Seit mehr als sieben Jahren ist es der Stadt Solingen trotz mehrerer Ausschreibungen nicht gelungen, mit einem privaten Träger einen Vertrag über die Durchführung der örtlichen Wochenmärkte abzuschließen. Nachdem zuletzt das Verwaltungsgericht Düsseldorf mit Beschluss vom 18.5.2021 die Stadt im Wege einer einstweiligen Anordnung vorläufig verpflichtet hatte, über die Auswahl unter zwei privaten Bewerbern erneut zu entscheiden, hat die von der Stadt bisher nicht berücksichtigte Antragstellerin beim Oberverwaltungsgericht Beschwerde eingelegt, um die Wochenmärkte schon vor einer neuen Entscheidung der Stadt betreiben zu dürfen. Sie beruft sich insbesondere darauf, sie verfüge bereits über eine fiktive Erlaubnis nach § 6a der Gewerbeordnung, weil die Stadt über ihren Antrag auf Marktfestsetzung nicht innerhalb von drei Monaten entschieden habe.
Der 4. Senat des Oberverwaltungsgerichts hat am 29.4.2022 im Rahmen eines Hinweisbeschlusses darauf hingewiesen, dass die Beschwerde der Antragstellerin keinen Erfolg haben dürfte, und sich zu den von ihr aufgeworfenen Rechtsfragen geäußert. Nach den Ausführungen in dem Beschluss spricht Vieles dafür, dass die Regelung über eine fiktive Genehmigungserteilung wegen begrenzter Gesetzgebungskompetenz des Bundesgesetzgebers einer verfassungskonformen Auslegung bedarf. Da das Recht der Märkte seit 2006 in die Gesetzgebungskompetenz der Länder fällt, dürfte § 6a der Gewerbeordnung Marktfestsetzungsanträge nicht betreffen, für die das Unionsrecht die Einführung einer Genehmigungsfiktion nicht verlangt. Eine über die unionsrechtlichen Pflichten hinausgehende Fiktionsregelung dürften nur die Länder ein-führen dürfen. Aus dem Unionsrecht dürfte sich unter anderem keine Pflicht zur Einführung einer Fiktionsregelung ergeben für Märkte auf öffentlichen Flächen, die private Veranstalter nur im Rahmen öffentlicher Dienstleistungskonzessionen im Sinne des Unionsrechts betreiben können. Hierunter dürften die Wochenmärkte in Solingen fallen, die auf Ausschreibung der Stadt von einem privaten Konzessionsnehmer durch-geführt werden sollen. Bei ihnen dürfte es sich trotz der geplanten Durchführung durch
einen privaten Betreiber um gemeindliche Einrichtungen im Sinne von § 8 Gemeindeordnung NRW (GO NRW) handeln. Den sich hieraus ergebenden öffentlich-rechtlichen Bindungen gegenüber Beschickern, Besuchern und Dritten dürfte sich die Stadt Solingen nicht vollständig durch eine „Flucht ins Privatrecht“ entziehen können. Bei der im örtlichen Interesse erfolgenden Veranstaltung traditioneller Wochenmärkte dürfte es sich wegen § 107 Abs. 2 GO NRW auch nicht um eine wirtschaftliche Betätigung im Rechtssinne handeln, die den Schranken des § 107 Abs. 1 GO NRW unterliegt. Traditionelle Wochenmärkte mit Alleinstellungscharakter auf den Marktplätzen der jeweiligen Gemeinde oder zumindest des jeweiligen Ortsteils dürften nämlich als gemeindliche Einrichtungen, die der Wirtschaftsförderung dienen, vollständig aus dem Anwendungsbereich der Regelungen über die wirtschaftliche Betätigung von Gemeinden ausgenommen sein.


Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden bis zum 27.6.2022


Aktenzeichen: 4 B 996/21 (I. Instanz: VG Düsseldorf 3 L 59/21)

Quelle: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Pressemitteilung vom 2. Mai 2022

Cookie Consent mit Real Cookie Banner