Der 7. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart hat heute unter Vorsitz von Manuela Haußmann einen 27 oder 28 Jahre alten irakischen Staatsangehörigen wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland und wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat unter Einbeziehung einer 2024 verhängten Geldstrafe zu der Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren und 1 Woche und zu der weiteren Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt. Die Fortdauer der Untersuchungshaft wurde angeordnet.

Feststellungen des Senats zu den Taten

Der Senat hat festgestellt, dass der Angeklagte sich im Irak in den Jahren 2016 und 2017 mitgliedschaftlich an der ausländischen terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ (IS) beteiligt hat. Er trat dem IS im Mai 2016 als Mitglied bei und war sodann nacheinander zwei militärischen Formationen des IS zugeordnet. Seit September 2016 war er gefechtsbereit stationiert.

Nachdem der IS ab Sommer 2017 zusehends die Kontrolle über das von ihm zuvor beherrschte Territorium im Irak verloren hatte, fürchtete der Angeklagte, von den irakischenBehörden für seine Tätigkeit im IS zur Rechenschaft gezogen zu werden. Deshalb verließ er Ende September oder Anfang Oktober 2017 mit seiner Ehefrau und seiner Mutter den Irak und begab sich über Syrien in die Türkei, wo er bis zum Herbst 2022 lebte. Mit Verlassen des Irak endete die Mitgliedschaft des Angeklagten im IS, obgleich er sich auch weiterhin dessen dschihadistischer Ideologie fest verbunden fühlte.

Im Oktober 2022 begab sich der Angeklagte – nunmehr ohne Begleitung von Familienangehörigen – über die sog. Balkanroute nach Deutschland, wo er am 16. Oktober 2022einreiste und einen Asylantrag stellte. Über diesen ist bislang nicht entschieden. Er lebte zunächst in der Erstaufnahmeeinrichtung in Heidelberg und anschließend ab März 2023 in einer Sammelunterkunft in Esslingen.

Während seines Aufenthalts in Deutschland sammelte der Angeklagte auf seinem Smartphone in erheblichem Umfang dschihadistisches Propagandamaterial des IS, das unteranderem aus Bilddateien, Audiodateien (beispielsweise mit Predigten von Führungspersönlichkeiten des IS) und Videodateien bestand. Anfang Januar 2024 veröffentlichte der IS einen Aufruf seines offiziellen Sprechers unter dem Titel „Tötet sie, wo immer ihr auf sie trefft“, der sich sowohl an die Kämpfer des IS als auch an alle Muslime weltweit richtete. Darin wurde unter Berufung auf die dschihadistische Ideologie des IS und mit Betonung der Vorgänge im Gaza-Streifen dazu aufgerufen, in westlichen Städten u.a. Anschläge mit Sprengstoff zu verüben, denen möglichst viele Menschen zum Opfer fallen sollten.

Aufgrund dieses Aufrufes entschloss sich der Angeklagte, der mit seiner Situation in Deutschland unzufrieden war, dazu, einen derartigen Anschlag auszuführen. Zu dessen Vorbereitung nahm er Kontakt zu dem IS-nahen „Al-Saqri-Institut für Kriegswissenschaften“ auf und beschaffte sich dort Rezepturen für verschiedene Sprengstoffe. Anschließend suchte er ab dem 6. Januar 2024 im Internet, namentlich bei der Suchmaschine Google und bei verschiedenen Online-Versandhändlern, nach Grundstoffen für Sprengstoffe und nach verschiedenen elektronischen Gerätschaften für die Herstellung eines Sprengsatzes. Er entschied sich für die Herstellung des Explosivstoffs Harnstoffnitrat, welchen er mittels des Zündstoffs TATP zur Explosion bringen wollte. Die Rezeptur dieser beiden Sprengstoffe notierte er in einem Taschenkalender, welchen er in seinem Spind in der Unterkunft in Esslingen lagerte. Dort bewahrte er auch eine Flasche mit rund 100 ml Wasserstoffperoxid – einem Grundstoff für die Herstellung von TATP – sowie des Weiteren verschiedene elektronische Bauteile auf, die er bei der Herstellung des Sprengsatzes verwenden wollte.

Die Vorbereitungen endeten mit der Festnahme des Angeklagten am 19. Juni 2024.

Weitere Informationen zu dem Verfahren

Der 7. Strafsenat verhandelte seit dem 9. Januar 2025 an insgesamt 14 Verhandlungstagen und vernahm dabei elf Zeugen und vier Sachverständige. Es wurde eine Vielzahl von Bild-, Ton- und Videodateien in die Verhandlung eingeführt. Der Angeklagte hat sich teilweise zu den Tatvorwürfen eingelassen.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Dem Angeklagten und dem Generalbundesanwalt steht gegen das Urteil das Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof offen, die binnen einer Woche nach Verkündung des heutigen Urteils eingelegt werden muss.

Aktenzeichen

7 St 2 BJs 72/24 Oberlandesgericht Stuttgart

2 BJs 72/24 Generalbundesanwalt

OLG Stuttgart, 31.03.2025

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