an dem über die Zentralstelle Staatsschutz auch Hamburg teilnimmt.
Nach der Arbeitsdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) wird Antisemitismus umschrieben als eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nicht-jüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen. Laut Bearbeitungsleitfaden werden Straftaten dann als antisemitisch eingestuft, wenn das Angriffsziel nur aufgrund einer vom Täter angenommenen Verbindung zum Judentum oder dem jüdischen Leben ausgewählt wurde. Unerheblich ist, ob diese Verbindung tatsächlich zutrifft. Die Straftaten können sich gegen eine Person, gegen jüdische Einrichtungen, Gebäude oder Sachwerte sowie gegen das Judentum im Allgemeinen richten.
Sobald ein antisemitisches Motiv erkannt wurde, wird die Tat in bundesweit einheitlichen Melderegistern erfasst. Die Staatsanwaltschaft bejaht in solchen Fällen prinzipiell das öffentliche oder besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung. Eine Verfahrenseinstellung aus Opportunitätsgründen kommt bei antisemitischen Straftaten nur äußerst selten in Betracht. Schon in der Anklage wird fernerhin auf antisemitische Beweggründe als strafschärfendes Moment hingewiesen. Die Sitzungsvertretung übernehmen in der Regel Spezialdezernentinnen und -dezernenten der Staatsanwaltschaft. Überdies werden von der Polizei stets Maßnahmen des Zeugenschutzes geprüft.
Generalstaatsanwalt Dr. Jörg Fröhlich: „Der Katalog aller von uns bereits ergriffenen Maßnahmen zeigt, dass wir antisemitische Straftaten sehr ernst nehmen und ihnen in Hamburg keinen Millimeter Raum lassen wollen. Der gemeinsame Praxisleitfaden von Polizei und Staatsanwaltschaft stellt einen weiteren Meilenstein in unserer Arbeit dar. Ich bin optimistisch, dass wir mit ihm vor allem im Bereich der Sensibilisierung für diese wahrlich erschreckende Form von Kriminalität große Fortschritte erzielen werden.
Polizeipräsident Ralf Martin Meyer: „Der Leitfaden unterstreicht unsere klare gemeinsame Haltung gegen Antisemitismus und fördert die Handlungssicherheit der Kolleginnen und Kollegen. Er ist auch ein wichtiges Zeichen an die jüdische Gemeinschaft in Hamburg: Wir stehen mit all unserer Kraft für Sie ein.“
Antisemitismusbeauftragter der Freien und Hansestadt Hamburg Stefan Hensel: „Der neue Leitfaden ist ein wichtiges Zeichen seitens der Polizei und Staatsanwaltschaft dafür, dass dem wachsenden Antisemitismus in Hamburg entschieden entgegengetreten wird. Für eine effektive Strafverfolgung judenfeindlicher Taten und Symboliken ist es besonders wichtig, die Sensibilisierung für die vielschichten Erscheinungsformen von Antisemitismus in den Sicherheitsbehörden weiter voran zu treiben. Dazu kann der erarbeitete Praxisleitfaden einen wichtigen Beitrag leisten.“
Quelle: Staatsanwaltschaft Hamburg, Pressemitteilung vom 8. Mai 2023