Die Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgerichtsbarkeit hat heute ihren Geschäftsbericht für das Jahr 2023 veröffentlicht. Daraus wird insbesondere deutlich, dass die Eingangszahlen sowohl am Verwaltungsgericht als auch am Oberverwaltungsgericht wieder erkennbar steigen. Es ist zu erwarten, dass dieser Trend sich auch 2024 fortsetzt.
Sowohl die Eingänge als auch die Erledigungen am Verwaltungsgericht sind im Berichtsjahr erheblich gestiegen. Es gingen 5.913 Verfahren neu ein, eine Steigerung um knapp 15 % gegenüber dem Vorjahr. Besonders deutlich war die Zunahme (um gut 24 %) bei den neu eingehenden Asylverfahren. Es handelt sich um den zweiten Anstieg in Folge. Angesichts der Verfahrenszahlen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ist davon auszugehen, dass dieser Trend sich in den kommenden Jahren fortsetzen und verstärken wird. Der deutliche Anstieg der Erledigungen um über 1.000 Verfahren (gut 20 %, 6.290 Verfahren gegenüber 5.212 im Vorjahr) dürfte insbesondere darauf zurückzuführen sein, dass dem Gericht mehr Personal als im Vorjahr zur Verfügung stand. Ergebnis war, dass der Verfahrensbestand von 6.364 Verfahren im Vorjahr um knapp 6 % auf 5.987 zurückging.
Auch am Oberverwaltungsgericht stieg die Zahl der Neueingänge insgesamt um gut 5 % (824 Verfahren) gegenüber dem Vorjahr (782 Verfahren). Der starke Anstieg der Erledigungen beim Verwaltungsgericht hat sich damit schon im selben Jahr auch am Oberverwaltungsgericht ausgewirkt. Bei den zweitinstanzlich zu behandelnden Asylverfahren ist die Zahl der Neueingänge besonders deutlich, nämlich um fast 26 % gestiegen. Es ist zu erwarten, dass die höheren Erledigungszahlen des Verwaltungsgerichts auch 2024 zu höheren Eingängen auch am Oberverwaltungsgericht führen.
Der trotz deutlich gestiegener Erledigungen (um knapp 18 % von 891 auf 1.049 Verfahren) dennoch relativ hohe Bestand am Oberverwaltungsgericht (insgesamt 1.098 Verfahren) folgt daraus, dass die erstinstanzlichen Verfahren vor allem den Infrastrukturbereich betreffen und aufgrund der Komplexität der tatsächlichen Fragen und der rechtlichen Regelungen besonders zeitaufwändig sind. Seit März 2023 ist das Oberverwaltungsgericht zudem auch für Windenergieanlagen auf See im Küstenmeer erstinstanzlich zuständig (§ 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a VwGO). Der Bundesgesetzgeber hat den Verwaltungsgerichten gleichzeitig die Vorgabe gemacht, dass bestimmte Verfahren aus dem Infrastrukturbereich vorrangig und beschleunigt durchgeführt werden sollen (§ 87c Abs. 1 VwGO). Ende 2023 waren knapp 70 dieser Vorrangverfahren beim Oberverwaltungsgericht anhängig.
Die Präsidentin des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts, Maren Thomsen, sagte anlässlich der Veröffentlichung des Berichts: „Auffällig ist, dass sich die seit Jahren erstmals bessere Personalausstattung beider Gerichte unmittelbar in den gestiegenen Erledigungszahlen und auch in der durchschnittlichen Verfahrensdauer niederschlägt. Es gibt aber nach wie vor zu viele Altverfahren. Um deren Zahl perspektivisch auf ein erträgliches Niveau zu bringen und dadurch den zügigen Rechtsschutz für Bürgerinnen und Bürger dauerhaft gewährleisten zu können, ist es zwingend erforderlich, die Personalsituation weiter zu verbessern und dauerhaft abzusichern. Der Landtag hat dazu im letzten Jahr die Einrichtung eines Infrastruktursenats am Oberverwaltungsgericht ermöglicht und jüngst durch die Verstetigung von acht Planstellen am Verwaltungsgericht erste Schritte getan. Jetzt gilt es diese neuen Richterstellen am Verwaltungsgericht zeitnah zu besetzen.“
Auch 2024 werden die Verwaltungsgerichte wieder zahlreiche wirtschaftlich und gesellschaftlich besonders relevante Verfahren entscheiden. Am Oberverwaltungsgericht stehen bereits am 24. April 2024 die mündlichen Verhandlungen über die Wirksamkeit der Zweitwohnungssteuersatzungen der Gemeinden Timmendorfer Strand und Hohwacht an. Im Laufe des Jahres werden zudem die ersten Verfahren zum Regionalplan III verhandelt werden. Am Verwaltungsgericht stehen unter anderem Verfahren zu Verdienstausfallentschädigungen infolge von Corona-Quarantänen und Verfahren zu Rückforderungen von Corona-Soforthilfen an.
Der vollständige Jahresgeschäftsbericht ist dieser Presseinformation beigefügt und ist im Internet auf der Website des Oberverwaltungsgerichts abrufbar.
(c) OVG Schleswig-Holstein, 17.04.2024