I. Übersicht und Ausblick 

Die Eingangszahlen der rheinland-pfälzischen erstinstanzlichen Verwaltungsgerichte in Koblenz, Mainz, Neustadt an der Weinstraße und Trier sind im Jahr 2022 gegenüber dem Vorjahr erneut leicht zurückgegangen, nachdem sie aufgrund des massiven Anstiegs der Asylzahlen ab dem Jahr 2015 einen Höchststand im Jahr 2017 erreicht hatten. So sind an den vier Verwaltungsgerichten in Rheinland-Pfalz im Jahr 2022 insgesamt 6.928 Verfahren eingegangen, während es im Vorjahr (in 2021) 7.346Verfahren waren. Beim Oberverwaltungsgericht sind die Eingangszahlen im Jahr 2022 gegenüber dem Vorjahr ebenfalls zurückgegangen, nämlich von 1.563 auf 1.247 Verfahren.

Der Rückgang der Eingänge bei den erstinstanzlichen Verwaltungsgerichten beruht allein auf einer entsprechenden Abnahme der allgemeinen Verfahren, also in den sogenannten „klassischen“ Rechtsgebieten von 4.242 (in 2021) auf 3.736 Verfahren. Im Bereich der Asylverfahren sind hingegen die Eingangszahlen gegenüber dem Vorjahr (2021) leicht gestiegen von 3.104 auf 3.192 Verfahren. Wie die Kurve verdeutlicht sind nach dem Rückgang in den vorangegangenen Jahren die Eingangszahlen im Asylbereich damit weiterhin hoch im Vergleich zu dem Niveau vor dem Jahr 2015, als deren sprunghafter Anstieg – bis zu dem Höchststand im Jahr 2017 (14.355) – begann. Sie lagen auch im vergangenen Jahr deutlich über den Zahlen des Jahres 2014 (1.821 Verfahren).

Bei den 3.192 erstinstanzlichen Asylverfahren im Jahr 2022 waren die fünf zahlenmäßig stärksten Herkunftsländer Syrien, Pakistan, Afghanistan, die Türkei undder Irak, wie folgendes Bild veranschaulicht:

Beim Oberverwaltungsgericht als zweite Instanz sind die Eingangszahlen im Asylbereich im Jahr 2022 ebenso wie im Vorjahr (2021) dagegen zurückgegangen, und zwar auf nunmehr 517 Verfahren. Die Fallzahlen im Asylbereich sind aber weiterhin überdurchschnittlich hoch. Im Vergleich zu 2015 (172 Asylverfahren), als die starke Zunahme der Asylverfahren die zweite Instanz noch nicht erreicht hatte, sind im vergangenen Jahr rund drei Mal so viele Asylverfahren eingegangen. 

Bei den zweitinstanzlichen Asylverfahren waren im Jahr 2022 die Hauptherkunftsländer die Türkei, Syrien, Pakistan, Nigeria und Iran, wie folgendem Schaubild zu entnehmen ist:

Nach dem leichten Anstieg der Zahl der erstinstanzlichen Asylverfahren im Jahr 2022 gegenüber dem Vorjahr ist am Verwaltungsgericht Trier auch bis auf weiteres mit vergleichsweise hohen und voraussichtlich sogar wieder deutlich steigenden Eingangszahlen im Asylbereich zu rechnen. So wurden den Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zufolge (vgl.www.bamf.de/statistik– Schlüsselzahlen Asyl 2022) im Jahr 2022 in Deutschland insgesamt 244.132 Asylanträge gestellt, davon 217.774 Erstanträge und 26.358 Folgeanträge. Dies bedeutet nicht nur eine deutliche Steigerung gegenüber dem Vorjahr (2021: 190.816 Asylanträge), sondern auch im Vergleich zu 2019 (165.938 Asylanträge), dem letzten Jahr vor der Corona-Pandemie mit den daraufhin weltweit eingeführten Reisebeschränkungen. Die Zahl der vom BAMF noch nicht entschiedenen Anträge lag Ende 2022 bei 136.448 und damit deutlich höher als im Vorjahr (2021: 108.064 Anträge) und sogar mehr als doppelt so hoch wie Ende 2020 (52.056 Anträge). Angesichts dieser Zunahme der Asylanträge und des zu erwartenden Abbaus der stark angestiegenen Bestände des BAMF werden sich voraussichtlich auch die gerichtlichen Eingangszahlen im Asylbereich wieder deutlich erhöhen.  

Der Verfahrensstau beim BAMF zeitigt unmittelbare Folgen für das Verwaltungsgericht Trier, wie die nachfolgende Grafik verdeutlicht. Danach ist seit dem 2. Halbjahr 2020 die Zahl der beim BAMF anhängigen Verfahren, für die im Falle der Einlegung eines Rechtsmittels das Verwaltungsgericht Trier zuständig wäre, von 2.519 Fällen im Juni 2020 auf 8.090 Fälle im Januar 2023 angewachsen, was einem Anstieg um mehr als das Dreifache entspricht. Für das Verwaltungsgericht Trier bedeutet dies, dass in 2023 mit einem erneuten und erheblichen Anstieg der Verfahrenszahlen zu rechnen ist.

Bei den Verfahren im Allgemeinen, also in den sogenannten „klassischen“ Rechtsgebieten, sind die Eingangszahlen im Jahr 2022 gegenüber dem Vorjahr (2021) beim Oberverwaltungsgericht – ebenso wie bei den Verwaltungsgerichten – hingegen gesunken von 895 auf 730 Verfahren. 

Hervorzuheben ist ein Rechtsgebiet, das signifikant an Bedeutung gewonnen hat, nämlich die Infrastrukturverfahren beim Oberverwaltungsgericht: Bedingt durch eine entsprechende Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung im Dezember 2020 sind die beiden Planungssenate des Oberverwaltungsgerichts seit Januar 2021 erstinstanzlich mit Verfahren zur Errichtung von Windenergieanlagen und zu Planfeststellungen bei Landes- und Bundesstraßen befasst. Im Jahr 2022 sind immerhin insgesamt neun solcher erstinstanzlichen Verfahren eingegangen, die die richterliche Arbeitskraft in den Planungssenaten in erheblichem Maße binden. Zugleich ist eine zügige Bearbeitung dieser Verfahren nicht nur im privaten, sondern auch im öffentlichen Interesse besonders dringlich.

