Der 5. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts hat mit Beschluss vom 11. Juli 2024 entschieden, dass der Abbruch des Besetzungsverfahrens für die Präsidentenstelle der Musikhochschule Hannover rechtswidrig ist (Az.: 5 ME 31/24).

Die Antragsgegnerin, die Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover, schrieb im Frühjahr 2023 die Position des Präsidenten bzw. der Präsidentin aus. Hierauf bewarb sich unter anderem der Antragsteller. Der Senat der Antragsgegnerin beschloss in seiner Sitzung am 5. Juli 2023, den Antragsteller dem Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur zur Ernennung zum Präsidenten vorzuschlagen. Die Abstimmung erfolgte zu TOP 1 der Tagesordnung; ausweislich des Protokolls übernahm die Präsidentin jedoch erst ab TOP 2 die Sitzungsleitung.

Die Antragsgegnerin teilte dem Antragssteller unter dem 17. Oktober 2023 mit, dass das Präsidium in seiner Sitzung vom 17. Oktober 2023 zu der Überzeugung gelangt sei, dass das Auswahlverfahren nicht rechtmäßig zu Ende geführt werden könne und es deshalb abgebrochen werde. Ein von der Antragsgegnerin eingeholtes Rechtsgutachten kam zu dem Schluss, dass bei der Abstimmung im Senat ein Verfahrensfehler begangen worden sei. Die Sitzung sei weder von der damaligen Präsidentin noch vom hauptberuflichen Vizepräsidenten, sondern vielmehr von einem sogenannten „Senatssprecher“ geleitet worden, der stimmberechtigt war. Es sei nicht auszuschließen, dass die Entscheidung bei ordnungsgemäß besetzter Sitzungsleitung, die kein Stimmrecht habe, anders ausgefallen wäre. Dieser Verfahrensfehler als auch die verweigerte Einsicht in die Bewerbungsunterlagen der Bewerber stellten Verfahrensfehler dar, die in der Summe Ergebnisrelevanz haben könnten.

Gegen diese Entscheidung hat der Antragsteller am 16. November 2023 um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Mit Beschluss vom 21. März 2024 hat das Verwaltungsgericht Hannover die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, das Auswahlverfahren zur Besetzung der Stelle einer Präsidentin oder eines Präsidenten fortzuführen (Az.: 2 B 5534/23, Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Hannover vom 25. März 2024, abrufbar unter https://www.verwaltungsgericht-hannover.niedersachsen.de/aktuelles/pressemitteilungen/musikhochschule-hannover-muss-besetzungsverfahren-fur-die-prasidentenstelle-fortsetzen-230816.html). Zur Begründung hat es ausgeführt, es gebe keinen sachlichen Grund für den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens. Der Fehler, dass weder die damalige Präsidentin noch deren Vertreter die Sitzung des Senats vom 5. Juli 2023 geleitet habe, sei heilbar und rechtfertige nicht den Abbruch des Auswahlverfahrens; hierfür müsse das Verfahren nur in den Stand vor der Abstimmung des Senats am 5. Juli 2023 zurückversetzt und die Abstimmung ordnungsgemäß wiederholt werden.

Gegen diese Entscheidung hat sich die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde gewendet.

Der 5. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts hat mit Beschluss vom 11. Juli 2024 die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückgewiesen und ausgeführt, dass der Beschluss ihres Präsidiums vom 17. Oktober 2023, das Auswahlverfahren abzubrechen, rechtswidrig ist. Die Entscheidung des Präsidiums genügt bereits nicht den formellen Anforderungen. Das Präsidium ist für die Entscheidung, das Verfahren abzubrechen, nicht zuständig. Zuständig für den Abbruch eines Stellenbesetzungsverfahrens ist, wer bei dessen Durchführung die Auswahlentscheidung zu treffen hätte. Gemäß § 38 Abs. 2 Satz 1 und 6 NHG entscheidet das Fachministerium über die Ernennung des Präsidenten einer Hochschule in staatlicher Trägerschaft auf Vorschlag des Senats. Hiernach muss das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur über einen Abbruch des Auswahlverfahrens über die Stelle eines Präsidenten einer Hochschule in staatlicher Trägerschaft entscheiden. Eine hiervon abweichende gesetzliche Zuständigkeitsregelung fehlt.

Die Antragsgegnerin kann auch nicht mit ihrem Einwand durchdringen, ein Zuständigkeitsmangel des Präsidiums sei nach § 46 VwVfG unbeachtlich. Die Voraussetzungen des § 46 VwVfG sind nicht erfüllt. Bei der Entscheidung, das Stellenbesetzungsverfahren abzubrechen, handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Bei Ermessensentscheidungen kann der Rechtsgedanke des § 46 VwVfG nur eingreifen, wenn das materielle Recht keinen Spielraum eröffnet. Das ist hier jedoch nicht der Fall. So kann der Senat die Findungskommission, die ihn beim Besetzungsverfahren berät, immer noch auffordern, ihren Bericht bzw. ihre Begründung für die Empfehlung und die zugrunde liegenden Erwägungen zu ergänzen, ggf. klar- oder richtigzustellen sowie Unterlagen nachzureichen, die der Senat für seine Auswahlentscheidung für notwendig erachtet. Die gewünschte Einsichtnahme in alle Bewerbungsunterlagen kann mithin nachgeholt werden. Anschließend ist es dem Senat möglich, gegenüber dem Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur eine Empfehlung abzugeben, die nicht zwangsläufig im Abbruch des Besetzungsverfahrens liegen muss.

Die Entscheidung ist unanfechtbar.

(c) OVG Lüneburg, 12.07.2024

Cookie Consent mit Real Cookie Banner