Die Eingangszahlen der rheinland-pfälzischen erstinstanzlichen Verwaltungsgerichte in Koblenz, Mainz, Neustadt an der Weinstraße und Trier sind im Jahr 2021 gegenüber dem Vorjahr erneut leicht zurückgegangen, nachdem sie aufgrund des massiven Anstiegs der Asylzahlen ab dem Jahr 2015 einen Höchststand im Jahr 2017 erreicht hatten. So sind an den vier Verwaltungsgerichten in Rheinland-Pfalz im Jahr 2021 insgesamt 7.346 Verfahren eingegangen, während es im Vorjahr (in 2020) 7.613 Verfahren waren. Beim Oberverwaltungsgericht sind die Eingangszahlen im Jahr 2021 gegenüber dem Vorjahr ebenfalls zurückgegangen, nämlich von 1.707 auf 1.563 Verfahren.
Der Rückgang der Eingänge bei den erstinstanzlichen Verwaltungsgerichten beruht im Wesentlichen auf einer entsprechenden Abnahme der Asylverfahren. Im Bereich des Asylrechts sind die Eingangszahlen gegenüber dem Vorjahr (2020) von 3.546 auf 3.104 Verfahren gesunken. Trotz des Rückgangs in den letzten fünf Jahren sind die Eingangszahlen im Asylbereich weiterhin hoch im Vergleich zu dem Niveau vor dem Jahr 2015, als deren sprunghafter Anstieg – bis zu dem Höchststand im Jahr 2017 (14.355) – begann. Sie lagen im vergangenen Jahr immer noch deutlich über den Zahlen des Jahres 2014 (1.821 Verfahren). Wie die Kurve verdeutlicht, vollzieht sich der Rückgang der Fallzahlen nunmehr auch deutlich langsamer als in den vorangegangenen Jahren und geht in erster Linie zurück auf den durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie bedingten Rückgang der Zahl der Entscheidungen durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Angesichts der Konzentration der Asylverfahren bei dem Verwaltungsgericht Trier (seit dem Jahr 2009) trägt dieses Gericht insoweit weiterhin die Hauptlast.
Bei den 3.104 erstinstanzlichen Asylverfahren im Jahr 2021 waren die fünf zahlenmäßig stärksten Herkunftsländer Syrien, Pakistan, Nigeria, Afghanistan und die Türkei, wie folgendes Bild veranschaulicht:
Beim Oberverwaltungsgericht als zweite Instanz sind die Eingangszahlen im Asylbereich im Jahr 2021 ebenso wie im Vorjahr (2020) zurückgegangen, und zwar auf nunmehr 668 Verfahren. Die Fallzahlen im Asylbereich sind aber weiterhin überdurchschnittlich hoch. Im Vergleich zu 2015 (172 Asylverfahren), als die starke Zunahme der Asylverfahren die zweite Instanz noch nicht erreicht hatte, sind im vergangenen Jahr mehr als drei Mal so viele Asylverfahren eingegangen.
Bei den zweitinstanzlichen Asylverfahren waren im Jahr 2021 die Hauptherkunftsländer die Türkei, Syrien, Iran, Nigeria und Pakistan. Afghanistan folgt auf Platz 6, wie folgendem Schaubild zu entnehmen ist:
Obwohl die Zahl der erstinstanzlichen Asylverfahren im Jahr 2021 ebenso wie im Vorjahr rückläufig war, ist am Verwaltungsgericht Trier bis auf weiteres mit hohen und voraussichtlich sogar wieder deutlich steigenden Eingangszahlen im Asylbereich zu rechnen. So wurden den Angaben des Bundesministeriums des Innern zufolge (Pressemitteilung vom 12. Januar 2022) im Jahr 2021 in Deutschland insgesamt 190.816 Asylanträge gestellt, davon 148.233 Erstanträge und 42.583 Folgeanträge. Dies bedeutet nicht nur eine Steigerung von 56,2 % gegenüber dem Vorjahr (2020: 122.170 Asylanträge), das wegen der weltweiten Reisebeschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie allerdings nicht repräsentativ ist. Auch im Vergleich zu 2019 (165.938 Asylanträge), dem letzten Jahr vor der Corona-Pandemie, gab es im vergangenen Jahr 15 % mehr Asylanträge. Die Zahl der vom BAMF noch nicht entschiedenen Anträge lag Ende 2021 bei 108.064 und damit rund doppelt so hoch wie Ende 2020 (52.056 Anträge). Angesichts dieser Zunahme der Asylanträge und des zu erwartenden Abbaus der stark angestiegenen Bestände des BAMF werden sich voraussichtlich auch die gerichtlichen Eingangszahlen im Asylbereich wieder deutlich erhöhen.
