Im Juli 1949, und damit vor 75 Jahren, fand der Aufbau der Verwaltungsgerichtsbarkeit des Landes Nordrhein-Westfalen mit der Gründung des Oberverwaltungsgerichts in Münster seinen Abschluss. In einem Festakt mit rund 200 Gästen aus vielfältigen Bereichen staatlichen Lebens und den Verwaltungsgerichten wurde dieses Jubiläum am 05.09.2024 in der voll besetzten Halle des Oberverwaltungsgerichts gefeiert.
Sebastian Beimesche, Vizepräsident des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, blickte in seiner Begrüßungsansprache auf die Anfangsjahre zurück: „Als 1949 eine kleine Schar von Richtern und eine Richterin die Arbeit in der Verwaltungsgerichtsbarkeit aufnahm“, sei nicht absehbar gewesen, „dass wir 75 Jahre später eine stabile und institutionell gefestigte Verfassungs- und Verwaltungskultur haben, in der die Bürgerinnen und Bürger nicht als bloße Objekte obrigkeitlicher Autorität, sondern als Subjekte im Mittelpunkt staatlichen Handelns stehen“. Eine funktionierende Verwaltungsgerichtsbarkeit sei unverzichtbar: Sie leiste einen „essentiellen Beitrag zur Verwirklichung der Rechtsschutzgarantie des Grundgesetzes und zur Durchsetzung unserer Rechtsordnung – und zwar sowohl im Interesse des Einzelnen als auch der Allgemeinheit“. Alle in der Justiz Tätigen wüssten, „dass das Vertrauen in die Gerichte der Stabilität des Gemeinwesens dient. Das galt vor 75 Jahren und das gilt – vielleicht sogar wieder in besonderem Maße – heute.“
Dr. Benjamin Limbach, Minister der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen, verwies in seinem Grußwort darauf, dass seine eigene berufliche Laufbahn am Verwaltungsgericht Köln begonnen habe. Er dankte Vizepräsident Beimesche dafür, dass dieser das Oberverwaltungsgericht während der bislang dreijährigen Vakanz der Präsidentenstelle „exzellent nach innen und außen vertreten“ habe. Es bestehe die berechtigte Erwartung, dass diese Position „bald wieder besetzt wird“. Limbach strich heraus, es mache die Stärke unseres grundgesetzlichen Systems aus, dass jede Maßnahme der Exekutive gerichtlich überprüfbar sei. Bei den Bürgerinnen und Bürgern genieße die Verwaltungsgerichtsbarkeit ein hohes Ansehen. Sie stehe aber auch vor großen Herausforderungen, so etwa bei der Bewältigung der Vielzahl von Asylverfahren.
Markus Lewe erklärte in seinem Grußwort, er sei als Oberbürgermeister der Stadt Münster „nicht ganz unstolz“ darauf, dass die nordrhein-westfälische Verwaltungsgerichtsgerichtsbarkeit mit dem Oberverwaltungsgericht und dem örtlichen Verwaltungsgericht in seiner Stadt vertreten sei. Spektakuläre Entscheidungen hätten Münster in den Fokus gestellt, wie zuletzt vor allem die Urteile des OVG in Sachen AfD, auf die „ganz Deutschland“ geschaut habe. Lewe betonte die Bedeutung des Vertrauens in staatliche Institutionen. Das Gemeinwesen insgesamt müsse sich daher überlegen, welche Prioritäten es bei den vielfältigen Zielkonflikten setzen wolle, um die Funktionsfähigkeit staatlicher Einrichtungen nicht zu überfordern. Was von den Verwaltungsgerichten geleistet werde, sei großartig. Um die aktuellen und künftigen Herausforderungen bewältigen zu können, müsse die Gerichtsbarkeit allerdings gestärkt werden.
Rechtsanwalt Dr. Michael Oerder, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Verwaltungsrecht NRW im Deutschen Anwaltverein, verwies darauf, dass er sehr gerne Anwalt im Verwaltungsrecht sei. Das liege „auch und gerade an den Verwaltungsgerichten“, deren Arbeitsweise und dem Umgang zwischen Richter- und Anwaltschaft. Ein „echter Wermutstropfen“ seien jedoch die Verfahrenslaufzeiten. Gleichwohl arbeite die nordrhein-westfälische Verwaltungsgerichtsbarkeit erkennbar an einer Effizienzsteigerung. Erforderlich sei eine „ausreichende Ausstattung der Gerichte, insbesondere mit qualifiziertem Personal“.
Dr. Holger Wöckel, Richter des Bundesverfassungsgerichts (und früherer Richter am OVG in Münster), widmete seinen Festvortrag der These, dass gerade die Verwaltungsgerichte nach 1949 den freiheitlichen Rechtsstaat des Grundgesetzes geprägt und damit der Verfassung Gestalt gegeben hätten.
(c) OVG NRW, 06.09.2024