Der Bestand der anhängigen Verfahren hat bei den erstinstanzlichen Verwaltungsgerichten erneut abgenommen. Dort hat sich die Zahl der am Ende des Jahres 2022 anhängigen Verfahren gegenüber dem Vorjahr (2021) von 2.353 auf 1.796 Verfahren verringert. Damit konnte der Bestand seit dem Jahr 2017 weiter abgebaut werden und hat nun in etwa das Niveau der Zeit vor dem Jahr 2015 (2014: 2.260 Verfahren, 2006: 1.705 Verfahren) erreicht, als die Eingangszahlen im Asylbereich in der Folge stark anstiegen. Die Abnahme des Bestands erstinstanzlicher Verfahren, die sich mit den weiterhin hohen Erledigungszahlen erklärt, erstreckt sich sowohl auf die Asylverfahren als auch auf die allgemeinen Verfahren. Beim Oberverwaltungsgericht hat sich der Bestand gegenüber dem Vorjahr ebenfalls leicht verringert von 543 auf 529 Verfahren. Damit konnte der Bestand, nachdem er von 288 Verfahren im Jahr 2015 auf 863 Verfahren im Jahr 2019 gestiegen war, weiter abgebaut werden. Mit der Einrichtung eines ausschließlich für Asylverfahren zuständigen Senats beim Oberverwaltungsgericht und der Konzentration der Zuständigkeit für Asylverfahren im Wesentlichen bei zwei Senaten im April 2019 konnte der Bestand im Asylbereich von 610 Verfahren im Jahr 2019 auf 321 Verfahren im Jahr 2020 reduziert und dieser Stand in den beiden letzten Jahren gehalten werden (in 2021: 320 und in 2022: 321 Asylverfahren). Allerdings liegt der Bestand sowohl im Asylbereich als auch insgesamt beim Oberverwaltungsgericht im vergangenen Jahr (529 Verfahren, davon 321 Asylverfahren) immer noch deutlich über dem Stand des Jahres 2015 (288 Verfahren, davon 35 Asylverfahren).

Im Jahr 2022 haben sich die Laufzeiten bei den rheinland-pfälzischen Verwaltungsgerichten gegenüber dem Vorjahr (2021) weiter verringert. So sank die durchschnittliche Verfahrensdauer der erstinstanzlichen Klageverfahren gegenüber dem Vorjahr von 6,7 auf 5,3 Monate und konnten damit seit 2019 (13,0 Monate) das dritte Jahr in Folge verkürzt werden; Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Eilverfahren) dauerten wie im Vorjahr im Durchschnitt 0,6 Monate. Diese Verfahrensdauer im Jahr 2022 stellt sowohl bei den Klage- als auch bei den Eilverfahren im bundesweiten Vergleich – gemessen an den allerdings nur begrenzt aussagefähigen Zahlen des Jahres 2021 (neuere Zahlen der anderen Bundesländer liegen noch nicht vor) – erneut, wie schon in den Jahren zuvor, den Spitzenplatz dar.Beim Oberverwaltungsgericht stieg hingegen die durchschnittliche Verfahrensdauer im Jahr 2022 gegenüber dem Vorjahr bei den Berufungsverfahren (und Anträgen auf Zulassung der Berufung) von 4,6 auf 6,9 Monate, während sie bei den Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Beschwerden in Eilverfahren) mit 1,2 Monaten (Vorjahr: 1,1 Monate) nahezu unverändert blieb. Sie liegt damit bei den Berufungs- und Eilverfahren im bundesweiten Vergleich gemessen an den – begrenzt aussagekräftigen – Zahlen des Jahres 2021 (neuere Zahlen liegen für die anderen Bundesländer auch insoweit noch nicht vor) jedoch immer noch sehr deutlich unter dem Bundesdurchschnitt.

Die Abnahme der Verfahrensdauer in erstinstanzlichen Klageverfahren beruht im Wesentlichen auf einer Verkürzung der Laufzeiten der Asylverfahren. So ist im Asylbereich die Verfahrensdauer der erstinstanzlichen Klageverfahren im Jahr 2022 gegenüber dem Vorjahr (2021) von 7,3 auf nunmehr 4,8 Monate zurückgegangen, während im Bereich der sonstigen Klageverfahren – der allgemeinen Verfahren – nur eine geringfügige Abnahme von 6,1 auf 6,0 Monate zu verzeichnen ist. Beim Oberverwaltungsgericht hingegen erhöhte sich die Verfahrensdauer der Berufungsverfahren (und Anträge auf Zulassung der Berufung) im vergangenen Jahr sowohl im Asylbereich von 4,9 auf 8,2 Monate als auch im Bereich der sonstigen allgemeinen Berufungsverfahren (und Anträge auf Zulassung der Berufung) von 4,1 auf 5,0 Monate. 

Die Konzentration der asylrechtlichen Verfahren beim Verwaltungsgericht Trier hat sich auch bei den wieder ansteigenden Eingangszahlen bewährt. Die Erfolgsquote der asylrechtlichen Klageverfahren, in denen die Kläger zumindest teilweise obsiegten, betrug im Jahr 2022 23 % und ist damit gegenüber dem Vorjahr (2021), in dem sie bei 31,0 % lag, gesunken. In zweiter Instanz ist die Erfolgsquote der Asylsuchenden in Berufungsverfahren (und Anträgen auf Zulassung der Berufung) hingegen von 1,9 % auf 11,3 % deutlich gestiegen.

Entschädigungsklagen wegen überlanger Verfahrensdauer sind in der rheinland-pfälzischen Verwaltungsgerichtsbarkeit schon angesichts dieser kurzen Laufzeiten auch weiterhin nicht erhoben worden.