Der Verfahrensstau beim BAMF zeitigt unmittelbare Folgen für das Verwaltungsgericht Trier, wie die nachfolgende Grafik verdeutlicht. Danach ist seit dem 2. Halbjahr 2020 die Zahl der beim BAMF anhängigen Verfahren, für die im Falle der Einlegung eines Rechtsmittels das Verwaltungsgericht Trier zuständig wäre, von 2.519 Fällen im Juni 2020 auf 6.806 Fälle im Januar 2022 angewachsen, was einem Anstieg um 270 % entspricht. Damit ist der hohe Stand von Juni 2017 wieder erreicht. Für das Verwaltungsgericht Trier bedeutet dies, dass in 2022 mit einem erneuten und erheblichen Anstieg der Verfahrenszahlen zu rechnen ist.
Bei den Verfahren im Allgemeinen, also in den sogenannten „klassischen“ Rechtsgebieten, sind die Eingangszahlen im Jahr 2021 gegenüber dem Vorjahr (2020) sowohl bei den Verwaltungsgerichten als auch beim Oberverwaltungsgericht leicht gestiegen. Hervorzuheben sind hierbei die in den letzten beiden Jahren durch die Corona-Pandemie ausgelösten Verfahren vor allem im Infektionsschutzrecht, aber auch im Versammlungs-, Beamten- und Schulrecht. Da gegen die Corona-Bekämpfungsverordnungen von Rheinland-Pfalz als Rechtsverordnungen eines Mitglieds der Landesregierung ein Normenkontrollantrag beim Oberverwaltungsgericht nach rheinland-pfälzischem Landesrecht – anders als in einigen anderen Bundesländern – nicht statthaft ist, müssen von diesbezüglichen Maßgaben Betroffene zunächst bei den erstinstanzlichen Verwaltungsgerichten um Rechtsschutz nachsuchen. In diesem Zusammenhang sind im Jahr 2021 insgesamt 81 Klagen und 190 Eilverfahren bei den rheinland-pfälzischen Verwaltungsgerichten eingegangen (2020: 96 Klagen und 234 Eilverfahren), von denen 2 Klagen und 16 Eilanträge (2020: 2 Klagen und 21 Eilanträge) ganz oder teilweise Erfolg hatten. Die Hauptlast der Verfahren trägt hier das Verwaltungsgericht Mainz als Gericht am Sitz der Landesregierung. Beim Oberverwaltungsgericht sind neben drei erfolglos gebliebenen Berufungszulassungsverfahren im Jahr 2020 33 Beschwerden und im Jahr 2021 37 Beschwerden in Eilrechtschutzverfahren eingegangen. Von insgesamt vier Beschwerden der Behörden gegen stattgebende Entscheidungen der ersten Instanz hatten drei Erfolg. Diese oft sehr komplexen Verfahren wurden von den Verwaltungsgerichten zügig erledigt und der Grundrechtsschutz im Zusammenhang mit den Corona-Bekämpfungsmaßnahmen effektiv gewährt. Auch erste Hauptsacheverfahren wurden bereits entschieden und weitere sind bereits terminiert. Das Thema und die damit angesprochenen nicht zuletzt auch verfassungsrechtlichen Fragestellungen werden die Verwaltungsgerichte auch im Jahr 2022 weiter beschäftigen.
Neben den Asylverfahren und den Verfahren im Kontext der Corona-Bekämpfungsmaßnahmen ist besonderes Augenmerk auf ein drittes Rechtsgebiet zu lenken, das signifikant an Bedeutung gewonnen hat, nämlich die Infrastrukturverfahren beim Oberverwaltungsgericht: Bedingt durch eine entsprechende Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung im Dezember 2020 sind die beiden Planungssenate des Oberverwaltungsgerichts seit Januar 2021 zunehmend erstinstanzlich mit Verfahren zur Errichtung von Windenergieanlagen und zu Planfeststellungen bei Landes- und Bundesstraßen befasst. Im Jahr 2021 sind insgesamt zwölf solcher Verfahren eingegangen (zehn erstinstanzliche Windkraftverfahren und zwei erstinstanzliche Klagen gegen die Planfeststellung von Landes- und Bundesstraßen), die die richterliche Arbeitskraft in den Planungssenaten in erheblichem Maße binden. Als gesellschaftspolitische Themenfelder sind damit der Klimaschutz und der Erhalt und Ausbau der Verkehrsinfrastruktur gleichermaßen adressiert. Damit in diesen Bereichen auch weiterhin durch das Oberverwaltungsgericht zügig rechtliche Klarheit und damit Planungssicherheit geschaffen werden kann, ist eine personelle Verstärkung der Planungssenate dringend notwendig. Für die Haushaltsjahre 2023 und 2024 wurde daher der Bedarf für je eine weitere Richterstelle im Oberverwaltungsgericht angemeldet.
