Der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart hat heute unter dem Vorsitz von Dr. Roderich Martis einen 56-jährigen deutschen Staatsangehörigen wegen vier gewerbsmäßigen Verstößen gegen das Außenwirtschaftsgesetz inVerbindung mit dem Russland-Embargo der EU zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Jahren verurteilt und die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet.

Feststellungen des Senats zu den Taten

Der Senat hat festgestellt, dass der Angeklagte als Geschäftsführer eines in Baden-Württemberg ansässigen Unternehmens und einer in der Schweiz ansässigen Holdinggesellschaft durch die gewerbsmäßige Lieferung von sechs Werkzeugmaschinen samt Zubehör an einen russischen Waffenproduzenten aufgrund von Verträgen aus dem Frühjahr 2015 gegen die durch die Europäische Union im Jahr 2014 verhängten Handelsbeschränkungen verstoßen hat. Dieses Russland-Embargo erfolgte wegen der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisierten, insbesondere wegen der russischen Annexion der Krim und des Zustroms von Waffen, Ausrüstung und Aktivisten aus Russland über die ukrainische Grenze an die separatistischen „Volksmilizen“ im Donbass.

Die vom Angeklagten gelieferten Maschinen waren gebraucht, aber funktionsfähig und als sogenannte Güter mit doppeltem Verwendungszweck für die Serienproduktion von hochpräzisen Scharfschützengewehren in Russland bestimmt.

Der Angeklagte verkaufte im Mai 2015 zunächst fünf dieser Werkzeugmaschinen an den russischen Waffenhersteller, exportierte sie über ein Drittunternehmen in der Schweiz und lieferte sie an den Waffenhersteller aus. Im September2015 verkaufte und exportierte er eine weitere Maschine über Litauen und lieferte sie ebenfalls in Russland aus. Dabei täuschte er die Behörden jeweils über den wahren Verwendungszweck und den Empfänger der Maschinen.

Außerdem vereinbarte er in einem Dienstleistungsvertrag, der ebenfalls gegen das Russland-Embargo verstieß, die Einrichtung der Maschinen und die Schulung der Mitarbeiter des russischen Waffenproduzenten, wobei dies durchAngestellte und Beauftragte des Angeklagten in den Jahren 2015 und 2016 erfolgte. In diesem Vertrag wurde eine Serienanfertigung von jährlich 2.500 der Scharfschützengewehre vereinbart. Diese Menge an Gewehren sollte an das Militär verkauft werden, weil es dafür keinen entsprechenden Markt im zivilen Bereich gab. Das hochpräzise Scharfschützengewehr war somit ein Militärgut, das von der deutschen Militärgüterliste und von der Gemeinsamen Militärgüterliste der EU erfasst wird. Dieses Gewehr wird von Soldaten, die auf der Seite Russlands kämpfen, im Krieg gegen die ukrainische Bevölkerung eingesetzt.

Im Dezember 2015 führte der Angeklagte vier dieser Scharfschützengewehre unter Verwendung eines vor das Embargo rückdatierten Vertrages verbotswidrig aus Russland nach Deutschland ein. Der Senat hat die Einziehung dieser Gewehre angeordnet. 

An dem Verfahren ist eine von dem Angeklagten beherrschte Schweizer Holdinggesellschaft beteiligt, die durch die vorgeworfenen Taten rund 3 Mio. Euro erlangt hat, die der Senat einzieht. Der Angeklagte selbst hat 2,1 Mio. Euro erlangt, die ebenfalls eingezogen werden. Davon haften die Gesellschaft und der Angeklagte in Höhe von 674.000 Euro als Gesamtschuldner.

Weitere Informationen zu dem Verfahren

Der 2. Strafsenat verhandelte seit dem 22. Januar 2024 an 37 Verhandlungstagen, vernahm dabei 42 Zeugen und zwei Sachverständige und führte zahlreiche Urkunden in die Verhandlung ein. Der Angeklagte war nicht geständig, er gab aber während der Verhandlung und insbesondere an sechs Verhandlungstagen von August bis Oktober umfangreiche Erklärungen zu den Tatvorwürfen ab. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Dem Angeklagten und dem Generalbundesanwalt stehen gegen das Urteil das Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof offen, die binnen einer Woche nach Verkündung des heutigen Urteils eingelegt werden muss.

Der Angeklagte wurde am 10. August 2023 auf Grundlage eines europäischen Haftbefehls in Frankreich festgenommen und am 22. August 2023 zum Zwecke der Strafverfolgung nach Deutschland überstellt. Er befindet sich seither in Untersuchungshaft. Der Senat hat heute den Haftbefehl gegen den Angeklagten aufrechterhalten und den weiteren Vollzug der Haft angeordnet.

Aktenzeichen

2 St 3 BJs 48/22 Oberlandesgericht Stuttgart

3 BJs 48/22-1 Generalbundesanwalt

(c) OLG Stuttgart, 07.11.2024

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