Eine Reduzierung der Verfahrensdauer und der Bestände der erstinstanzlichen Verwaltungsgerichte konnte die rheinland-pfälzische Verwaltungsgerichtsbarkeit trotz der wieder hohen Eingangszahlen im Asylbereich bei einem verringerten Personalbestand durch hohen Arbeitseinsatz erreichen. Bei den vier erstinstanzlichen Verwaltungsgerichten waren Ende letzten Jahres 65,40 Richterarbeitskräfte beschäftigt (d.h. ohne die an Ministerien oder Bundesverfassungs- und Bundesverwaltungsgericht abgeordneten Richter) und damit rund fünf Kräfte weniger als im Vorjahr (70,30). Beim Oberverwaltungsgericht hat sich zwar die Zahl der Richterarbeitskräfte gegenüber dem Vorjahr (2021) geringfügig von 21,75 auf 22,55 erhöht, liegt aber noch unter dem Wert des Jahres 2020 (23,25 Richterarbeitskräfte). In der Verwaltungsgerichtsbarkeit Rheinland-Pfalz arbeiteten am 31. Dezember 2022 „nach Köpfen“ insgesamt 94 Richterinnen und Richter (Vorjahr: 96) sowie 96 Beschäftigte (Vorjahr: 98) in den Geschäftsstellen und in den Gerichtsverwaltungen. Damit wurde der Personalbestand bei den erstinstanzlichen Verwaltungsgerichten, nachdem dem hohen Anstieg der Verfahren im Asylbereich mit einem Personalzuwachs in den Jahren 2017 und 2018 Rechnung getragen worden war, seit dem Jahr 2019 um insgesamt rund neun Richterarbeitskräfte wieder abgebaut. In Anbetracht des Wiederanstiegs der Eingangszahlen im Asylbereich und aufgrund des im Jahr 2022 erfolgten weiteren Anstiegs der Asylanträge und derBestände des BAMF zeichnet sich jedoch ab, dass die nach wie vor außergewöhnlich hohe Arbeitsbelastung am Verwaltungsgericht Trier wieder zunehmen wird. Ein weiterer Stellenabbau verbietet sich nach jetzigem Stand daher.

Auch im Jahr 2022 galt ein besonderes Augenmerk der Verwaltungsgerichtsbarkeit der Digitalisierung ihrer Geschäftsabläufe. 

Nachdem der elektronische Rechtsverkehr in der Verwaltungsgerichtsbarkeit bereits seit dem Jahr 2005 flächendeckend eröffnet ist und zur Übersendung gerichtlicher Schriftsätze in umfassender Weise verwendet worden ist, trat am 1. Januar 2022 die aktive Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs für sog. professionelle Verfahrensbeteiligte in Kraft (§ 55d VwGO), die aufgrund der umfangreichen Erfahrungen mit der Übersendung und dem Empfang elektronischer Schriftsätze von vornherein reibungslos in die gerichtlichen Abläufe integriert werden konnte. Im Jahr 2022 hat in 96 % der Verfahren zumindest einer der Beteiligten am elektronischen Rechtsverkehr teilgenommen, womit ein neuer Höchststand erreicht ist. Als besonders effektiv erweist sich der elektronische Rechtsverkehr in den zahlenmäßig starken Asylverfahren. Hier hat das Verwaltungsgericht Trier bereits Anfang 2016 in einem bundesweiten Pilotprojekt gemeinsam mit dem BAMF auf den vollständigen elektronischen Aktenverkehr umgestellt und konnte auch dadurch die enormen Verfahrenszugänge der letzten Jahre schnell und effizient bewältigen. 

Zudem wurden im Jahr 2022 die Weichen für die Einführung der elektronischen Akte in der Verwaltungsgerichtsbarkeit (Pilotierung der elektronischen Akte seit dem 1. Februar 2023 bei dem Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz und dem Verwaltungsgericht Koblenz) gestellt, die im Jahr 2023 weitestgehend abgeschlossen werden soll, auch wenn die Pflicht zur elektronischen Aktenführung erst zum 1. Januar 2026 eintritt (§ 55b Abs. 1a VwGO). Das IT‍-‍Referat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz übernimmt in diesem Zusammenhang auch für die übrigen Fachgerichtsbarkeiten Querschnittsaufgaben von zentraler Bedeutung (sog. eJustice-Kompetenzzentrum) und betreibt als bundesweit erstes Gericht die Systeminfrastruktur für die elektronische Akte für sämtliche rheinland-pfälzischen Fachgerichte eigenständig.

II. Geschäftslage der rheinland-pfälzischen Verwaltungsgerichte

1. Rückgang der Eingangszahlen

Im Jahr 2022 sind – wie erwähnt – bei den vier erstinstanzlichen Verwaltungsgerichten insgesamt 6.928 Verfahren eingegangen. Damit sind die Eingangszahlen gegenüber dem Vorjahr erneut, wenn auch nur in vergleichsweise geringem Umfang, zurückgegangen. Dieser Rückgang beruht auf einer Abnahme der Zahl der allgemeinen Verfahren, während im Asylbereich die Eingangszahlen nach einem Rückgang in den vorangegangenen Jahren wieder leicht gestiegen sind. Die Eingangszahlen im Asylbereich liegen mit 3.192 Verfahren auch weiterhin über dem Niveau vor dem Jahr 2015, als diese sprunghaft anstiegen (vgl. in 2014: 1.821 Asylverfahren).

Im Einzelnen stellen sich die Eingangszahlen wie folgt dar:

Verfahrenseingänge im Jahr:20182019202020212022
insgesamt:11.0189.6227.6137.3466.928
davon allgemeine Verfahren:4.9084.6404.0674.2423.736
davon Asylverfahren:6.1104.9823.5463.1043.192

Nach Sachgebieten aufgeschlüsselt ergibt sich bei den Eingängen des Jahres 2022folgendes Bild:

2. Zahl der Erledigungen trotz Rückgangs der Eingangszahlen weiterhin hoch

Im Jahr 2022 haben die erstinstanzlichen Verwaltungsgerichte insgesamt 7.488 Verfahren erledigt. Damit sind die Erledigungszahlen ebenso wie die Eingangszahlen gegenüber dem Vorjahr erneut zurückgegangen. Sie liegen aber ebenso wie im Vorjahr über den Eingangszahlen und auch über dem Niveau vor dem Jahr 2015. So wurden etwa im Jahr 2010 5.430 Verfahren und im Jahr 2014 6.321 Verfahren erledigt.

