Das Landesverfassungsgericht hat heute entschieden, dass der kommunale Finanzausgleich in Schleswig-Holstein teilweise neu geregelt werden muss (Az. LVerfG 5/21). Es hat dem Gesetzgeber eine Frist bis zum 31. Dezember 2024 gesetzt, um die Höhe der Teilschlüsselmasse, aus der die sogenannten Zentralen Orte finanzielle Zuweisungen erhalten, orientiert an deren tatsächlichen Bedarfen und auf der Grundlage geeigneter Zahlen neu festzulegen.
Das Gericht stellt in dem Urteil zunächst klar, dass die Berücksichtigung der besonderen Bedarfe der Zentralen Orte für die Erfüllung übergemeindlicher Aufgaben im Rahmen des Finanzausgleichs mit der Landesverfassung vereinbar ist. Darin liegt kein Verstoß gegen den Grundsatz, dass das Land die Gemeinden bei der Zuweisung finanzieller Mittel gleich behandeln muss („interkommunales Gleichbehandlungsgebot“). Für die zusätzlichen Zuweisungen an die Zentralen Orte gibt es einen ausreichenden sachlichen Grund. Denn diese müssen nach dem Landesplanungsrecht ihre öffentlichen Einrichtungen und ihre sonstige Aufgabenerfüllung so dimensionieren, dass diese auch von den Einwohnerinnen und Einwohnern der Umgebung des jeweiligen Ortes genutzt werden können. Die nicht-zentralen Gemeinden werden dadurch entlastet.
Auch dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Finanzausgleichs an die Kategorien des Landesplanungsrechts anknüpft, ist mit der Landesverfassung vereinbar. Der Gesetzgeber hat insoweit einen weiten Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum. Dieser wird nicht überschritten, wenn das in Schleswig-Holstein seit über 50 Jahren etablierte und fachlich nie in Frage gestellte System für Zuweisungen an Zentrale Orte fortgeführt wird. Der Gesetzgeber kann sich bei der Zuweisung von Mitteln für die Wahrnehmung übergemeindlicher Aufgaben im Rahmen des Finanzausgleichs daran orientieren, inwieweit eine Gemeinde gesetzlich verpflichtet ist, Einrichtungen vorzuhalten, die von der Bevölkerung der Umlandgemeinden mitgenutzt werden.
Die konkrete Gesamthöhe der Zuweisungen an die Zentralen Orte wurde jedoch nicht in einer den Anforderungen der Landesverfassung entsprechenden Weise bedarfsorientiert ermittelt. Bei der Festlegung der Höhe der Zuweisungen an Kreise und kreisfreie Städte, Gemeinden und Zentrale Orte muss sich der Gesetzgeber an dem aus den jeweiligen Aufgaben folgenden Bedarf orientieren. Die Erwägungen, die er dabei angestellt hat, müssen im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens offengelegt werden.
Der Gesetzgeber hat die Quote der Zuweisungen für Zentrale Orte aus der Vorgängerregelung mit rechnerischen Anpassungen, aber ohne eine neue Bedarfsermittlung in die Neuregelung des Finanzausgleichs übernommen und dadurch auch die Höhe der Zuweisungen für die Gemeinden mitbestimmt. Das von der Landesregierung zuvor in Auftrag gegebene Gutachten hatte einen Verzicht auf die gesonderte Zuweisung an die Zentralen Orte vorgeschlagen und deshalb gar keine entsprechenden Berechnungen enthalten. Deshalb griff der Gesetzgeber auf ein der vorherigen Regelung des Finanzausgleichs zugrundeliegendes Gutachten zurück und schrieb die Zuweisungshöhe für die Zentralen Orte fort. Die damalige Bedarfsermittlung hatte das Landesverfassungsgericht jedoch mit Urteil vom 27. Januar 2017 beanstandet. Die Vorgaben aus diesem Urteil wurden bei der Neuregelung im Jahr 2020, die Gegenstand des jetzigen Verfahrens war, nicht berücksichtigt.
Im Übrigen darf sich der Gesetzgeber nicht darauf beschränken, einmal festgesetzte Werte, Größenordnungen und Prozentzahlen in den folgenden Finanzausgleichsgesetzen schlicht fortzuschreiben. Er muss sich jedes Mal erneut überzeugen, dass diese geeignet sind und hierzu aktualisierte Erwägungen anstellen.
Das Landesverfassungsgericht hat die jetzige Ausgestaltung des Finanzausgleichs nicht mit sofortiger Wirkung für nichtig erklärt, weil dadurch die geordnete Finanz- und Haushaltswirtschaft der Gemeinden gefährdet würde. Die Vorschriften sind bis zum Inkrafttreten der Neuregelung weiterhin anzuwenden.
Quelle: Landesverfassungsgericht Schleswig-Holstein, Pressemitteilung vom 17. Februar 2023