Der Bestand der anhängigen Verfahren hat bei den erstinstanzlichen Verwaltungsgerichten erneut abgenommen. Dort hat sich die Zahl der am Ende des Jahres 2021 anhängigen Verfahren gegenüber dem Vorjahr (2020) von 2.928 auf 2.353 Verfahren verringert. Damit konnte der Bestand seit dem Jahr 2017 weiter abgebaut werden und hat nun in etwa das Niveau vor dem Jahr 2015 (2014: 2.260 Verfahren) erreicht, als die Eingangszahlen im Asylbereich stark anstiegen. Die Abnahme des Bestands erstinstanzlicher Verfahren, die sich mit den unverändert hohen Erledigungszahlen erklärt, betrifft in erster Linie die Asylverfahren, erstreckt sich aber auch auf die allgemeinen Verfahren. Beim Oberverwaltungsgericht hat sich der Bestand gegenüber dem Vorjahr ebenfalls verringert von 580 auf 543 Verfahren. Damit konnte der Bestand, nachdem er von 288 Verfahren im Jahr 2015 auf 863 Verfahren im Jahr 2019 gestiegen war, weiter abgebaut werden. Mit der Einrichtung eines ausschließlich für Asylverfahren zuständigen Senats beim Oberverwaltungsgericht und der Konzentration der Zuständigkeit für Asylverfahren im Wesentlichen bei zwei Senaten im April 2019 konnte der Bestand im Asylbereich von 610 Verfahren im Jahr 2019 auf 321 Verfahren im Jahr 2020 reduziert und dieser Stand im vergangenen Jahr gehalten werden (320 Asylverfahren). Allerdings liegt der Bestand sowohl im Asylbereich als auch insgesamt beim Oberverwaltungsgericht im vergangenen Jahr (543 Verfahren, davon 223 Asylverfahren) immer noch deutlich über dem Stand des Jahres 2015 (288 Verfahren, davon 35 Asylverfahren).
Im Jahr 2021 haben sich die Laufzeiten sowohl bei den rheinland-pfälzischen Verwaltungsgerichten als auch beim Oberverwaltungsgericht gegenüber dem Vorjahr (2020) teilweise deutlich verringert. So sank die durchschnittliche Verfahrensdauer der erstinstanzlichen Klageverfahren gegenüber dem Vorjahr von 10,4 auf 6,7 Monate; Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Eilverfahren) dauerten wie im Vorjahr im Durchschnitt 0,6 Monate. Diese Verfahrensdauer im Jahr 2021 stellt sowohl bei den Klage- als auch bei den Eilverfahren im bundesweiten Vergleich – gemessen an den allerdings nur begrenzt aussagefähigen Zahlen des Jahres 2020 (neuere Zahlen der anderen Bundesländer liegen noch nicht vor) – den Spitzenplatz dar. Beim Oberverwaltungsgericht verringerte sich die durchschnittliche Verfahrensdauer im Jahr 2021 gegenüber dem Vorjahr bei den Berufungsverfahren (und Anträgen auf Zulassung der Berufung) von 6,6 auf 4,6 Monate, während sie bei den Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Beschwerden in Eilverfahren) unverändert blieb (1,2 Monate). Sie liegt damit bei den Berufungs- und Eilverfahren im bundesweiten Vergleich gemessen an den – begrenzt aussagekräftigen – Zahlen des Jahres 2020 (neuere Zahlen liegen für die anderen Bundesländer auch insoweit noch nicht vor) deutlich unter dem Bundesdurchschnitt.
Die Abnahme der Verfahrensdauer in erstinstanzlichen Klageverfahren beruht im Wesentlichen auf einer Verkürzung der Laufzeiten der Asylverfahren. So ist im Asylbereich die Verfahrensdauer der erstinstanzlichen Klageverfahren im Jahr 2021 gegenüber dem Vorjahr (2020) von 12,6 auf nunmehr 7,3 Monate zurückgegangen, während im Bereich der sonstigen Klageverfahren – der allgemeinen Verfahren – nur eine geringfügige Abnahme von 6,2 auf 6,1 Monate zu verzeichnen ist. Beim Oberverwaltungsgericht hingegen verringerte sich die Verfahrensdauer der Berufungsverfahren (und Anträge auf Zulassung der Berufung) im vergangenen Jahr sowohl im Asylbereich von 7,1 auf 4,9 Monate als auch im Bereich der sonstigen allgemeinen Berufungsverfahren (und Anträge auf Zulassung der Berufung) von 5,2 auf 4,1 Monate.