Erledigungen im Jahr:20182019202020212022
insgesamt:14.81412.6949.2697.9297.488
davon allgemeine Verfahren:5.1604.6544.1634.2963.947
davon Asylverfahren:9.6548.0405.1063.6333.541

3. Abnahme des Bestands

Die Zahl der am Ende des letzten Jahres bei den Verwaltungsgerichten noch anhängigen Verfahren hat sich gegenüber dem Vorjahr von 2.353 auf 1.796 Verfahren verringert. Damit konnte der Bestand seit dem Jahr 2017 weiter abgebaut werden und liegt nun in etwa auf dem Niveau der Zeit vor dem Jahr 2015 (2014: 2.260 Verfahren und 2006: 1.705 Verfahren), als die Eingangszahlen im Asylbereich sprunghaft anstiegen. Die Abnahme des Bestands betrifft sowohl die Asylverfahren als auch die allgemeinen Verfahren. Sie erklärt sich mit den unverändert hohen Erledigungszahlen, die im Jahr 2022 ebenso wie im Vorjahr über den Eingangszahlen liegen. 

Die Entwicklung der Bestände der letzten fünf Jahre stellt sich im Einzelnen wie folgt dar:

Bestand im Jahr:20182019202020212022
insgesamt:7.6504.5832.9282.3531.796
davon allgemeine Verfahren:1.4081.3981.3021.2551.048
davon Asylverfahren:6.2423.1851.6261.098748

4. Bei Verfahrensdauer Spitzenplatz im bundesweiten Vergleich

Im Jahr 2022 hat sich die durchschnittliche Verfahrensdauer bei den Verwaltungsgerichten in Klageverfahren gegenüber dem Vorjahr verringert von 6,7 auf 5,3 Monate und im Bereich der Asylverfahren von 7,3 auf nunmehr 4,8 Monate. Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Eilverfahren) dauern wie im Vorjahr im Durchschnitt 0,6 Monate. Diese Verfahrensdauer im Jahr 2022 stellt sowohl bei den Klage- als auch bei den Eilverfahren im bundesweiten Vergleich – gemessen an den allerdings nur begrenzt aussagefähigen Zahlen des Jahres 2021 (neuere Zahlen der anderen Bundesländer liegen noch nicht vor) – den Spitzenplatz dar.

Durchschnittliche Verfahrensdauer im Jahr:(in Monaten)20182019202020212022
Klageverfahren insgesamt:10,213,010,46,75,3
allein durch Urteil erledigt:13,417,112,98,26,0
Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes:0,70,70,60,60,6
Klageverfahren – nur Asylverfahren:11,515,412,67,34,8
Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes – nur Asylverfahren:0,60,60,30,40,4

Zum Vergleich:

Verfahrensdauer im Bundesdurchschnitt im Jahr 2021:

Klageverfahren insgesamt:​​​​​​​ ​18,7

allein durch Urteil erledigt:​​​​​​​​​26,0

Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes:​​​​  2,0

Klageverfahren – nur Asylverfahren:​​​​​​  ​23,5

Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes – nur Asylverfahren:​ 1,6 

5. Personalentwicklung

Die Zahl der bei den Verwaltungsgerichten tätigen Richterarbeitskräfte – also ohne die an Ministerien oder an Bundesverfassungs- oder Bundesverwaltungsgericht abgeordneten Richter – ist in 2022 gegenüber dem Vorjahr von 70,30 auf 65,40 Richterarbeitskräfte gesunken.  

Die Personalentwicklung der letzten fünf Jahre stellt sich im Einzelnen wie folgt dar:

Zahl der jeweils am Jahresende bei den Verwaltungsgerichten tätigen Richterarbeitskräfte:
20182019202020212022
74,2574,3072,5570,3065,40

6. „Erfolgsquote“ bei den Verwaltungsgerichten

Die Quote erfolgreicher Klagen ist gegenüber dem Vorjahr nahezu unverändert geblieben. Der Anteil der Klageverfahren, in denen bei streitigen Entscheidungen der Bürger vollständig gegenüber der Behörde obsiegt hat, lag im Jahr 2022 bei 15,7 % gegenüber 16,7 % im Vorjahr. Nimmt man die Verfahren hinzu, in denen der Bürger einen Teilerfolg errungen hat, so hatten seine Klagen in 21,2 % (Vorjahr: 23,0 %) der Fälle ganz oder teilweise Erfolg. 

Etwas verringert hat sich hingegen die „Erfolgsquote“ im Asylbereich. In Asylverfahren hatten erstinstanzlich 23,0 % der Klagen gegenüber 31,0% im Vorjahr zumindest teilweise Erfolg.

III. Geschäftslage des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz

1. Rückgang der Eingangszahlen

Im Jahr 2022 sind beim Oberverwaltungsgericht – wie erwähnt – 1.247 Verfahren eingegangen. Damit sind die Eingangszahlen gegenüber dem Vorjahr erneut zurückgegangen. Der Rückgang der Eingangszahlen erstreckt sich sowohl auf dieVerfahren im Allgemeinen als auch auf die Asylverfahren beim Oberverwaltungsgericht, die sich im Jahr 2022 von 668 auf 517 Verfahren verringert haben. Dieser Wert liegt allerdings immer noch deutlich über dem Niveau des Jahres 2015 (172 Asylverfahren), bevor der starke Anstieg der Asylverfahren im Jahr 2016 die zweite Instanz erreichte (842 Asylverfahren). 

Im Einzelnen stellt sich die Entwicklung der Eingangszahlen beim Oberverwaltungsgericht wie folgt dar:

Verfahrenseingänge im Jahr:20182019202020212022
insgesamt:1.7121.9101.7071.5631.247
davon allgemeine Verfahren:923885887895730
davon Asylverfahren:7891.025820668517

Nach Sachgebieten aufgeschlüsselt ergibt sich bei den Eingängen des Jahres 2022folgendes Bild:

2. Zahl der Erledigungen ebenfalls zurückgegangen

Im Jahr 2022 hat das Oberverwaltungsgericht insgesamt 1.265 Verfahren erledigt und damit eine geringere Anzahl als im Vorjahr (1.600 Verfahren). Die Erledigungszahlen liegen aber ebenso wie bei den erstinstanzlichen Verwaltungsgerichten über den Eingangszahlen. Der Rückgang der Zahl der Erledigungen betrifft sowohl den Asylbereich als auch die allgemeinen Verfahren.

