
Die Klage mehrerer Landwirte gegen den geplanten Aus- und Neubau des Deiches bei Otterstadt ist unbegründet. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz.
Die Kläger wenden sich gegen einen wasserrechtlichen Planfeststellungsbeschluss des beklagten Landes Rheinland-Pfalz vom 6. November 2017 und einen hierzu ergangenen Ergänzungsbeschluss vom 8. Februar 2023, die den Aus- und Neubau des Rheinhauptdeiches im Bereich der Ortsgemeinde Otterstadt im Zuge der Umsetzung von dessen Hochwasserschutzkonzept zum Gegenstand haben. Im Bereich des bestehenden Deiches, der innerhalb eines ausgewiesenen Flora-, Fauna- Habitat (FFH)-Gebiets liegt, befinden sich als geschützte Lebensraumtypen „Naturnahe Kalk-Trockenrasen“ sowie „Magere Flachland-Mähwiesen“. In einem Variantenvergleich unter Einbeziehung der Möglichkeit eines Ausbaus der bestehenden Deichanlage gelangte der Beklagte zu dem Ergebnis, dass eine anteilige Deichrückverlegung im Bereich des heutigen Deichhinterlandes mit Blick auf den FFH-Gebietsschutz die einzig genehmigungsfähige Variante darstelle. Mit Planfeststellungsbeschluss vom 6. November 2017 entschied sich der Beklagte zugunsten dieser Variante. Die Kläger, die Eigentümer oder Pächter von zahlreichen landwirtschaftlich genutzten Grundstücken im Bereich des Vorhabens sind und einen Verlust der Nutzflächen in der entstehenden Kessellage bei Verwirklichung der geplanten Variante einer Deichrückverlegung mit Erhalt des bestehenden Deiches fürchteten, erhoben hiergegen Klage. Nachdem das erstinstanzlich zuständige Oberverwaltungsgericht im Juni 2019 auf Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses durch etwaige Abwägungsmängel hingewiesen hatte, führte der Beklagte eine erweiterte Untersuchung durch und erließ am 8. Februar 2023 einen ergänzenden Planfeststellungsbeschluss, mit dem er zwar mehrere neue Nebenbestimmungen festsetzte sowie bisherige Regelungen durch andere ersetzte, jedoch im Übrigen den Planfeststellungsbeschluss vom 6. November 2017 und die damit festgestellten Pläne aufrechterhielt.
Das Oberverwaltungsgericht wies die Klage ab und führte zur Begründung aus:
Der angegriffene Planfeststellungsbeschluss in Gestalt des Ergänzungsbeschlusses sei rechtmäßig. Der Planfeststellungbeschluss in seiner ergänzten Fassung leide an keinem Fehler, der zum Erfolg des Aufhebungsantrags führen könnte oder eine (weitere) Planergänzung erforderlich mache. Das planfestgestellte Vorhaben mit einer anteiligen Deichrückverlegung im Bereich des heutigen Deichhinterlandes sei mit den Vorgaben des Natur- und Artenschutzrechts vereinbar. Es beeinträchtige zwar die Erhaltungsziele des FFH-Gebiets. Die getroffene Abweichungsentscheidung nach dem Bundesnaturschutzgesetz begegne jedoch keinen durchgreifenden rechtlichen Zweifeln und halte der Kritik der Kläger stand. Zwingende Gründe des Hochwasserschutzes überwögen die konkrete Beeinträchtigung des FFH-Gebiets durch das Vorhaben. Die von den Klägern befürwortete Variante des Ausbaus des bestehenden Deichs stelle keine geeignete Alternative dar. Sie würde, wie der Beklagte plausibel begründet habe, gegenüber der planfestgestellten Variante zu einer erheblich größeren Beeinträchtigung von geschützten Lebensraumtypen führen. So wären bei einer Verwirklichung der von den Klägern befürworteten Variante eine Fläche von 5000 m² des Lebensraumtyps „Naturnaher Kalk-Trockenrasen“ und darüber hinaus eine Fläche von 9000 m² des Lebensraumtyps „Magere Flachlandmähwiesen“ zerstört. Dagegen werde bei der planfestgestellten Variante nur eine Fläche von ca. 590 m² des Lebensraumtyps „Naturnaher Kalk-Trockenrasen“ in Anspruch genommen und der Lebensraumtyp „Magere Flachland-Mähwiesen“ bleibe vollständig unangetastet. Da eine neu angelegte Magerrasenfläche selbst bei guter Pflege Jahrzehnte zur Wiederherstellung/Regeneration benötige, komme diese als Kompensationsmaßnahme nicht in Betracht. Der streitgegenständliche Planfeststellungsbeschluss leide auch darüber hinaus nicht an Abwägungsfehlern. Dies gelte insbesondere hinsichtlich der von den Klägern geltend gemachten Vernässungs- und Überflutungsfolgen durch auftretendes Druck- und Grundwasser. Sollte darüber hinaus die Veränderung der kleinklimatischen Verhältnisse in der nach dem Deichbau entstehenden Kessellage geeignet sein, eine Existenzgefährdung der Betriebe der Kläger auszulösen, seien im angefochtenen Planfeststellungsbeschluss verbindliche Festsetzungen zur Entschädigung des betroffenen Personenkreises getroffen worden.
Urteil vom 9. Dezember 2024, Aktenzeichen: 1 C 10210/23.OVG
OVG Rheinland-Pfalz, 10.03.2025