Die Konzentration der asylrechtlichen Verfahren beim Verwaltungsgericht Trier hat sich auch bei den weiterhin hohen, wenn auch derzeit rückläufigen Eingangszahlen bewährt. Die Erfolgsquote der asylrechtlichen Klageverfahren, in denen die Kläger zumindest teilweise obsiegten, betrug im Jahr 2021 31,0 % und ist damit gegenüber dem Vorjahr (2020), in dem sie bei 25,0 % lag, gestiegen. In zweiter Instanz ist die Erfolgsquote der Asylsuchenden in Berufungsverfahren (und Anträgen auf Zulassung der Berufung) hingegen von 4,1 % auf 1,9 % gesunken.
Entschädigungsklagen wegen überlanger Verfahrensdauer sind in der rheinland-pfälzischen Verwaltungsgerichtsbarkeit schon angesichts dieser kurzen Laufzeiten auch weiterhin nicht erhoben worden.
Eine Reduzierung der Verfahrensdauer und der Bestände der erstinstanzlichen Verwaltungsgerichte konnte die rheinland-pfälzische Verwaltungsgerichtsbarkeit trotz der weiterhin hohen Eingangszahlen im Asylbereich und der Sonderbelastung durch die „Corona-Verfahren“ bei einem verringerten Personalbestand durch hohen Arbeitseinsatz erreichen. Bei den vier erstinstanzlichen Verwaltungsgerichten waren Ende letzten Jahres 70,30 Richterarbeitskräfte beschäftigt (d.h. ohne die an Ministerien oder Bundesverfassungs- und Bundesverwaltungsgericht abgeordneten Richter) und damit rund zwei Kräfte weniger als im Vorjahr (72,55). Auch beim Oberverwaltungsgericht hat sich die Zahl der Richterarbeitskräfte gegenüber dem Vorjahr (2020) von 23,25 auf 21,75 verringert. In der Verwaltungsgerichtsbarkeit Rheinland-Pfalz arbeiteten am 31. Dezember 2021 „nach Köpfen“ insgesamt 96 Richterinnen und Richter (Vorjahr: 98) sowie weiterhin wie im Vorjahr 98 Beschäftigte in den Geschäftsstellen und in den Gerichtsverwaltungen. Damit wurde der Personalbestand bei den erstinstanzlichen Verwaltungsgerichten, nachdem dem hohen Anstieg der Verfahren im Asylbereich mit einem Personalzuwachs in den Jahren 2017 und 2018 Rechnung getragen worden war, seit dem Jahr 2019 um insgesamt vier Richterarbeitskräfte wieder abgebaut. In Anbetracht des zu erwartenden Wiederanstiegs der Eingangszahlen im Asylbereich aufgrund des im Jahr 2021 erfolgten Anstiegs der Asylanträge und der Bestände des BAMF zeichnet sich jedoch ab, dass die nach wie vor außergewöhnlich hohe Arbeitsbelastung am Verwaltungsgericht Trier zunehmen wird.
Der Altersdurchschnitt der bei den erstinstanzlichen Verwaltungsgerichten und beim Oberverwaltungsgericht tätigen Richter ist seit dem Jahr 2019 unter 50 Jahre gefallen und beträgt jetzt (Ende 2021) 49,3 Jahre, wobei der Durchschnitt bei den erstinstanzlichen Verwaltungsgerichten bei 45,8 Jahren und bei dem Oberverwaltungsgericht bei 52,8 Jahren liegt.
Ein besonderes Augenmerk hat die Verwaltungsgerichtsbarkeit auch im Jahr 2021 auf die Etablierung des elektronischen Rechtsverkehrs gelegt. Im Jahr 2021 hat in 94 % der Verfahren zumindest einer der Beteiligten am elektronischen Rechtsverkehr teilgenommen, womit ein neuer Höchststand erreicht ist. Als besonders effektiv erweist sich der elektronische Rechtsverkehr in den zahlenmäßig starken Asylverfahren. Hier hat das Verwaltungsgericht Trier bereits Anfang 2016 in einem bundesweiten Pilotprojekt gemeinsam mit dem BAMF auf den vollständigen elektronischen Aktenverkehr umgestellt und konnte auch dadurch die enormen Verfahrenszugänge der letzten Jahre schnell und effizient bewältigen.
Quelle: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Pressemitteilung vom 21. Februar 2022