Erledigungen im Jahr: 2018 2019 202020212022
insgesamt:1.5321.8011.9901.6001.265
davon allgemeine Verfahren:891934880931746
davon Asylverfahren:6418671.110669519

3. Weitere Abnahme des Bestands

Die Zahl der am Ende des Jahres 2022 beim Oberverwaltungsgericht noch anhängigen Verfahren hat sich gegenüber dem Vorjahr von 543 auf 529 verringert. Während der Bestand in allgemeinen Verfahren weiter abgenommen hat, ist er im Asylbereich gegenüber dem Vorjahr nahezu unverändert geblieben. Damit konnte der Bestand insgesamt, nachdem er von 288 Verfahren im Jahr 2015 auf 863 Verfahren im Jahr 2019 gestiegen war, weiter abgebaut werden. Allerdings liegt der Bestand im vergangen Jahr (529) immer noch deutlich über dem Stand des Jahres 2015 (288). 

Die Entwicklung der Bestände stellt sich im Einzelnen wie folgt dar:

Bestand im Jahr: 2018 2019 202020212022
insgesamt:754863580543529
davon allgemeine Verfahren:302253259223208
davon Asylverfahren:452610321320321

4. Kurze Verfahrensdauer im bundesweiten Vergleich

Beim Oberverwaltungsgericht wurden Berufungsverfahren (und Anträge auf Zulassung der Berufung) im Durchschnitt in 6,9 Monaten und Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Beschwerden in Eilverfahren) in 1,2 Monaten erledigt. Die durchschnittliche Verfahrensdauer beim Oberverwaltungsgericht erhöhte sich damit im Jahr 2022 gegenüber dem Vorjahr bei den Berufungsverfahren, während sie bei den Eilverfahren unverändert blieb. Sie liegt bei den Berufungs- und Eilverfahren im bundesweiten Vergleich gemessen an den – begrenzt aussagekräftigen – Zahlen des Jahres 2021 (neuere Zahlen liegen für die anderen Bundesländer noch nicht vor) deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. Das gilt allerdings nicht in Asylverfahren. Diese Berufungsverfahren (und Anträge auf Zulassung der Berufung) wurden beim Oberverwaltungsgericht im Durchschnitt in 8,2Monaten erledigt, was dem Bundesdurchschnitt des Vorjahres (2021: 8,2 Monate)entspricht.

Durchschnittliche Verfahrensdauer im Jahr:(in Monaten)20182019202020212022
Berufungsverfahren (und Zulassungsverfahren) insgesamt:5,75,56,64,66,9
allein durch Urteil erledigt: 11,97,99,87,510,0
Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes:1,31,21,11,21,2
Berufungsverfahren (und Zulassungsverfahren) – nur Asylverfahren:5,95,77,14,98,2

Zum Vergleich:

Verfahrensdauer im Bundesdurchschnitt im Jahr 2021:

Berufungsverfahren (und Zulassungsverfahren) insgesamt:​​​10,2

allein durch Urteil erledigt:​​​​​​​​18,3

Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes:​​​  2,8

Berufungsverfahren (und Zulassungsverfahren) – nur Asyl:​​​  8,2

5. Personalentwicklung

Die Zahl der beim Oberverwaltungsgericht tätigen Richterarbeitskräfte – also ohne die an andere Gerichte (z.B. Bundesverfassungsgericht und Bundesverwaltungsgericht) oder an Ministerien abgeordneten Richter – ist nach einem Rückgang von 23,25 (in 2020) auf 21,75 (in 2021) in 2022 gegenüber dem Vorjahr wieder geringfügig auf 22,55 Richterarbeitskräfte gestiegen. Drei der rund 22 Richterarbeitskräfte sind dauerhaft gebunden für die Arbeit für den Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz, dessen Geschäfte beim Oberverwaltungsgericht geführt werden.

6. „Erfolgsquote“ beim Oberverwaltungsgericht

Der Anteil der Berufungsverfahren einschließlich der Zulassungsverfahren, in denen bei streitigen Entscheidungen der Bürger vollständig gegenüber der Behörde obsiegt hat, lag im Jahr 2022 bei 12,1 % (Vorjahr:  6,6 %). Nimmt man die Verfahren hinzu, in denen der Bürger einen Teilerfolg errungen hat, so hatten seine Berufungen einschließlich der Anträge auf Zulassung der Berufung in 12,6 % (Vorjahr: 7,4 %) der Fälle ganz oder teilweise Erfolg. Noch stärker gestiegen ist die Erfolgsquote bei Berufungen einschließlich der Anträge auf Zulassung der Berufung in Asylverfahren, in denen die Asylsuchenden im Jahr 2022 in 11,3 % der Fälle zumindest teilweise Erfolg hatten. Sie liegt damit deutlich über der Quote der beiden vorangegangenen Jahre (2021: 1,9 % und 2020: 4,1 %).

In Normenkontrollverfahren war die Erfolgsquote höher, wenngleich sie im Jahr 2022 gegenüber dem Vorjahr gesunken ist: In 33,3 % der Fälle hatte der Antrag ganz oder zumindest teilweise Erfolg (Vorjahr 45,9 %).

IV. Auswahl Entscheidungen im Jahr 2022

1. Senat

1. Normenkontrollantrag gegen vorläufige Unterschutzstellung von drei Brunnen im Landkreis Vulkaneifel erfolglos

Die Rechtsverordnungen der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord über die vorläufige Unterschutzstellung von drei Brunnen im Landkreis Vulkaneifel, die für die Wasserversorgung der Verbandsgemeinde Gerolsheim genutzt werden, sind wirksam. Die Verordnungen können sich auf das Wasserhaushaltsgesetz stützen, wonach in einem als Wasserschutzgebiet vorgesehenen Gebiet vorläufige Anordnungen getroffen werden können, wenn anderenfalls der mit der Festsetzung des Wasserschutzgebiets verfolgte Zweck gefährdet wäre.

