Mit Beschluss vom 25. September 2024 hat das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz dem Bundes­verfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob die Besoldung von Beamten in Rheinland-Pfalz in der Besoldungsgruppe A 8 in den Jahren 2012 bis 2014 verfassungsgemäß gewesen ist.

Das Land Rheinland-Pfalz ist durch das Grundgesetz verpflichtet, seine Beamtinnen und Beamten amtsangemessen zu besolden. Hierbei hat das Bundesverfassungs­gericht verschiedene Kriterien entwickelt, mit deren Hilfe die Amtsangemessenheit der Beamtenbesoldung überprüft werden kann. Dazu gehört unter anderem auch das sog. Mindestabstandsgebot. Dieses besagt, dass bei der Bemessung der Besoldung der qualitative Unterschied zwischen der Grundsicherung, die als staatliche Sozialleistung den Lebensunterhalt von Arbeitssuchenden sicherstellt, und dem Unterhalt, der erwerbstätigen Beamten geschuldet ist, hinreichend deutlich werden muss. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird der Mindestabstand nicht ein­gehalten, wenn die Nettoalimentation eines Beamten um weniger als 15 % über dem Grundsicherungsniveau liegt.

In dem Berufungsverfahren eines im Dienst des beklagten Landes stehenden Vermes­sungshauptsekretärs (Besoldungsgruppe A 8) ist der 2. Senat nunmehr, wie auch schon das Verwaltungsgericht Koblenz in einem anderen Fall (vgl. hierzu dessen Presse­mitteilung Nr. 13/2024 vom 5. Juni 2024), zu der Überzeugung gelangt, dass das Mindest­abstands­gebot in der Besoldungsgruppe A 8 in den Jahren 2012 bis 2014 in Rhein­land-Pfalz nicht eingehalten wurde. Ausgangspunkt zur Bestimmung des hierbei maß­geblichen Nettoalimentationsniveaus sei weiterhin die aus der bisherigen Besol­dungs­praxis ab­geleitete Bezugsgröße der Alleinverdienerfamilie mit zwei minderjähri­gen Kindern und nicht – wie vom beklagten Land argumentiert – eine Hinzuverdiener­fami­lie, bei der zu den Besoldungsbezügen noch ein Partnereinkommen im Umfang einer geringfügigen Beschäftigung hinzugerechnet werde. Auch für die hier streitgegen­ständlichen Jahre 2012 bis 2014 sei nach den gesetzlichen Regelungen und der inso­weit maßgeblichen Gesetzesbegründung davon auszugehen, dass der Landesbesol­dungsgesetzgeber das Grundgehalt von vornherein so bemessen habe, dass – zu­sam­men mit den Fami­lienzuschlägen für den Ehepartner und die ersten beiden Kinder – eine bis zu vier­köpfige Familie unterhalten werden könne. Ausgehend hiervon sei das Mindest­abstandsgebot in der zur Prüfung stehenden Besoldungsgruppe A 8 deut­lich verletzt worden. So habe sich im Jahr 2012 das Grundsicherungsniveau auf 25.607,52 Euro belaufen. Die danach gebotene Mindestalimentation eines Beamten betrage 29.448,65 Euro (115 % von 25.607,52 Euro). Die Nettoalimentation in der Besoldungs­gruppe A 8 habe jedoch lediglich 27.977,56 Euro ausgemacht und sei des­halb 1.471,09 Euro hinter der verfassungsrechtlich gebotenen Mindestalimentation zu­rück­geblieben, was einem relativen Fehlbetrag von rd. 5 % entspreche. Im Jahr 2013 sei der Fehlbetrag auf 1.843,76 Euro (rd. 6,1 %) und im Jahr 2014 auf 2.107,18 Euro (rd. 6,9 %) angestie­gen. Dieser Verstoß gegen das Mindestabstandsgebot in der zur Über­prüfung gestell­ten Besoldungsgruppe selbst sei keiner Rechtfertigung zugänglich. In­wiefern kollidie­rende verfassungsrechtliche Wertungen eine Unterschreitung des Mindestabstands zum Grundsicherungsniveau in der zur Überprüfung gestellten Besoldungsgruppe rechtfertigen könnten, sei nicht erkennbar. Zwar könne die Ver­pflichtung der Bundes­länder zur Haushaltskonsolidierung als kollidierendes Verfas­sungsrecht – und zwar auch bereits vor dem Inkrafttreten der „Schuldenbremse“ – unter Umständen eine Ein­schränkung des Grundsatzes der amtsangemessenen Ali­mentation rechtfertigen. Bei Zurückbleiben der streitgegenständlichen Besoldung selbst hinter dem Mindest­abstandsgebot liege dies jedoch anders. Jedenfalls der Abstand zum Grundsicherungs­niveau als „Urmeter des Besoldungsrechts“ durch die betroffene Besoldungsgruppe müsse zwingend eingehalten werden. Selbst wenn man einen Verstoß gegen das Mindestabstandsgebot dem Grunde nach als rechtferti­gungsfähig erachten wollte, führte dies vorliegend nach Überzeugung des Senats nicht zur Verneinung der Verfas­sungswidrigkeit der streitgegenständlichen Besoldungs­regelungen. Die Finanzlage der öffentlichen Haushalte oder das Ziel der Haushalts­konsolidierung könnten den Grund­satz der amtsangemessenen Alimentation mit Blick auf die in Artikel 109d Absatz 1 Satz 4 Grundgesetz – GG – angelegte Vorwirkung der strukturellen Nettokreditaufnahme nur zur Bewältigung einer der in Artikel 109 Absatz 3 Satz 2 GG genannten Ausnahme­situationen rechtfertigen. Eine Ausnahmesituation der hiermit in Bezug genommenen Konstellationen, also bei Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, habe der Beklagte für die streit­gegenständlichen Jahre und unter Berücksichtigung der drastischen Unteralimentation in den unteren Besoldungsgruppen nicht hinreichend schlüssig belegt. Der Beklagte habe darüber hinaus weder im erst­instanzlichen Verfahren noch im Berufungs­verfahren dargetan, dass die weit hinter den Grenzen des Mindestabstandsgebots zurückbleibende Besoldungshöhe in der Besol­dungsgruppe A 8 und die hiermit ein­hergehende, nahezu vollständige Angleichung der Beamtenbezüge in der untersten Besoldungsgruppe an die staatlichen Sozialleistungen Teil eines schlüssigen und umfassenden Konzepts der Haushaltskonsolidierung gewesen sei, bei dem die Ein­sparungen – wie es nach dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Absatz 1 GG geboten sei – gleichheitsgerecht hätten erwirtschaftet werden sollen. Dies sei aber (weitere) Voraussetzung dafür, eine Einschränkung des Grundsatzes der amtsangemessenen Alimentation mit Blick auf die Verpflichtung zur Haushaltskonsoli­dierung zu rechtferti­gen.

