Der 6. Strafsenat – Staatsschutzsenat – des Oberlandesgerichts Stuttgart hat heute unter dem Vorsitz von Dr. Claus Belling in einem Verfahren gegen ein Mitglied der Kurdischen Arbeiterpartei („PKK“) ein Urteil verkündet. Der 23-jährige Angeklagte, ein deutscher Staatsangehöriger mit kurdischen Wurzeln, wurde wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland nach §§ 129a und 129b des Strafgesetzbuchs zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Daneben wurde ein Bargeldbetrag in Höhe von 840 Euro eingezogen.

Dem Urteil waren 47 Verhandlungstage seit dem 17. März 2022 vorausgegangen. Im Rahmen der Beweisaufnahme hatte der Senat insgesamt 16 Zeugen vernommen sowie zahlreiche Dokumente und eine Vielzahl abgehörter Telefongespräche eingeführt. In der Hauptverhandlung waren zudem auch Bekennervideos der PKK zu tödlichen Anschlägen auf Militär- und Sicherheitsorgane der Türkei abgespielt worden.

Nach den Feststellungen des Senats strebt die PKK einen staatenähnlichen Verbund der kurdischen Siedlungsgebiete in der Türkei, Syrien, Iran und Irak an. Sie verfügt über militärisch strukturierte Guerillaeinheiten, die Anschläge auf türkische Polizisten und Soldaten verüben. Zweck und Tätigkeit der PKK sind unter anderem darauf gerichtet, durch Anschläge Mord (§ 211 StGB) und Totschlag (§ 212 StGB) in der Türkei zu begehen. Die PKK besitzt u.a. über ihre Jugendorganisation „Bewegung der revolutionären Jugend (TCŞ) auch in Deutschland und anderen Ländern Europas feste Organisationsstrukturen. Dort haben ihre Mitglieder vor allem die Aufgabe, Finanzmittel für die Organisation zu beschaffen und PKK-Anhänger für die Organisation und den Guerillakampf zu rekrutieren. Die seit 1993 in Deutschland verbotene und von der Europäischen Union als terroristische Vereinigung eingestufte „PKK“ versteht sich als einzig legitimes Sprachrohr und Vertretung sämtlicher Kurden weltweit.

Nach der umfangreichen Beweisaufnahme ist der Senat davon überzeugt, dass sich der Angeklagte ab April 2019 zunächst im PKK-Gebiet Basel/Lörrach/Weil am Rhein (bis Frühjahr 2020), danach im PKK-Gebiet Wien und schließlich ab November 2020 bis zu seiner Festnahme am 20. September 2021 im PKK-Gebiet Berlin jeweils als verantwortlicher Jugendkader der PKK-Jugendorganisation TCŞ betätigt hat. Dies tat er etwa dadurch, dass er in seinen Gebieten Veranstaltungen initiierte und sich für seinen jeweiligen Verantwortungsbereich an der Organisation regionsübergreifender PKK-Großveranstaltungen beteiligte. Darüber hinaus war der Angeklagte in die Propaganda- und Schulungsarbeit der PKK sowie die Beschaffung von Finanzmitteln eingebunden. Ihm kam auch die Aufgabe zu, Jugendliche für die PKK und deren bewaffneten Kampf zu gewinnen.

Zumindest in einem Fall war er in die Rekrutierung eines damals Minderjährigen involviert. Dieser konnte aber noch auf seiner Reise in den Nordirak, wo er seine militärische Ausbildung erhalten sollte, von seinem besorgten Vater in Athen ausfindig gemacht und nach Hause gebracht werden.

Hinsichtlich eines bei dem Angeklagten sichergestellten Bargeldbetrages in Höhe von 840 Euro gelangte der Senat zu der Überzeugung, dass es sich hierbei um Finanzmittel der PKK handelt, weswegen deren Einziehung angeordnet wurde. Kurz vor seiner Festnahme kündigte der Angeklagte an, bald selbst „in die Berge“ zu gehen, womit das Kandil-Gebirge im Nordirak gemeint ist, in welchem die PKK ihr Hauptquartier unterhält und ihre Guerillaeinheiten ausbildet.

Der Senat hat die Anwendung von Jugendstrafrecht auf den im Tatzeitraum zunächst heranwachsenden Angeklagten abgelehnt. Dabei hat er insbesondere berücksichtigt, dass das verwirklichte Delikt keine jugendtypische Straftat darstellt und weder im Werdegang noch im Verhalten des Angeklagten Reifeverzögerungen erkennbar waren. Der Senat ordnete die Fortdauer der Untersuchungshaft an.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Dem Angeklagten und der Generalstaatsanwaltschaft steht gegen das Urteil das Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof offen.

Quelle: Oberlandesgericht Stuttgart, Pressemitteilung vom 10. Februar 2023

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