Mit Urteil vom 18. April 2024 (Az.: 4 KN 262/20) hat der 4. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts in einem Normenkontrollverfahren die Verordnung über das Naturschutzgebiet „Haaßeler Bruch“ in den Gemarkungen Haaßel, Anderlingen und Ohrel im Landkreis Rotenburg (Wümme) vom 13. Dezember 2019 teilweise für unwirksam erklärt.
Das durch die angegriffene Verordnung unter Schutz gestellte Gebiet liegt nordöstlich der Ortschaft Haaßel innerhalb des Naturraumes „Beverner Geest“ und ist ca. 120 ha groß. Eine erste Ausweisung als Naturschutzgebiet zum 1. Februar 2015 war bereits durch das Urteil des 4. Senats vom 19. April 2018 (Az.: 4 KN 368/15) wegen eines Verkündungsfehlers für unwirksam erklärt worden. Darüber hinaus hatte der Senat die Naturschutzgebietsverordnung aber auch deswegen beanstandet, weil in die Unterschutzstellung eine etwa 10,7 ha große Fläche im südöstlichen Randbereich des Gebiets einbezogen worden sei, für die bereits ein Planfeststellungsbeschluss zur Errichtung und zum Betrieb einer Bodendeponie für insbesondere mineralische Abfälle vorgelegen habe. Die zeitlich vorrangige Deponieplanung habe bei dem Erlass der Naturschutzgebietsverordnung keine angemessene Berücksichtigung gefunden. In die erneute Unterschutzstellung des Gebiets „Haaßeler Bruch“ durch die nunmehr überprüfte Verordnung vom 13. Dezember 2019 bezog der Landkreis Rotenburg (Wümme) die für die Abfalldeponie maßgeblichen Flächen wiederum ein, nahm aber eine Regelung mit auf, wonach der Bau und Betrieb der Deponie gemäß dem Planfeststellungsbeschluss einschließlich möglicher Änderungen im Planergänzungsverfahren von den im Naturschutzgebiet geltenden Verboten freigestellt sind, sofern keine Flächen außerhalb der bereits planfestgestellten Deponieumzäumung in Anspruch genommen werden und die Abfälle auf die im Planfeststellungsbeschluss zugelassene Liste beschränkt bleiben.
Gegen diese neue Verordnung wendete sich das die Deponie planende Unternehmen und einer seiner Geschäftsführer, insbesondere weil sie die Freistellungsregelung nicht für ausreichend erachteten. Auf ihren Normenkontrollantrag erklärte der 4. Senat den einschränkenden zweiten Halbsatz der Freistellungsregelung mit seinem Urteil vom 18. April 2024 für unwirksam. Eine naturfachliche Rechtfertigung für die Begrenzung der Freistellung auf die genannten Flächen und Abfälle sei nicht zu erkennen. Die Einschränkung erweise sich darüber hinaus auch wegen des noch nicht abgeschlossenen ergänzenden Planfeststellungsverfahrens als unverhältnismäßig. Demgegenüber sei allerdings nicht zu beanstanden, dass die Deponieflächen in das Naturschutzgebiet einbezogen worden seien. Denn das Gebiet „Haaßeler Bruch“ sei in naturschutzrechtlicher Hinsicht schutzwürdig und schutzbedürftig. Dies gelte aktuell auch für die Flächen, die für die Errichtung und den Betrieb einer Bodendeponie in Anspruch genommen würden und für die nach dem Ende der auf etwas mehr als zwei Jahrzehnte angelegten Betriebszeit der Deponie eine Rekultivierung vorgesehen sei.
Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht hat der Senat nicht zugelassen. Dagegen kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils Beschwerde eingelegt werden, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.
Vor einer möglichen Errichtung der Abfalldeponie wird zunächst noch das Planergänzungsverfahren durchzuführen sein.
(c) OVG Niedersachsen, 25.04.2024