(Beschluss vom 2. März 2022 – 1 C 11675/20.OVG; vgl. PM Nr. 7/2022)

2. Normenkontrollantrag gegen Bebauungsplan „Hängeseilbrücke Geierlay“ unzulässig


Der Normenkontrollantrag der Gemeinde Mörsdorf gegen den Bebauungsplan der Gemeinde Sosberg, mit dem Flächen für einen Spielplatz und eine Parkanlage mit Kiosk, Terrasse und Toilettenanlage am auf deren Gemarkung befindlichen Brückenkopf der gut besuchten Hängeseilbrücke Geierlayfestgesetzt werden, die zwischen den Gemeinden über ein Bachtal führt, ist unzulässig. Der Antragstellerin fehlt die erforderliche Antragsbefugnis. Sie hat insbesondere nicht dargelegt, dass sie durch den angefochtenen Bebauungsplan in ihrem Recht als Nachbargemeinde auf interkommunale Abstimmung verletzt sein könnte.


(Urteil vom 7. März 2022 – 1 C 11462/20.OVG; vgl. PM Nr. 6/2022)

2. Senat

1. Lehrkraft ist nur, wer auch an der Schule unterrichtet – Keine vorgezogene Altersgrenze für ausschließlich in der Schulverwaltung tätige Lehrerin

Eine Lehrerin, die ausschließlich als Referentin in der Schulverwaltung tätig ist und daher nicht an der Schule unterrichtet, hat keinen Anspruch darauf, früher in den Ruhestand zu gehen, als die übrigen Beamten des Landes. Für sie gilt die allgemeine Regelaltersgrenze (Ablauf des Monats, in dem das 67. Lebensjahre vollendet wird). Die für Lehrkräfte seit dem Jahr 2015 nach dem Landesbeamtengesetz geltende Privilegierung, dass diese bereits mit dem Ende des Schuljahres, in dem sie das 65. Lebensjahr vollenden, in den Ruhestand treten, gilt für sie nicht.


(Beschluss vom 29. November 2023 –  2 A 10864/22.OVG; vgl. PM Nr. 17/2022)

2. Polizei Rheinland-Pfalz muss keine Bewerber einstellen, deren Tätowierungen Zweifel an der Verfassungstreue begründen

Ein Bewerber, bei dem wegen des konkreten Inhalts und der Ausgestaltung seiner (nicht sichtbaren) Tätowierung Zweifel an der charakterlichen Eignung bestehen, hat keinen Anspruch auf Einstellung als Polizeibeamter. 


(Beschluss vom 8. Dezember 2022 – 2 B 10974/22.OVG; vgl. PM Nr. 21/2022)

3. Senat

Aberkennung des Ruhegehalts einer pensionierten Lehrerin wegen Vertretens von „Reichsbürger“-Gedankengut

Einer Lehrerin, die sich im Ruhestand gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung betätigt, indem sie das mit ihrer Verfassungstreuepflicht nicht zu vereinbarende Gedankengut der sog. Reichsbürgerbewegung verinnerlicht und aktiv nach außen getragen hat, ist das Ruhegehalt abzuerkennen. 


(Urteil vom 11. März 2022 – 3 A 10615/21.OVG; vgl. PM Nr. 5/2022)

6. Senat

1. Corona: Eilantrag einer ungeimpften Zahnarztmitarbeiterin gegen Praxisbetretungsverbot bleibt erfolglos  

Der Eilantrag einer in einer Zahnarztpraxis Beschäftigten, die nicht gegen das Coronavirus (SARS-CoV-2) geimpft war, gegen das Verbot des Gesundheitsamtes des Landkreises Südliche Weinstraße, die Praxisräume zu betreten, blieb ohne Erfolg. Nach der bis zum 31. Dezember 2022 geltenden Regelung des § § 20a Infektionsschutzgesetz – IfSG – mussten Personen in bestimmten Einrichtungen, zu denen u.a. Arzt- und Zahnarztpraxen gehörten, ab 15. März 2022 über einen Impf- oder Genesenennachweis gegen das Coronavirus (SARS-CoV-2) verfügen. Das Gesundheitsamt konnte einer Person, die keinen Nachweis innerhalb einer angemessenen Frist vorlegte, untersagen, dass sie die Räume der Einrichtung betritt. Die in § 20a IfSG befristet geregelte Pflicht zum Nachweis einer Impfung oder Genesung aller in bestimmten Einrichtungen tätigen Personen war entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht wegen zwischenzeitlich veränderter tatsächlicher Bedingungen oder neu gewonnener wissenschaftlicher Erkenntnisse als offensichtlich verfassungswidrig zu erachten.


(Beschluss vom 2. September 2022 – 6 B 10723/22.OVG; vgl. PM Nr. 13/2022)

2. Verbandsgemeinden nicht zuständig für die Festsetzung von Parkgebühren

§ 6a Abs. 6 des Straßenverkehrsgesetzes begründet für Verbandsgemeinden keine Ermächtigungsgrundlage zur Festsetzung von Parkgebühren, nachdem die Landesverordnung über die Übertragung einer solchen Ermächtigung zum 1. Juli 2020 aufgehoben worden ist. Zuständig ist vielmehr grundsätzlich die Ortsgemeinde.


(Urteil vom 27. September 2022 – 6 C 10153/22.OVG –)

7. Senat

1. Kein fiktives Geburtsdatum im Ausweis

Ein im Jahr 1957 in Algerien geborener Kläger mit deutscher Staatsangehörigkeit, dessen konkretes Geburtsdatum unbekannt ist, hat keinen Anspruch auf Eintragung eines fiktiven Geburtsdatums anstatt der Eintragung „XX.XX.1957“ in seinen Personalausweis und seinen Reisepass.


