Gegen die Regelung des rheinland-pfälzischen Brand- und Katastrophenschutzgesetzes, wonach die Sanitätsorganisationen zum Ersatz der Einsatzkosten der Feuerwehr herangezogen werden können, wenn sie die Feuerwehr zur Unterstützung bei rettungsdienstlichen Aufgaben anfordern, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz.
Im Juli 2016 nahmen Rettungskräfte der Klägerin – eine Sanitätsorganisation – und die Freiwillige Feuerwehr der Beklagten eine Personenrettung aufgrund eines Schlaganfallsverdachts vor. Dabei kamen drei Feuerwehrleute sowie eine Drehleiter mit (Rettungs-)Korb zum Einsatz. Ausweislich des Einsatzberichts war die Rettung einer Person aus dem ersten Obergeschoss durch Einsatzmittel der Klägerin nicht möglich, sodass diese mittels Drehleiter unterstützt wurde. Der Patient wurde vom ersten Obergeschoss auf den Boden gefahren und an Mitarbeiter der Klägerin übergeben. Für den Feuerwehreinsatz machte die Beklagte gegenüber der Klägerin Kosten in Höhe von insgesamt 547,50 € geltend. Die von dieser nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens erhobene Klage lehnte das Verwaltungsgericht Mainz ab. Das Oberverwaltungsgericht bestätigte diese Entscheidung im Ergebnis und wies die Berufung der Klägerin zurück.
Der Kostenbescheid sei rechtmäßig. Die im Jahr 2016 eingeführte Regelung des rheinland-pfälzischen Brand- und Katastrophenschutzgesetzes (LBKG), wonach die Sanitätsorganisationen zum Ersatz der Einsatzkosten der Feuerwehr herangezogen werden können, wenn sie die Feuerwehr zur Unterstützung bei rettungsdienstlichen Aufgaben anfordern (bzw. – so die Formulierung der Neufassung des Gesetzes vom Dezember 2020 – wenn sie die Feuerwehr zur Unterstützung bei der Beförderung von kranken, verletzten oder sonst hilfsbedürftigen Personen im Rahmen des Rettungsdienstes anfordern), begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere bestünden keine Zweifel an der Zuständigkeit des Landesgesetzgebers. Entgegen der Ansicht der Klägerin falle die genannte Regelung nicht in die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 72, 74 Abs. 1 Nr. 12 des Grundgesetzes – GG – für das Gebiet der Sozialversicherung. Denn hierbei handele es sich um keine Regelung der Sozialversicherung, weil sie allein die Kostentragung im Verhältnis zwischen den Aufgabenträgern der Feuerwehr und den Sanitätsorganisationen betreffe, jedoch keine Kostentragungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen dem Grunde nach begründe.
Die gesetzlichen Voraussetzungen des LBKG für eine Kostenanforderung gegenüber der Klägerin lägen hier vor. Diese habe die Feuerwehr der Beklagten „zur Unterstützung bei rettungsdienstlichen Aufgaben“ angefordert. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen habe, sei eine solche Unterstützung bei rettungsdienstlichen Aufgaben nicht schon immer dann anzunehmen, wenn ein Rettungseinsatz der Feuerwehr eine Rettungsfahrt mit anschließender Behandlung in einer Klinik oder einer anderen Behandlungseinrichtung zur Folge habe. Nicht zu folgen sei jedoch der Ansicht der Vorinstanz, dass eine für den Rettungsdienst kostenpflichtige Mitwirkungshandlung der Feuerwehr jedenfalls dann vorliege, wenn der Patient durch den Rettungsdienst mit eigenen Mitteln erreicht werden könne und so dessen Erstzugriff in zumutbarer Weise möglich sei. Dieses Abgrenzungskriterium ergebe sich weder aus dem Wortlaut des Gesetzes noch aus dem in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers. Zudem sei eine Differenzierung danach, wem der Erstzugriff auf den Patienten möglich sei, angesichts der Vielgestaltigkeit der möglichen Situationen und einem denkbaren zeitlich parallelen Tätigwerden von Feuerwehr und Rettungsdienst für die Frage, ob die Feuerwehr zur Unterstützung rettungsdienstlicher Aufgaben tätig geworden sei, nicht in jedem Fall sachgerecht. Eine Unterstützung bei rettungsdienstlichen Aufgaben liege vielmehr zumindest dann vor, wenn der Einsatz der Feuerwehr ausschließlich bei der Durchführung einer rettungsdienstlichen Aufgabe erfolge und ohne den rettungsdienstlichen Einsatz keine Notwendigkeit eines Einsatzes der Feuerwehr bestanden hätte. Werde daher die Feuerwehr ausschließlich bei der Beförderung des Patienten tätig und hätte ohne den rettungsdienstlichen Einsatz keine Notwendigkeit hierfür bestanden, handele sie zur Unterstützung bei rettungsdienstlichen Aufgaben. Werde ein Einsatz der Feuerwehr hingegen unabhängig oder bloß neben rettungsdienstlichen Aufgaben, insbesondere nicht zur Unterstützung bei einer Transportleistung nötig, sei dies nicht als Unterstützung bei rettungsdienstlichen Aufgaben zu werten. Hier habe der Notfalltransport des Patienten von seiner Wohnung bis zum Rettungswagen mit Hilfe der Feuerwehr der Beklagten durch den Einsatz einer Drehleiter durchgeführt werden müssen, da aufgrund der gesundheitlichen Situation des intubierten und beatmeten Patienten mit Schlaganfallsverdacht ein Transport durch das Treppenhaus mittels Trage oder Tragetuch letztlich aus medizinischen Gründen nicht möglich gewesen sei. Ohne den gesundheitlichen Zustand des Patienten, der zum Einsatz des Rettungsdienstes geführt habe, hätte keine Notwendigkeit für den Einsatz der Feuerwehr bestanden.
Urteil vom 30. Juni 2022, Aktenzeichen: 7 A 10018/21.OVG
Quelle: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Pressemitteilung vom 12. August 2022