Da es dem Oberverwaltungsgericht verwehrt ist, die Verfassungswidrigkeit der vom Gesetzgeber geschaffenen Besoldungsregelungen selbst verbindlich festzustellen, hat der Senat das Berufungsverfahren ausgesetzt und dem hierfür zuständigen Bundes­verfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Diese Verfahrensweise sieht das Grundgesetz vor, wenn ein Gericht ein Gesetz für verfassungswidrig hält, auf das es für seine Entscheidung ankommt (vgl. Art. 100 Absatz 1 GG).

Soweit der Kläger in einem weiteren Verfahren die Feststellung begehrt hat, dass auch die Besoldung ab seiner im Mai 2014 ausgesprochenen Beförderung in das Amt eines Vermessungsinspektors (Besol­dungsgruppe A 9) bis zum 31. Dezember 2016 verfas­sungswidrig zu niedrig gewesen ist, hat das Oberverwaltungsgericht hingegen seine Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts Trier zurück­gewiesen und hiermit – im Ergebnis – die Entscheidung der Vorinstanz bestätigt.

Ansprüche eines Beamten, deren Festsetzung und gegebenenfalls Zahlung sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergäben, bedürften nach höchstrichterlicher Recht­sprechung des Bundesverfassungsgerichts sowie des Bundesverwaltungsgerichts der vorherigen Geltendmachung. Bei diesem Erfordernis handele es sich allerdings – anders als noch von der Vorinstanz angenommen – um eine materiell-rechtliche Anspruchs­voraussetzung und nicht um eine Frage der Zulässigkeit der Klage. Der Beamte müsse den Einwand der unzureichenden Alimenta­tion in dem Haushaltsjahr geltend machen, für das er eine höhere Besoldung oder Versorgung begehre. Die Erklärung solle den Dienstherrn auf ein mögliches Alimenta­tionsdefizit aufmerksam machen, damit dieser sich auf mögliche finanzielle Mehrbe­lastungen einstellen könne. Aus diesem Erfordernis folge zwar grundsätzlich keine Obliegenheit des Beamten nach erstmaliger Rüge unzureichender Alimentation in jedem Haushaltsjahr erneut eine amtsangemessene Alimentation zu begehren. Etwas anderes gelte jedoch dann, wenn der Widerspruch entweder nicht erkennbar auf die Zukunft gerichtet sei, sondern nur auf einen bestimmten Zeitraum beschränkt werde oder wenn aufgrund geänderter tat­sächlicher oder rechtlicher Umstände nicht hinreichend klar sei, ob der Widerspruch weiterhin aufrechterhalten bleiben solle oder der Beamte möglicherweise mit den veränderten Umständen einverstanden sei, und insoweit Anlass für eine Klarstellung bestehe. Nach Maßgabe dieser Grundsätze liege keine zeitnahe Geltendmachung der Unterali­mentation durch den Kläger für den Zeitraum nach seiner Beförderung vor. Der Kläger habe sich im insoweit allein maßgeblichen Zeitraum bis zum 31. Dezember 2016 zu keinem Zeitpunkt mit der Begründung (bzw. einer so aufzufassenden Erklärung), dass auch seine Besoldung in der Besoldungsgruppe A 9 zu niedrig bemessen und deshalb zu beanstanden sei, an seinen Dienstherrn gewandt.

Beschluss vom 25. September 2024, Aktenzeichen 2 A 11745/17.OVG und

Urteil vom 25. September 2024, Aktenzeichen 2 A 10357/24.OVG

(c) OVG Rheinland-Pfalz, 02.10.2024

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