(Urteil vom 11. November 2022 – 7 A 10318/22.OVG; vgl. PM Nr. 19/2022)

2. Einreiseverweigerung an deutsch-französischer Grenze zu Beginn der Corona-Pandemie rechtmäßig

Die gegenüber einem französischen Staatsangehörigen mit Wohnsitz in Frankreich mündlich verfügte Einreiseverweigerung an der deutsch-französischen Grenze als Reaktion auf die Ausbreitung des Virus SARS-CoV-2 im Bundesgebiet im Frühjahr 2020 war rechtmäßig. Die Einreise kann aus Gründen der öffentlichen Gesundheit verweigert werden, wenn es sich um Krankheiten mit epidemischem Potenzial handelt. Die Einreiseverweigerung stellt auch keine unzulässige unionsrechtswidrige Diskriminierung aufgrund der französischen Staatsangehörigkeit des Klägers dar. Für die eigenen Staatsangehörigen ist das Einreiserecht eine Folge ihrer Stellung als Staatsangehörige, sodass es nicht im Ermessen des Staates steht, die Ausübung dieses Rechts einzuschränken. Die Einreiseverweigerung genügtauch den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit. Dabei ist zu berücksichtigen, dass damals eine erhebliche wissenschaftliche und praktische Unsicherheit in Bezug auf die Eigenarten und Auswirkungen der pandemischen Situation wie auch den Effekt der beschlossenen Maßnahmen bestanden hat. Unter solchen Umständen ist einem Mitgliedstaat zuzugestehen, dass er nach dem Vorsorgeprinzip Schutzmaßnahmen trifft, ohne abwarten zu müssen, dass das Vorliegen und die Größe dieser Gefahren klar dargetan sind.


(Urteil vom 17. November 2022 – 7 A 10719/21.OVG; vgl. PM Nr. 20/2022)

8. Senat

1. Die Klage von Inhabern eines landwirtschaftlichen Betriebes gegen die geplante Ortsumgehung der Gemeinde Offstein (Neubau der L 455) ist unbegründet.

Die für die Straßenbaumaßnahme notwendige Planrechtfertigung ist gegeben. Die Umgehung dient der Entlastung des Offsteiner Ortskerns von erheblichem Durchgangsverkehr, insbesondere von Schwerlastverkehr. Es liegt auch kein Abwägungsfehler hinsichtlich der Auswirkungen der geplanten Ortsumgehung auf den landwirtschaftlichen Betrieb der Kläger vor. Ein von der Planfeststellungsbehörde in Auftrag gegebenes Gutachten zur Frage der Existenzgefährdung des Betriebs konnte nicht erstellt werden, weil die Kläger ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sind und keine aussagekräftigen betrieblichen Unterlagen zur Verfügung gestellt haben. Letztlich kann die Frage der Existenzgefährdung aber sogar offenbleiben. Denn der Planfeststellungsbeschluss stellt im Rahmen der Abwägung zulässigerweise auch darauf ab, dass selbst eine solche Auswirkung auf einzelne Betriebe nicht zu einer Änderung der Planung führen kann, weil die Interessen der Allgemeinheit an der Herstellung der Westumgehung Offstein den entgegenstehenden Interessen landwirtschaftlicher Betriebe am Erhalt des Betriebes vorgehen.


(Urteil vom 20. Juli 2022 – 8 C 10278/21.OVG; vgl. PM Nr. 12/2022)

2. Der vorhabenbezogene Bebauungsplan der Ortsgemeinde Wellen (Verbandsgemeinde Konz), mit dem die Errichtung eines Lebensmittelmarktes ermöglicht werden soll, ist wegen formeller Mängel unwirksam.

Zum einen hat an dem Satzungsbeschluss ein kraft Gesetzes ausgeschlossenes Ratsmitglied der Antragsgegnerin mitgewirkt, wie sich aus der Niederschrift zur Sitzung des Ortsgemeinderats ergibt, die als öffentliche Urkunde grundsätzlich Beweiskraft entfaltet. Zum anderen durfte der Bebauungsplan nicht im sogenannten beschleunigten Verfahren aufgestellt werden, da die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 13a Baugesetzbuch nicht vorlagen. Denn es handelt sich nicht um einen Bebauungsplan der Innenentwicklung, weil sein räumlicher Geltungsbereich auf den Außenbereich zugreift. 

(Urteile vom 7. Dezember 2022 – 8 C 10123/22.OVG und 8 C 11491/21.OVG; vgl. PM Nr. 18/2022)

10. Senat

1. Neuwahl der Ausschüsse eines Gemeinderats

Das Wahlvorschlagsrecht einer im Gemeinderat vertretenen politischen Gruppe kann bei einer Neuwahl der Mitglieder der Gemeinderatsausschüsse nur verletzt sein, wenn sie einen eigenen Wahlvorschlag eingereicht hat, dieser aber nicht oder nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprechend berücksichtigt wurde. Beteiligt sich die politische Gruppe dagegen nicht mit einem eigenen Wahlvorschlag an der Wahl im Gemeinderat, ist dies Folge ihrer eigenen Entscheidungs- und Dispositionsbefugnis und eine (mögliche) Verletzung in ihren organschaftlichen Rechte ist dann von vornherein ausgeschlossen. Für eine auf Neuwahl der Ausschüsse unter Berücksichtigung eines Wahlvorschlags ihrerseits gerichteten Klage gegen den Gemeinderat fehlt der politischen Gruppe die Klagebefugnis und das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis, die Klage ist unzulässig.

(Beschluss vom 3. August 2022 – 10 A 10255/22.OVG)

2. Kein transparenzrechtlicher Auskunftsanspruch gegenüber einer Krankenkasse

Eine Krankenkasse ist eine Selbstverwaltungsorganisation im Sinne der Bereichsausnahme nach § 3 Abs. 6 Satz 2 des Landestransparenzgesetzes und damit für amtliche Informationen nicht auskunftspflichtig. Ein Insolvenzverwalter kann daher keine Auskunft über das bei der Krankenkasse für einen Insolvenzschuldner geführte Beitragskonto verlangen.

