Mit Beschluss vom 30.1.2025 (Az.: 2 B 177/24) hat das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes den Bebauungsplan Nr. 139.02.00 „Nördlich Stuhlsatzenhaus“ vorläufig bis zur Rechtskraft einer Entscheidung des Senats über den vom Antragsteller in der Hauptsache gestellten Normenkontrollantrag vom 20.9.2024 (Az.: 2 C 168/24) außer Vollzug gesetzt.

Zum Hintergrund:

Am 20. September 2024 hat der antragstellende BUND Landesverband Saar e.V. – eine anerkannte Umweltvereinigung – beim Oberverwaltungsgericht des Saarlandes einen Normenkontrollantrag betreffend den Bebauungsplan Nr. 139.02.00 „Nördlich Stuhlsatzenhaus“ der Landeshauptstadt Saarbrücken eingereicht. Das Verfahren wird unter dem Aktenzeichen 2 C 168/24 geführt. Ziel des Bebauungsplans ist die Schaffung der planungsrechtlichen Voraussetzungen für die Ansiedlung von Instituten und Unternehmen aus dem Bereich Forschung und Entwicklung angrenzend an den Campus der Universität des Saarlandes. Mit der Realisierung des Bebauungsplans wären großflächige Baumfällungen bzw. Rodungen von Wald verbunden.

Mit Datum vom 27. September 2024 hat der Antragsteller beim OVG den Erlass einer einstweiligen Anordnung (nach § 47 Abs. 6 VwGO) beantragt. Dieser Antrag hat zum Ziel, den Bebauungsplan „Nördlich Stuhlsatzenhaus“ bis zur Entscheidung über den Normenkontrollantrag des Antragstellers vom 20. September 2024 außer Vollzug zu setzen. Mit dem Antrag strebt der Antragsteller insbesondere an, die mit der Umsetzung des Bebauungsplanes einhergehenden Baumfällungen bzw. Waldrodungen einstweilen zu verhindern.

Im Rahmen dieses Eilverfahrens ist mit Datum vom 30. September 2024 zunächst auf Antrag des Antragstellers ein sogenannter „Hängebeschluss“ ergangen, wonach der Bebauungsplan „Nördlich Stuhlsatzenhaus“ für die Dauer des Eilverfahrens in Bezug auf Baumfällungen und Rodungen im Plangebiet nicht vollzogen werde durfte.

Mit Beschluss vom 30. Januar 2025 hat das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes über den Eilantrag nunmehr in der Sache entschieden und den Bebauungsplan Nr. 139.02.00 „Nördlich Stuhlsatzenhaus“ vorläufig bis zur Rechtskraft einer Entscheidung des Senats über den vom Antragsteller gestellten Normenkontrollantrag vom 20. September 2024 (Az.: 2 C 168/24) außer Vollzug gesetzt.

Zur Begründung hat der Senat zunächst ausgeführt, dass für den Antrag ein Rechtsschutzbedürfnis bestehe, da anhand der Satzungsurkunde sowie der Planunterlagen davon auszugehen sei, dass mit dem Inkrafttreten des Bebauungsplans auch die Waldumwandlung einhergegangen sei, sodass keine gesonderte Rodungsgenehmigung im Sinne des Landeswaldgesetzes mehr erforderlich sei.

Der Eilantrag habe in der Sache Erfolg, weil der Bebauungsplan gegen umweltbezogene Rechtsvorschriften verstoße, der anhängige Normenkontrollantrag sich nach derzeitigem Stand als zulässig und begründet erweise und eine vorläufige Regelung zur Vermeidung gewichtiger Nachteile geboten sei.

Die Begründetheit des Normenkontrollbegehrens folge insbesondere aus dem Umstand, dass sich der Bebauungsplan wegen der Verwirklichung artenschutzrechtlicher Verbotstatbestände als nicht vollzugsfähig erweise. Dem Bebauungsplan lägen bezogen auf geschützte Fledermaus- sowie Brutvogelarten im Plangebiet nicht methodengerechte Bestandserfassungen zugrunde, sodass keine valide Bewertung der Zugriffsverbote des § 44 Abs. 1 BNatSchG möglich sei. Zudem mangele es an einer Erfassung von wirbellosen Tieren, hier insbesondere von Holz bewohnenden Käfern, die teils dem Anhang IV der FFH-Richtlinie[1] unterfallen. Es sei überdies davon auszugehen, dass durch den Vollzug des Bebauungsplanes – insbesondere durch die vorgesehenen Rodungsmaßnahmen – naturschutzrechtliche Zugriffsverbote zu Lasten von geschützten Tierarten verwirklicht würden. So sei etwa die Zerstörung von Fortpflanzungs- sowie Ruhestätten (z.B. Höhlenbäumen) geschützter Arten zu befürchten.

Der Bebauungsplan leide auch unter beachtlichen Mängeln im Abwägungsvorgang. Denn die im Rahmen der Bauleitplanung vorgenommene „Plausibilitätsprüfung“ sei durch eine unzureichende Erfassung verschiedener geschützter Arten (z.B. Großes Mausohr und Spechte) geprägt, sodass der angestellte Ermittlungsaufwand angesichts der artenschutzrechtlichen Verbote und des Vorkommens zahlreicher geschützter Arten im Plangebiet unzureichend gewesen sei.

Da der Normenkontrollantrag in der Hauptsache zulässig und (voraussichtlich) begründet sein werde, sei der Ausspruch einer einstweiligen Anordnung im Hinblick auf die betroffenen naturschutzrechtlichen Belange dringend geboten. Denn der (weitere) Vollzug des Bebauungsplans – insbesondere in Gestalt von Rodungsmaßnahmen – vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren lasse Nachteile befürchten, die auch unter Berücksichtigung der gegenläufigen Interessen auf Seiten der Antragsgegnerin (hier: die zukünftige Ansiedlung von Forschungsinstituten in Campusnähe) so gewichtig seien, dass eine vorläufige Regelung unaufschiebbar sei.

Ein Entscheidungstermin hinsichtlich des Normenkontrollantrags (Hauptsacheverfahren) steht noch nicht fest.


[1] Anmerkung: Anhang IV ist eine Liste von Tier- und Pflanzenarten, die europaweit durch die FFH-Richtlinie unter Schutz stehen, weil sie in ganz Europa und damit auch in den jeweiligen Mitgliedstaaten, in denen sie vorkommen, gefährdet und damit schützenswert sind. In Deutschland wurde der Schutz der Anhang IV-Arten in das Bundesnaturschutzgesetz als „streng geschützte Arten“ vor allem in den § 44 BNatSchG übernommen. Neben dem direkten Tötungsverbot dürfen auch ihre „Lebensstätten“ nicht beschädigt oder zerstört werden. 

OVG Saarland, 31.01.2025

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