(Urteil vom 4. November 2022 – 10 A 10030/22.OVG)

13. Senat

Ein sorgeberechtigter Elternteil kann Familienasyl oder internationalen Schutz für Familienangehörige nach § 26 Abs. 3 (i.V.m. Abs. 5) AsylG auch von einem erst im Bundesgebiet geborenen minderjährigen Kind, dem Asyl oder internationaler Schutz zuerkannt wurde, ableiten.

(Beschluss vom 25. Juli 2022 – 13 A 11241/21.OVG)

Nicht immer erreichen bedeutsame Verfahren der Verwaltungsgerichte das Oberverwaltungsgericht als zweite Instanz, sondern werden dort abschließend entschieden. Als Beispiel hierfür lassen sich anführen:

1. Verwaltungsgericht Koblenz, Urteil vom 25. Oktober 2022 – 1 K 36/22.KO

Seit einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2007 steht grundsätzlich fest, dass die klagendende Deutsche Bahn AG zur Instandhaltung der 45 km langen Eisenbahnstrecke 3021 zwischen Stromberg und Büchenbeuren(Hunsrückquerbahn) verpflichtet ist. Im Februar 2020 meldete das beigeladene Eisenbahnverkehrsunternehmen konkreten Bedarf an der Strecke ab Ende 2021 an. Das Eisenbahn-Bundesamt erließ daraufhin gegenüber der Klägerin einen Bescheid, mit welchem es sie unter Zwangsgeldandrohung u. a. aufforderte, die Strecke nebst den zugehörigen Serviceeinrichtungen in einen technischen Zustand zu versetzen, der einen Zugverkehr ermögliche. Ihre hiergegen erhobene Klage hatte überwiegend – mit Ausnahme der Anfechtung der Zwangsgeldandrohung – keinen Erfolg (vgl. PM des Verwaltungsgerichts Koblenz Nr. 36/2022).

2. Verwaltungsgericht Koblenz, Urteil vom 22. November 2022 – 5 K 645/22.KO

Die Beschränkung des anspruchsberechtigten Personenkreises für die im Jahr 2022 gewährte Corona-Sonderzahlung auf solche Bedienstete, die zum 29. November 2021 in einem aktiven Dienst- oder Ausbildungsverhältnis zum beklagten Land Rheinland-Pfalz gestanden haben, ist rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. PM des Verwaltungsgerichts Koblenz Nr. 45/2022).

3. Verwaltungsgericht Mainz, Beschluss vom 17. November 2022 – 1 L 652/22.MZ

Die in der 34. Corona-Bekämpfungsverordnung von Rheinland-Pfalz enthaltene sog. Maskenpflicht für den öffentlichen Personennahverkehr ist jedenfalls für die noch verbleibende kurze Geltungsdauer der Anordnung bis zum 30. November 2022 als voraussichtlich rechtmäßig zu bewerten. Deshalb kann eine Ausnahme davon derzeit nicht im vorläufigen Rechtsschutz verlangt werden. (vgl. PM des Verwaltungsgerichts Mainz Nr. 9/2022). 

4. Verwaltungsgericht Mainz, Beschluss vom 20. Dezember 2022 – 4 L 681/22.MZ

Einem Hochschullehrer kann die Führung der Dienstgeschäfte und der Aufenthalt in den Diensträumen der Hochschule mit sofortiger Wirkung vorläufig untersagt werden, wenn er sich in massiver Weise respektlos, herablassend und aggressiv gegenüber Kollegen äußert und dadurch der Dienstbetrieb erheblich beeinträchtigt wird. (vgl. PM des Verwaltungsgerichts Mainz Nr. 12/2022).

5. Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße, Urteil vom 25. August 2022 –  4 K 822/21.NW

Der Klage von Anwohnern auf bauaufsichtliches Einschreiten des Landkreises Germersheim gegen die Nutzung einer genehmigten Beachvolleyballanlage in Lingenfeld zu Feier- und geselligen Veranstaltungen war erfolgreich. Denn diese Nutzung ist von der Baugenehmigung für eine solche Anlage nicht gedeckt (vgl. PM des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße Nr. 19/2022).

6. Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße, Beschluss vom 19. September2022 –  4 L 270/22.NW

Die Stadt Bad Bergzabern ist berechtigt, von dem Betreiber einer Corona-Teststelle die Beseitigung des von ihm auf einem öffentlichen Parkplatz aufgestellten Containers zu verlangen, der die erforderliche Sondernutzungserlaubnis nicht besitzt (vgl. PM des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße Nr. 21/2022).

7. Verwaltungsgericht Trier, Urteil vom 20. Mai 2022 – 3 K 3591/21.TR 

Das landesweit für Disziplinarsachen zuständige Verwaltungsgerichts Trier hat einer Beamtin, die bis zu ihrer Versetzung in den Ruhestand im Rahmen ihrer Tätigkeit bei einer landesweiten Kostenstelle in mehreren Hinterlegungsfällen rund 100.000 EUR veruntreuend unterschlagen hatte, das Ruhegehalt aberkannt. Denn hierdurch hat sie sich nicht nur strafbar gemacht, sondern in disziplinarrechtlicher Hinsicht zugleich in gravierender Weise gegen ihre Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten und ihre Pflicht zur uneigennützigen und gewissenhaften Amtsführung sowie gegen ihre Verpflichtung zu rechtmäßigem dienstlichen Handeln verstoßen. (vgl. PM des Verwaltungsgerichts Trier Nr. 14/2022).

8. Verwaltungsgericht Trier, Urteil vom 22. Juni 2022 – 9 K 391/22.TR

Die Klage einer Firma, die Verpackungsprodukte aller Art aus Papier und Kunststoff erstellt, gegen einen Feststellungsbescheid, mit dem die Beklagte eine nicht von der Klägerin hergestellte und vertriebene Kunststofftragetasche als systembeteiligungspflichtige Verpackung eingeordnet hat, ist mangels Klagebefugnis unzulässig.  Es reicht hierfür nicht aus, dass ihre Produkte mit den im angefochtenen Bescheid genannten im Wesentlichen vergleichbar sind (vgl. PM des Verwaltungsgerichts Trier Nr. 17/2022).

Quelle: OVG Rheinland-Pfalz, Pressemitteilung vom 27. April 2023

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